"Wahlzuckerln interessieren mich nicht"
Von Daniela Kittner
Steuersenkung, Budgetvollzug, Hypo, Finanzausgleich: Das Jahr 2016 wird der Lackmustest für die Qualitäten Hans Jörg Schellings als Finanzminister.
Für sein größtes Projekt, die fünf Milliarden schwere Lohnsteuersenkung, hat Schelling bisher mehr Kritik als Lob geerntet. Doch heuer sollte die Wende erfolgen. Die Steuersenkung ist in Kraft und dürfte der Wirtschaft die dringend erhofften Impulse bringen. Sollte sich im Lauf des Jahres auch noch herausstellen, dass – entgegen allen Experten-Prophezeiungen – Schellings Budgetzahlen halten, werden die Trillerpfeifen der Wirtschaftskämmerer gegen die Registrierkasse wohl bald in Vergessenheit geraten.
Gläubiger-Verzicht?
Sehr bald wird sich auch weisen, ob Schellings Milliardenpoker mit den Hypo-Gläubigern aufgeht. Das Angebot zur Ablöse der Kärnten-Haftungen sollte in den nächsten Tagen vorliegen. Die Gretchenfrage lautet: Kann der Finanzminister die Gläubiger zu einem Teilverzicht auf ihre Milliardenforderungen bewegen? Bis dato lässt sich nur sagen, dass Schelling sehr professionell versucht, den enormen Schaden für die Steuerzahler, der vor seiner Amtszeit angerichtet wurde, irgendwie einzudämmen.
Neuer Finanzausgleich
2016 steht die Neuverhandlung des Finanzausgleichs an. Mit dem Gezerre um undurchsichtige Milliardenströme lassen sich schwer Popularitätspunkte sammeln, und Schellings Verhandlungs-Gegenüber, die Landeshauptleute, sind geeichte Populisten. Gegen sie zu bestehen, ist nicht einfach.
Vorab will der Finanzminister klären, ob die Länder in Zukunft selbst mehr Steuern einheben. Schelling: "Mitte/Ende Jänner wird die Entscheidung fallen, ob oder welche Ländersteuern es geben wird. Ich habe zu den Ländern gesagt: Diskutieren wir darüber, aber entscheiden wir dann auch: Ja oder nein." Was Schelling im Vorfeld bereits abgedreht hat, ist, "dass sich jedes Land seine eigenen Abgaben erfindet".
Beim leidigen Streitthema Landeslehrer – die Länder stellen die Lehrer ein und schicken dem Bund die Rechnung – sieht Schelling durch die Bildungsreform einen wichtigen Schritt getan: "Immerhin ist meine Forderung erfüllt, dass in Zukunft alle Lehrer über das Bundesrechenzentrum abgerechnet werden. So habe ich künftig eine Kontrolle, wer wie viele Lehrer beschäftigt. Derzeit weiß ich nicht einmal das."
Ein Anliegen des ländlichen Raums – die Bevorzugung der Ballungsräume bei der Geldzuteilung abzustellen – will Schelling in dieser generellen Form nicht erfüllen: "Die Abschaffung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels ist vom Tisch, das würde Wien massiv treffen, das geht nicht." Annähern will sich Schelling dem Prinzip, wonach jeder Bewohner gleich viel wert sein sollte, dennoch. Statt Pauschalsummen zu überweisen, will er in Zukunft Geld mit Mascherln für konkrete Aufgaben versehen. So soll beispielsweise eine Gemeinde für ihren Kindergarten pro Kind eine Summe X bekommen. Schelling: "Je mehr solche Aufgabendefinitionen gelingen, desto geringer ist die Wirkung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels."
Mit dem neuen Finanzausgleich hat sich Schelling nichts Geringeres vorgenommen, als in das föderalistische Dickicht mehr System und Effizienz zu bringen. Immerhin werden 33 Milliarden pro Jahr zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verschoben. "Allein der Vorgang des Hin- und Herschiebens kostet fünf Millionen Euro im Jahr", sagt Schelling.
Ausgabenbremse
Schelling stieg erst im Alter von 61 in die Politik ein. Seine Managervergangenheit ist dem Minister immer noch deutlich anzumerken: "Wahlzuckerln interessieren mich nicht", richtete er jüngst der SPÖ aus. Hintergrund: Die SPÖ wollte die für 2016 geplante gesetzliche Abschaffung der kalten Progression auf 2018 verschieben, "weil da Wahlen sind".
Schelling beharrt auf seinem Vorhaben. Die Lohn- und Einkommensteuerzahler sollen mehr von ihrer Leistung haben – und zwar automatisch, ohne dass die Politiker mit der Abgeltung der kalten Progression periodisch auf Stimmenfang gehen. Derzeit wachsen die Löhne und Einkommen alljährlich "progressiv" in die nächste Steuerstufe. Jede Lohnerhöhung, jeder Einkommenszuwachs bringt dem Fiskus 400 Millionen Körberlgeld im Jahr. Schellings Absicht, dies per Gesetz für immer abzuschaffen, stößt bei der SPÖ auf Widerstand.
Doch der Finanzminister ist entschlossen, hier nicht nachzugeben. Die Abschaffung der kalten Progression sei "eine indirekte Ausgabenbremse für den Staat". Schelling: "Der Staat muss lernen, mit seinem Geld auszukommen. Wenn Politiker neue Ausgaben tätigen wollen, sollen sie anderswo den finanziellen Spielraum dafür schaffen. Der Staat soll sich nicht darauf verlassen können, dass die Lohn- und Einkommensbezieher Jahr für Jahr Zusatzausgaben finanzieren." Das Ziel, das jährliche Ausgabenwachstum des Staats zu bremsen, erfordere "Konsequenz".
Schelling – so viel steht fest – wird im heurigen Jahr alles andere als fad werden.