Politik/Inland

Wer ist Schutzpatron der Hypo-Täter?

Das ist selbst dem gewohnt regierungskritischen Werner Kogler zu viel. "Das ist wirklich unmöglich", ruft der Grüne Vize-Klubchef dem Neos-Chef Matthias Strolz zu, als dieser eine überdimensionale Kuckucksplakette auf die Regierungsbank im Parlament klebt. "Über Österreich kreist der Pleitegeier", will der pinke Frontmann damit symbolisieren. Das geht sogar den Grünen zu weit.

Es geht um die Hypo. Sondersitzung im Hohen Haus.

ÖVP-Finanzminister Michael Spindelegger tituliert das Geschehen als "Wettbewerb der Beschimpfungen". Nationalratspräsident Karlheinz Kopf ermahnt die Mandatare wegen ihrer teils deftigen Wortwahl und Zwischenrufe auch mehrmals.

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"Dreckshaufen"

Da ist von der "toten Kuh" (Kogler über Hypo zum Zeitpunkt der Verstaatlichung), der "Eiterbeule" (Strolz) und dem "Dreckshaufen" (Meinl-Reisinger/Neos) die Rede (siehe Zitate rechts). FPÖ-General Herbert Kickl attestiert Rot/Schwarz, nicht ganz bei Sinnen zu sein (was ihm einen Ordnungsruf einbringt) – und empfiehlt SPÖ und ÖVP einen "Parapsychologen" aufzusuchen. Sein Parteichef Heinz-Christian Strache wachelt mit Handschellen und rühmt sich, er sei "der Schutzpatron der Steuerzahler", was Gelächter in den Abgeordneten-Reihen hervorruft und SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer zu viel ist: "Das ist ein schlechter Witz. Sie sind der Schutzpatron derjenigen, die uns das eingebrockt haben. Sie sind der Schutzpatron von Dörfler (der Ex-Landeshauptmann ist FPÖ-Bundesrat). Die Handschellen können sie gleich in ihrem Klub ausprobieren", wettert Krainer. SPÖ und ÖVP applaudieren, der Kanzler nickt, als wolle er sagen: "Genauso ist es." Werner Faymann gibt sich in seiner – lange erwarteten – Erklärung etwas zurückhaltender. Nüchtern referiert er über "Anstaltslösung, Bankenabgabe und Bankenunion". Emotional wird er nur, als er auf die Rolle der Kärntner Blauen zu sprechen kommt. Es dürfe "nicht vergessen" werden, "wer die Verursacher waren", mahnt Faymann. Und: "Schon gar nicht" brauche die Regierung derzeit "Empfehlungen von der FPÖ". Diese habe "bewiesen, dass sie nicht in der Lage ist, gute Entscheidungen zu treffen". SPÖ-Klubchef Schieder stellt klar: "Die Verantwortung für das Hypo-Desaster tragen Haider und die FPÖ." Spindelegger beklagt auch: "Ich habe das Problem nicht verursacht, ich habe es übernommen". Und er echauffiert sich über die "wahnwitzigen Haftungen" (bis zu 24 Milliarden Euro), die Kärnten übernommen hat.

Die Grünen orten auch ein Kontrollversagen im Bund – und warnen vor der geplanten "Anstaltslösung": Die jede Familie "mindestens 5000 Euro kosten", prophezeit Kogler. "Wie wollen Sie das aushalten? Sie sind in drei Monaten rücktrittsreif". Der Grüne wünscht sich "zumindest eine Teil-Insolvenz", also einen freiwilligen Schuldennachlass der Anleger.

Offene Kostenfrage

Spindelegger schließt weiterhin keine Option aus, er hält also auch eine Insolvenz der Bank für möglich. Wie viel die Hypo-Causa den Steuerzahler kosten wird, ließ er offen. Schieder sprach von vier bis sieben Milliarden Euro, Kogler von 13 bis 15. Spindelegger will zunächst einen Bericht der Hypo-Taskforce abwarten. Bis Sommer soll es eine Lösung geben.

"Skandalös"

Der Opposition dauert das zu lang. "In den vier Jahren (seit der Notverstaatlichung) ist so gut wie nichts passiert", schimpft Kickl. Die Blauen, die Grünen, die Neos und das Team Stronach drängen weiter auf einen U-Ausschuss (siehe unten). Und: Sie drohen mit weiteren Hypo-Sondersitzungen – allen voran die Grünen, weil ihnen missfällt, dass Spindelegger viele ihrer 73 dringlichen Fragen gestern nicht beantwortet hat. "Das war skandalös", befindet Glawischnig. Der Finanzminister reagierte nicht darauf, er eilte zum Flughafen. In Brüssel tagen seine EU-Amtskollegen – auch heute noch. Spindelegger wird daher den Ministerrat verpassen und keine Journalistenfragen in Wien beantworten. Auch Faymann erspart sich das – wieder einmal. Ins Ministerratsfoyer müssen die Minister Klug und Kurz ausrücken. Da könnte der Grüne Kogler wieder rufen: "Das ist wirklich unmöglich."

Michael Spindeleggers Aussage im KURIER, "Kärnten kann sich nicht abputzen", stößt im südlichsten Bundesland auf breite Ablehnung.

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) deponierte am Montag erneut, dass die 500 Millionen Euro im Zukunftsfonds nicht für die Hypo-Abwicklung zur Verfügung stehen. Kaiser untermauerte dies mit sechs Antworten zu Spindeleggers Aufforderung, dass ein Kärntner Beitrag der "Anstand gebietet".

Der Anstand gebiete, darauf hinzuweisen, dass das Hypo-Desaster mit dem Größenwahn von Jörg Haider zusammenhänge.

- Kärnten zur Verstaatlichung bereits 200 Millionen Euro beigetragen habe.

- das Land weiterhin alle Geschäfte über die Hypo Österreich abwickle.

- Kärnten beim Verkauf der Hypo Österreich als einziges Land Flagge gezeigt habe.

- es Haftungen dieser Art nicht mehr geben werde.

- es die Bayern LB gewesen sei, die die Geschäfte am Balkan ausgeweitet habe.

Die Haftungen, die am 13. Dezember 1990 (unter Landeshauptmann Haider) im Landtag einstimmig beschlossen worden waren, seien von den Regierungskommissären Karl Pfeifenberger und Haider "als Beilage zum Budget" ausgewiesen worden. Von einem Risiko sei nie die Rede gewesen. Kaiser: "Ich erwarte mir, dass sich auch meine Vorgänger entschuldigen."

Zum Zukunftsfonds stellte der Landeschef klar, dass dieser als "eiserne Reserve" diene, sollten bis 30. September 2017 Haftungen für die Hypo Österreich – für die jetzt im britisch-indischen Besitz befindliche Bank steht das Land mit 688 Millionen Euro gerade – schlagend werden. Er und Finanzreferentin Gaby Schaunig (SPÖ) können sich jedoch vorstellen, einen Beitrag über die Haftungsprovision zu leisten. Beide drängen auf eine rasche "Anstaltslösung", um die Haftungen in die Hypo-Bad-Bank auszulagern. Dann wäre Kärnten aus dem Schneider.

Ein klares Nein zum Griff in den Zukunftsfonds kommt auch von der ÖVP (Gabriel Obernosterer: "Den Zukunftsfonds heranzuziehen, wäre der Todesstoß für Kärnten") und den Grünen (Rolf Holub: "Man muss Kärnten leben lassen"). FPÖ-Chef Christian Ragger fordert, auch Alteigentümer Grazer Wechselseitige (Grawe) heranzuziehen.

Burgenlands VP-Chef Franz Steindl unterstützt die Forderung von Spindelegger:"Kärnten muss seinen Beitrag leisten." Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner (ÖVP) ist strikt dagegen, dass alle Hypos mitzahlen sollen.

So vieles liegt noch im Dunkeln: Wie kam es tatsächlich zu den gigantischen Haftungen des Landes Kärnten bei der Hypo Alpe-Adria? Warum haben alle Kontrollen versagt, vom Landesrechnungshof bis zu Bankenprüfung und Nationalbank? Und was ist bei der Verstaatlichung 2009 (schief)gelaufen? Lautstark verlangen alle vier Oppositionsparteien einen U-Ausschuss im Parlament, der die politische Verantwortung klären könnte.

Doch die Regierungsparteien lehnen das ab. Jedenfalls bis vor wenigen Tagen, denn nun gibt es erstmals auch aus SPÖ und ÖVP Zustimmungs-Signale zu einem U-Ausschuss. Den Anfang machte der SPÖ-Finanzsprecher des Parlamentsklubs, Kai Jan Krainer, der als wirtschaftspolitischer Berater von Kanzler Werner Faymann auch Mitglied seines Kabinetts ist. In einer ORF-Diskussion zur Hypo erklärte er, dass man „über einen U-Ausschuss durchaus diskutieren“ könne.

Wenig später meldete sich der Vorarlberger ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner. In einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten sagte Wallner, er werde alles tun, was zur Aufklärung beiträgt, „weil ich schon den Eindruck habe, dass da in Kärnten ein gewaltiger Filz geherrscht hat.“ Ein U-Ausschuss werde das Problem zwar nicht lösen, „aber die Bevölkerung hat ein Recht auf volle Aufklärung“.

Bei der Sondersitzung am Montag stimmte dann tatsächlich ein Mandatar der Regierungsparteien für den Hypo-U-Ausschuss. Es war aber nicht Kai Jan Krainer, sondern die jüngste Abgeordnete der SPÖ, Daniela Holzinger. Sie stimmte mit der Opposition, weil sie sich sonst „nicht mehr ins Gesicht schauen könnte, erklärte sie der APA. Und weiter: „Wenn man nichts zu verbergen hat, kann man einen U-Ausschuss auf alle Fälle unterstützen – und wenn etwas im Verborgenen liegt, ist es gut, wenn es hervorkommt.“ Was freilich nichts daran änderte, dass der U-Ausschuss mit der Mehrheit von SPÖ und ÖVP abgelehnt wurde.

All jene, die Hypo-Anleihen haben, für die das Land Kärnten garantiert, sollen auf Teile ihres Kapitals verzichten. Das wünschen sich die Oppositionsparteien und wohl auch viele Österreicher – frei nach dem Motto: Die Spekulanten sollen zahlen.

Doch so einfach ist die Sache nicht. Erstens sind die Inhaber dieser Anleihen durchwegs keine auf Risiko-Investments spezialisierten Finanzhaie, sondern konservative Anleger wie Pensionskassen oder Versicherungen in Deutschland und der Schweiz. Sie haben diese Anleihen vor Jahren im Vertrauen auf die Haftung des Landes Kärnten erworben. Diese Anleger haben auch keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben. Sie haben die Anleihen vor dem Verkauf der Hypo im Mai 2007 erworben. Später gab es keine Garantien des Landes mehr. 2007 war von Krise noch keine Rede.

Und zweitens würde sich die Republik Österreich mit einem freiwilligen Schuldennachlass ("Hair-Cut") dieser Anleger nur ins eigene Fleisch schneiden. Denn die Republik müsste den Schuldennachlass verhandeln und damit wäre Kärnten sofort aus dem Schneider. Da begänne wieder das Spiel, dass entweder Kärnten pleitegeht oder der Bund einspringt. Daher würde bei einem freiwilligen Verzicht dieser Anleihegläubiger Kärnten rasch aus der Verantwortung sein, der Bund und damit die Steuerzahler müssten bluten. Auch wenn all diese Anleihen in die geplante staatliche Anstalt wandern würden, wäre Kärnten frei. Daher wird noch überlegt, ob die Anleihen nicht in der "guten Hypo" bleiben.

Mitgehangen

Durch die Verluste der Hypo Kärnten schwer getroffen wurden dagegen bereits all jene Investoren, die nicht-garantierte Anleihen der Hypo hatten. Fast alle diese Anleihen wurden weit unter dem ursprünglichen Wert von der Hypo getilgt. Manche dieser Anleihen wurden ein Totalverlust, andere zu einem Viertel getilgt. Die Anleger verloren 75 Prozent ihres Kapitals.

Egal, ob Auto- oder Radfahrer: Wer in diesen Tagen an der Zentrale der Hypo Alpe-Adria-Bank in Klagenfurt vorbeifährt, der soll doch bitte ein Zeichen setzen – hupend, klingelnd, nur um zu zeigen, dass er oder sie für das "Debakel" nicht bezahlen will.

So wünschen es sich die Betreiber einer Facebook-Seite mit Namen "Hupe gegen Hypo". Binnen weniger Tage haben 600 Fans der Aktion Sympathie bekundet.

Das Netz, so scheint es, ist ein wunderbares Medium, um Zorn und Unmut einen Weg zu bahnen. KURIER-Online verzeichnete am Montag bei Hypo-relevanten Artikeln bisweilen die doppelte Anzahl an Postings wie andere, meist gelesene Geschichten.

Die Mehrzahl der Online-Kommentare blieb negativ und ging inhaltlich in die Richtung, man solle die Hypo in die Insolvenz schicken.

Ähnliches fordert eine andere, auf Facebook eingerichtete Gruppe: Die ebenfalls erst seit dem Wochenende im Netz stehende Facebook-Seite "Schickt die Hypo in die Insolvenz" hat mittlerweile rund 2500 Fans gefunden.

Noch größer ist die Resonanz auf der Homepage Avaaz.org (deutsch: "Stimme"). Die auf Online-Kampagnen spezialisierte Seite zählte bei der an Finanzminister Spindelegger gerichteten Petition "Lückenlose Offenlegung der Hypo-Gläubiger!" fast 8000 Unterstützer.