"Wenn ich Staatsanwalt wäre, würde ich Grasser anklagen"
Von Maria Kern
Fünf Monate saß Hannes Jarolim im Korruptionsuntersuchungsausschuss im Parlament. Nun zieht sich der Fraktionsführer der SPÖ aus dem Kontroll-Gremium zurück – aus Zeitgründen. Der Rechtsanwalt will sich wieder mehr um seine Wirtschaftskanzlei kümmern. Welches Resümee zieht der Jurist aus den 26 Sitzungen im U-Ausschuss?
"Wäre ich Staatsanwalt, dann würde ich Karl-Heinz Grasser anklagen. Das Substrat für eine Anklage ist derzeit schon gegeben", sagt Jarolim im KURIER-Gespräch.
Auch wenn "der strafrechtliche Beweis" noch fehle, so gebe es doch bereits "ausreichend Indizien für eine Anklage, dass Grasser mitkassiert haben dürfte" – bei den Geschäften, die Grassers Freunde in dessen Zeit als Finanzminister abgewickelt haben.
System
Im U-Ausschuss habe sich gezeigt, dass es "ein geschlossenes System zum Nutzen einiger weniger und zum großen Nachteil der Republik" gegeben habe.
Ein ehemaliger Kabinettschef habe aufgezeigt, dass es zwischen 2000 und 2006 (als die FPÖ in der Regierung saß) "einen Generalplan für die Ausplünderung der Republik gegeben hat, der brutal umgesetzt worden ist".
Bei Privatisierungen oder wenn Unterkünfte für die Finanz, die Justiz oder die Unis gebraucht wurden, hätte es "keine Geschäftsabwicklung ohne Zahlungen an gewisse Leute" gegeben. Die gewissen Leute sind für Jarolim die (einstigen) Grasser-Wegbegleiter Walter Meischberger, Peter Hochegger und Ernst Plech. "Diese Freunde hätten nicht so erfolgreich sein können, wäre Grasser nicht Finanzminister gewesen."
Was wirft Jarolim Grasser vor? "Beim Verkauf der BUWOG hätte man etwa wesentlich mehr als 960 Millionen Euro lukrieren können, wenn man die einzelnen Wohngesellschaften (BUWOG, ESG Villach, EBS Linz etc., Anm.) getrennt, statt in einem Paket verkauft hätte", urteilt der Anwalt.
Verantwortung
"Das hat niemand anderer als Grasser politisch zu verantworten".
Wenn die Gesellschaften einzeln verkauft worden wären, "hätte es aber vermutlich keine so hohe Provision gegeben", meint Jarolim.
Meischberger und Hochegger haben bekanntlich 9,6 Millionen Euro erhalten, weil sie dem Käufer Immofinanz dazu verholfen haben, die Konkurrenz auszubooten. Der Tipp für die richtige Angebotshöhe dürfte aus dem Umfeld von KHG gekommen sein.
Grasser weist bekanntlich alle Vorwürfe strikt zurück. Meischberger, Plech und Hochegger beteuern ebenso, stets korrekt gehandelt zu haben. Meischberger und Hochegger haben lediglich Selbstanzeige erstattet, weil sie die BUWOG-Provision nicht versteuert haben.
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