Wettrüsten für den "Psychokrieg"
Von Christian Böhmer
Irgendjemand musste Frank Stronach ins Gewissen geredet haben, denn der bis dahin polternde Parteigründer gab urplötzlich den gemütlichen Fernseh-Opa.
Es geschah bei der TV-Debatte mit Heinz-Christian Strache: Das Duell mit dem FPÖ-Chef war in dieser Woche jenes, das mit der meisten Spannung erwartet wurde. Stronach und Strache kämpfen um Protestwähler, sie fischen im selben Teich, sind also direkte Konkurrenten.
Alles Zufall? Mitnichten. Wann immer sich Tonlage und Gestik derart massiv ändern, haben Berater ihre Finger im Spiel. Und was diese „Coaches“ vor den Auseinandersetzungen so alles anstellen, ist mindestens so spannend wie das Duell selbst.
Die eigentliche Arbeit beginnt Wochen vor dem Auftritt und zwar für drei, vier Personen, den kleinen Beraterstab. „Du sammelst Zahlen, Fakten, Argumente zu relevanten Themen und dem Gegenüber“, sagt Daniel Kapp, früherer Sprecher und Coach von Ex-Vizekanzler Josef Pröll zum KURIER.
Welche Themen? „Alle“, antwortet Kapp. „Letztlich ist ein TV-Duell ein Psychokrieg, in dem man nicht weiß, was passiert. Was kommt vom Gegenüber, was könnte der Diskussionsleiter fragen – und vor allem: Welche Geschichte will man selbst erzählen? All diese Fragen müssen vorab beantwortet sein.“
Dauer-Fernsehen Dabei bleibt es freilich nicht, die Stäbe sammeln nicht nur Papier, sie schauen vorab vor allem fern. Allein für das TV-Duell mit Strache ließ Kapp acht Stunden Interviews mit dem FPÖ-Chef analysieren.
Womit wir beim Herzstück der Vorbereitung wären, dem simulierten Duell, dem „Sparring“.
Denn glaubt man Polit-Profis wie Josef Kalina, dann genügt es nicht, sich vorzustellen, welche Angriffe in einem TV-Duell passieren: „Du musst das vorher einfach erlebt haben. Alles andere ist unprofessionell.“
Kalina war als Coach bzw. Sprecher mehrerer SPÖ-Kanzler fast immer dabei, wenn im Renner-Institut (SP-Parteiakademie, Anm.) die Sparrings passierten.
Das „Setting“ ist immer dasselbe und möglichst identisch mit dem TV-Studio: Es werden Kameras, Scheinwerfer und Mikros aufgebaut; die Rolle von Moderator und Gegner übernehmen echte Menschen, alles wird gefilmt.
Kalina selbst schlüpfte zu Übungszwecken mehrfach in die Rolle von ORF-Journalisten und Jörg Haider.
Das Ziel: den Kanzler-Kandidaten auf dem falschen Fuß erwischen. „Man darf und muss persönlich und untergriffig werden – nur dann kann man diese Situationen trainieren“, sagt der Coach einer anderen Partei.
Kanzlerkleidung
Sparrings geben zudem die Möglichkeit, Accessoires und Kleidung zu prüfen. „Verglichen mit einem Fußballmatch ist eine TV-Debatte statisch. Daher ist alles, was man abseits des Sprechens tut, wichtig, weil es die Aufmerksamkeit der Kameras auf sich zieht“, sagt Kalina.
Unspektakulär – weil Allgemeinwissen – ist die Frage des Outfits. „Jeder gute Coach weiß: Die Haare beim TV-Duell müssen frisch geschnitten sein, und ein möglicher Kanzler trägt im Fernsehen ausschließlich weiße Hemden“, sagt Heidi Glück.
Glück war Sprecherin und Coach von Alt-Kanzler Wolfgang Schüssel, und sie ist bis heute für ihre Detail-Verliebtheit bekannt.
So überprüfte sie, wie Kleidungsstücke im Licht der Studio-Scheinwerfer wirken („Ich hatte mitunter zwei, drei verschiedene Krawatten mit“); sie achtete darauf, dass das Make-up in den richtigen Dosen eingesetzt wird; ja sie kontrollierte vorab sogar, auf welchem Sessel der Kanzler Platz nimmt („Wer zu hoch oder zu tief sitzt, vermittelt auch optisch einen unbequemen Eindruck“).
Und die weißen Hemden, Frau Glück? „ Kariert, gestreift, all das kommt im Fernsehen nicht infrage, es flimmert auf dem Schirm.“
Keine Sparrings
Schüssel verzichtete in seiner Hoch-Phase auf Sparrings. Und das hat er mit den aktuellen Spitzenkandidaten gemein, offiziell zumindest. Man kann den Parteichefs durchaus glauben, dass sie jetzt ohne Sparring auskommen – denn zumindest haben Faymann, Spindelegger & Co jahrelang Kamera-Erfahrung.
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