"Die Wadlbeißerei haben alle satt"
Von Maria Kern
Eine Wahl mitten in der Vorweihnachtszeit.
Haben die Bürger da nicht andere Dinge im Kopf? Ist Politik im Advent nicht das letzte, womit sich die Menschen beschäftigen wollen? Muss man nicht damit rechnen, dass sich das negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken wird?
Diese Fragen drängen sich nach der Verschiebung der Hofburg-Wahl von 2. Oktober auf 4. Dezember auf.
Erfahrungswerte mit Urnengängen im Dezember sind rar. In kalten und finsteren Wintermonaten wird gemeinhin nicht gewählt.
1995 allerdings schon (Wahlkampf-Bild siehe unten). Am 17. Dezember dieses Jahres, also nur sieben Tage vor dem Heiligen Abend, fand eine vorgezogene Nationalratswahl statt, weil sich SPÖ und ÖVP zerkracht hatten. Die Wähler machten dennoch fleißig von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Die Wahlbeteiligung lag bei 86 Prozent – und damit sogar höher als im Jahr zuvor bei der regulären Wahl (80 Prozent).
Krammer war 1995 die rechte Hand von SPÖ-Spitzenkandidat Franz Vranitzky, Krenkel Pressesprecher von ÖVP-Frontmann Wolfgang Schüssel.
Entscheidende Faktoren
Krammer meint, es seien "andere Faktoren", wie etwa die beherrschenden Themen im Wahlkampf und das Ansehen von Parteien bzw. Kandidaten von größerem Einfluss auf einen Wahlerfolg oder Misserfolg als die Frage, in welcher Jahreszeit gewählt wird. Beide Regierungsparteien hätten 1995 "nach dem EU-Beitritt ein gutes Standing" gehabt. Vranitzky legte drei Prozentpunkte zu, Schüssel geringfügig. "Die ÖVP war eher für das Auseinandergehen der Koalition", sagt Krammer.
Aus Krenkels Sicht sind die Nationalratswahl 1995 und die Bundespräsidentenwahl 2016 auch deshalb nicht vergleichbar, weil der heurige Urnengang "ein einzigartiger Fall ist". Noch nie habe sich eine Hofburg-Wahl "über bald ein Jahr, wie ein Strudelteig, gezogen". Vor allem deshalb werde es schwierig werden, die Menschen am 4. Dezember dazu zu bringen, ihr Kreuzerl zu machen. Die Bürger hätten kein Interesse mehr am Wahlkampf. "Es wurden die Kandidaten ja schon bis zum Exzess ausgehorcht." So sieht das auch Werber Alois Schober, der einst erfolgreich für Thomas Klestil und Heinz Fischer kampagnisiert hat: "Fast jeder sagt: ‚Der Walkampf interessiert mich nicht mehr.‘ Die Leute sind komplett satt."
Glaubwürdige Botschaft
Schober und Krenkel würden den Spitzenkandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer raten, jetzt einmal "Ruhe zu geben", also eine Wahlkampf-Pause einzulegen. Schober würde den Kandidaten lediglich empfehlen, "sich bei den Wählern zu entschuldigen und sie aufzurufen, zur Wahl zu gehen – egal wen sie wählen". Eine derartige Botschaft würde gut bei den Wählern ankommen – allerdings nur, wenn sie glaubwürdig klinge. "Der Kandidat, der Menschlichkeit und Respekt ausstrahlt, kann punkten."
Auf Hickhack sollten die Kandidaten jedenfalls tunlichst verzichten, erst recht vor Weihnachten: "Die Wadlbeißerei haben alle satt."
Verzichten sollten Hofer & VdB auch auf neue Wahlplakate, meinen die Fachleute. Schober: "Es ist eh kein Geld da. Die Botschaften sind auch verteilt, es kommt nichts Neues mehr." Und die Gesichter der beiden Kontrahenten seien auch längst bekannt. Krenkel verweist detto auf die fehlenden finanziellen Mittel bei den Hofburg-Anwärtern. Die Bürger hätten auch kein Verständnis dafür, wenn für Plakate neuerlich Geld ausgegeben würde.
Spenden statt Werben
Schober hat einen Alternativ-Vorschlag für Van der Bellen & Hofer parat: "Sollten sie tatsächlich noch Geld haben, könnten sie es zum Beispiel für ‚Licht ins Dunkel‘" spenden." Das würde beim Wahlvolk besser ankommen als Plakate.
Krammer würde die Auseinandersetzung nicht so ruhig wie Krenkel & Schober anlegen. Er würde versuchen, "bekannte Positionen anhand neuer Themen aufzugreifen". Dass Van der Bellen etwa den Brexit thematisiere, sei richtig. Die Brexit-Entscheidung sei ja erst nach der Hofburg-Stichwahl gefallen. Auch Krammer gesteht aber ein, dass bei den "Grundpositionen alles gesagt ist".
Krenkel ist überzeugt, es würde "vollkommen ausreichen, wenn man in den letzten zehn Tagen noch einmal wahlkämpft". Da würden die TV-Anstalten und Zeitungen ohnedies noch einmal Interviews und Diskussionen mit den Kandidaten absolvieren, ergo würden alle Positionen nochmals ausgetauscht. Zu bewegen sei aber nicht mehr viel. "Die Leute haben ihre Entscheidung eh im Kopf."