Politik/Inland

"Was vor Ort geleistet werden kann, wird nicht EU-Problem"

Der Kontrast zwischen der Glitzerwelt Beiruts und dem Elend nur ein paar Kilometer östlich in der Bekaa-Ebene ist schwer verkraftbar. Während sich Menschen in den hochpreisigen Clubs des Christenviertels um die Plätze rangeln und auf den Straßen fallweise auch Ferraris röhren, stehen im Flüchtlingslager Jdita nur ein paar Autominuten entfernt Menschen mit ihren Kindern im Morast und zittern vor Kälte einer ungewissen Zukunft entgegen.

Keine Perspektiven

Jene Syrer, die es nach Jdita geschafft haben, gehören noch zu den Glücklichen. Es sind nur knapp 30 provisorische, mit Plastik überspannte Holzverschläge, in denen sie nun hausen. Aber hier sorgen die österreichische Caritas und das UNHCR wenigstens für Strom, Brennholz und Lebensmittel. Das reicht aber nur für das nackte Überleben. Perspektive gebe es keine, erfährt Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil von den Menschen. Nein, Syrien ist zwar nur ein paar Kilometer entfernt – aber dort können sie nicht mehr hin. Nach Europa wollen sie eigentlich auch nicht. Bevor sie hier im Schlamm verrecken, würden sie aber doch nach Europa gehen. Eine junge Frau zeigt Doskozil einen Zettel mit einer Adresse in Stuttgart. Dorthin hat es ihr Mann bereits geschafft.

Alle Inhalte anzeigen

Über 1000 derartige Kleinlager sind auf Privatinitiative im Land entstanden. Am Leben erhalten werden die Menschen dort von den NGOs. 1,2 Millionen Flüchtlinge haben die 4,5 Millionen Einwohner inzwischen aufgenommen. Und es ist ein Wunder, dass es noch nicht zu Gewalt gekommen ist.

Die Syrer sind bei den Libanesen unbeliebt. Bis zum Mord am libanesischen Ex-Ministerpräsidenten Rafiq Hariri waren die Syrer als Besatzungsmacht im Lande – und haben seither einen schlechten Ruf. Nach dem Abzug der syrischen Armee prägten syrische Bettlerbanden das Stadtbild von Beirut. Jetzt drängen syrische Kinder in die Schulen. Die Lehrer arbeiten im Zweischichtbetrieb. Die Väter werden zu Konkurrenten am Arbeitsplatz, obwohl sie offiziell nicht arbeiten dürfen. Und das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps. Doch während in Europa wegen einer wesentlich geringeren Flüchtlingsdichte bereits Asylheime brennen, nehmen die Libanesen die Belastungen noch mit stoischer Ruhe hin.

Minister Doskozil wollte vom libanesischen Amtskollegen Samir Moqbel wissen, warum der Libanon nicht große Lager auf Regierungsbasis einrichtet. Eine Frage, die quer durch Europa gestellt wird. Die Antwort: Das geht nicht, das würde die von der Geschichte traumatisierte Bevölkerung nicht mittragen.

Große Lager

Seit dem Unabhängigkeitskrieg Israels 1948 gab es im Libanon mehrere palästinensische Fluchtwellen. Es entstanden Großlager. Die internationale Staatengemeinschaft versprach, dass das temporäre Einrichtungen sind. Die Versprechen wurden nicht gehalten. Aus den Lagern entstanden Städte, die sich zu einem latenten Unsicherheitsfaktor entwickelten. Die Armee kann nur an Checkpoints kontrollieren, wer hinein oder hinausgeht – was drinnen abläuft, bleibt unbekannt. Die Libanesen würden die Wiederholung dieser Entwicklung durch die syrische Fluchtwelle nicht akzeptieren.

Moqbel bat um "operative" Unterstützung. Die NGOs müssten ausreichend ausgestattet werden, um die Probleme mit der Infrastruktur und der medizinischen Versorgung in den Griff zu bekommen. Er ersuchte auch um Unterstützung beim Grenzschutz. Dringend benötigt würden acht Hubschrauber.

Beim Grenzschutz wird das Bundesheer assistieren. Doskozil bot an, libanesische Soldaten in Österreich für den Grenzschutz und den Alpineinsatz auszubilden. Immerhin reicht das Libanon-Gebirge auf 3000 Meter Seehöhe.

Doskozil will die libanesischen Anliegen auf EU-Ebene heben. Er hat Moqbel zur Konferenz der zentraleuropäischen Verteidigungsminister Anfang April eingeladen. Es nehmen die Verteidigungsminister des Westbalkan und der Visegradstaaten teil. Doskozil will dazu auch seinen griechischen Kollegen bitten. Diese Konferenz soll eine entsprechende Resolution an die EU-Kommission formulieren. Doskozil zum KURIER: "Da ist jeder Euro gut angelegt. Denn alles, was an Hilfe vor Ort geleistet werden kann, wird nicht zum Problem in die EU."