Politik/Inland

"Wer nichts tut, legt Österreich in Straches Hände"

KURIER: In Ihrer Partei gibt es heftige Kritik an der geplanten Verschärfung der Asylgesetze, u. a. im Parlamentsklub und von der Wiener Landespartei. Oft ist zu hören, gerade eine sozialdemokratische Kanzlerpartei sollte nicht eine solch harte Linie fahren. Was entgegnen Sie?

Hans Peter Doskozil: Zuerst muss man sagen: Was heißt sozialdemokratisch? Ich muss die Lage, die sich global und in Europa entwickelt, realistisch beurteilen. Das beginnt beim Verhältnis zur Türkei, bei der Entwicklung neuer Fluchtrouten. Wenn man das sieht, wäre es immens fahrlässig, nicht zu reagieren. Es wäre auch nicht sozialdemokratisch, nicht zu reagieren.

Inwiefern?

Weil man so zulässt, dass heuer und nächstes Jahr hunderttausend, zweihunderttausend oder dreihunderttausend Menschen ins Asylverfahren kommen. Das wäre nicht sozialdemokratisch, weil wir diese Leute dann nicht mehr integrieren könnten. Wenn das Funktionieren unserer staatlichen Systeme gefährdet wäre, würden wir dem Trend folgen, den es in einigen europäischen Ländern gibt und der bei uns in Umfragen erkennbar ist: Wir würden Österreich in die Hände der Rechten, in die Hände von Strache legen.

Angesichts der Verschärfung der Asylgesetze stellt sich allerdings die Frage: Wo ist da noch der Unterschied zwischen einer SPÖ- und einer FPÖ-geführten Regierung?

Der erste Unterschied ist, dass wir in den nächsten vier Jahren ja noch viele Menschen ins Asylverfahren aufnehmen. Das bedeutet, sie nicht nur während des Verfahrens zu versorgen, sondern sie dann auch zu integrieren. Das ist für uns Sozialdemokraten die wesentlichste Aufgabe: Wie können wir sie in den Arbeitsmarkt integrieren? Wie sorgen wir für ausreichend Schulplätze? Wie sorgen wir dafür, dass die Asylberechtigten eigenständig leben können, sich eine Wohnung leisten können? Das ist der wesentliche Unterschied zur FPÖ.

Kritiker sehen Österreich auf EU-Ebene als Hardliner. Zu Recht?

Kein europäischer Staat hat so viele Asylwerber aufgenommen wie wir. Wenn sich alle europäischen Staaten Österreich als Vorbild nehmen würden, dann hätten wir kein Problem. Wir stehen zu diesen Maßnahmen, auch, um Europa zu signalisieren, es gibt kein Durchwinken mehr. Wir werden nicht mehr tolerieren, dass wir in einer Situation wie im vorigen Jahr, die wir heuer vielleicht am Brenner haben werden, zu einer Wartezone in Richtung Deutschland werden. Das können wir uns kein zweites Mal leisten.

Wann wäre für Sie der Punkt erreicht, an dem man die Brenner-Grenze schließen muss?

Ich gehe davon aus, dass die Vorbereitungen für verstärkte Einreisekontrollen in zwei bis drei Wochen abgeschlossen sein werden. Dann kommt es darauf an, wie Italien mit den Menschen umgeht, die in Sizilien ankommen. Letzte Woche gab es schon Tage, an denen 3000 gekommen sind. Italien darf diese Menschen nicht zu uns durchwinken. Wenn das geschieht, müssen wir von einem Tag auf den anderen die Kontrollen hochziehen.

Grenze dicht, Gesetze verschärfen – reicht das, um die angepeilte Obergrenze von 37.500 Asylverfahren 2016 einzuhalten?

Wenn wir diese Maßnahmen stringent umsetzen, können wir es schaffen, diesen Richtwert zu erreichen. Wir haben derzeit bereits 16.000 neue Asylverfahren im heurigen Jahr. Ich gehe davon aus, dass sich die Migrationsroute über den Brenner im Vergleich zum Vorjahr verdoppeln bis verdreifachen wird. Die Situation auf den Ausweichrouten zur Balkanroute wird sich gleichzeitig nicht wesentlich entspannen. Daher darf man sich jetzt nicht zurücklehnen.