Politik/Inland

„Es ist ein Trauerspiel“

Luigi Schober ist enttäuscht: An sich sei das politische Plakat „das stärkste Medium im Wahlkampf“. Doch jetzt, da die erste Plakatwelle für die Nationalratswahl durchs Land rollt, verdreht der Werbeprofi von Young&Rubicam nur mehr die Augen: „Es ist für mich ein Trauerspiel. Ich habe noch nie so einen schlechten Wahlkampf gesehen.“

Schlechte Sujets

Besonders die Sujets von ÖVP und FPÖ findet Schober schlecht – und Kollegen pflichten ihm bei. „Keine gute Kampagne“ attestiert etwa Christoph Bösenkopf, Geschäftsführer der Agentur Wirz, der ÖVP. „Die Plakate erinnern eher an eine Fremdenverkehrswerbung.“ Das sei wohl der Verpflichtung der deutschen Agentur Butter geschuldet: „Sie zeigen ein Bild, wie Deutsche Österreich sehen.“ Als die „am wenigsten politische Kampagne“ beurteilt sie Stefan Bachleitner von der Agentur Skills. Die ÖVP versuche positive Emotionen zu wecken. Aber: „So wird die ÖVP im Wahlkampf keine Themenschwerpunkte setzen“. Schober zeigt sich schlicht „entsetzt“: Er attestiert der Kampagne „Irrelevanz und Themenverfehlung“. Die deutsche Agentur verstehe Österreich einfach nicht. Und Schober prophezeit der ÖVP: „Das wird nichts mehr.“

Ähnlich kritisch sind die Werber bei der FPÖ: „Das ist das schwächste Plakat von FPÖ-Strategen Kickl, das ich je gesehen habe“, sagt Bachleitner. Die FPÖ versuche offenbar, sich als weniger aggressiv zu positionieren und gleichzeitig das Ausländerthema zu spielen. Bachleitner: „Dieser Spagat ist zu groß. Klassischen FPÖ-Wählern ist die Liebe egal.“ Auch Bösenkopf glaubt, dass das Thema Nächstenliebe „die FPÖ-Wähler nicht emotionalisiert“. Das Plakat passe inhaltlich nicht zu Strache und sei zudem überladen. Bösenkopf: „Technisch ist das Plakat überraschend schlecht gemacht.“

Grüne Wadlbeißer

Als handwerklich gut gelungen empfindet der Wirz-Chef hingegen die Plakate der Grünen: „Tiere in der Werbung funktionieren eigentlich immer.“ Auffallend sei aber, dass sich die Partei „ausschließlich mit den anderen beschäftigt.“ Auch Schober sieht das kritisch: „Die Grünen positionieren sich damit als reine Wadlbeißer.“

Einen für die Grünen komplett neuen Stil ortet auch Bachleitner: „Das sind populistische Plakate mit sehr harten Aussagen in Richtung anderer Politiker.“ Die seien entweder „blöd, kriminell oder zerstritten“. Durch die Tiermotive versuche man, ein Augenzwinkern draufzusetzen. Bachleitner: „Es ist das erste Mal, dass die Grünen gezielt die Protestwähler ansprechen.“

Bessere Noten geben alle drei Werber der SPÖ: Von einer „Punktlandung“ spricht Bösenkopf: „Hier ist sofort klar, wer was will.“ Sonderlich modern seien die Plakate mit dem tiefrotem Hintergrund aber nicht gerade, bemängelt der Werber und hat noch einen Kritikpunkt: „Die größte Schwäche ist die ausnehmend starke Bildbearbeitung des Bundeskanzlers.“ Dass sich Werner Faymann quasi via Computer habe liften lassen, „wäre nicht nötig gewesen“.

Auch die roten SPÖ-Plakate mit den einfachen Schlagworten „Arbeit“, „Bildung“ und „Pensionen“ kommen bei den Werbern recht gut an: „Das zeigt, dass die SPÖ im Wahlkampf Themen setzen will“, sagt Bachleitner. Mit den Sujets setze die SPÖ voll auf die Mobilisierung der Kernwähler. Das sieht auch Schober so: „Für Wechselwähler setzt die SPÖ damit aber kein Signal.“

Plakatsieger Stronach

Überraschend einig sind sich alle drei Werber, wenn man sie nach dem besten Wahlkampfplakat fragt. „Stronach“, heißt es einhellig. „Alle anderen sehen gegen Stronach alt aus“, sagt Schober, und Bösenkopf attestiert ihm „starke, klare, gut verständliche Botschaften“. Stronach selbst wirke souverän: „Er steht für sich.“

Stronachs Agentur XACT hat, wie berichtet, am Donnerstag bereits die nächste Plakatwelle gestartet. Geht es nach den Werbeprofis, sollten sich auch die anderen Parteien mit dem Affichieren neuer Plakate beeilen.