Politik/Inland

Wahlkampf: Wie viel Neuerung braucht das Land?

In der vorerst letzten Plenarsitzung, als der Nationalrat seinen Neuwahl-Beschluss fasste, taten sich die Redner der ÖVP etwas schwer. Einerseits mussten sie eine Wende-Stimmung aufbauen, um zu begründen, warum "es so nicht weitergehen kann". Denn schließlich war es ja die ÖVP, die Neuwahlen ausrief und nun einen Kurs- und Kanzlerwechsel zu Sebastian Kurz anstrebt.

Andererseits brachten neue Wirtschaftsprognosen und eine Studie von Boston Consulting (BC) – einer global agierenden Unternehmensberatungsgruppe – das Konzept der ÖVP durcheinander. Denn die Konjunkturindikatoren zeigen wieder deutlich nach oben, und BC bescheinigt Österreich, sein Wirtschaftswachstum sehr gut in Lebensqualität für seine Bewohner zu umzuwandeln. Plötzlich erschienen der allseits beklagte "Reformstau" und die lähmenden "Regierungsblockaden" der letzten Jahre weniger bedrohlich.

Eine gute Gelegenheit für die SPÖ, um zu argumentieren, dass es gar keinen Kanzlerwechsel brauche. "Kurz irrt, wenn er behauptet, Österreich falle immer weiter zurück", sagt SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder zum KURIER. Und zitiert unverdächtige Zeugen: "Boston Consulting ist wirklich keine Vorfeldorganisation der SPÖ, und sogar die Industriellenvereinigung, die diesbezüglich immer sehr kritisch ist, sagt, dass es bergauf geht."

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Also alles paletti und Weitermachen wie bisher? "Nein, zufriedengeben darf man sich nicht", räumt Schieder ein. Als studierter Volkswirt und bekennender Keynesianer plädiert der SPÖ-Politiker für einen Mix aus staatlichen Investitionen und Sparprogramm. Zu investieren sei in die Digitalisierung und Ökologisierung Österreichs sowie in den Transport. In Phasen guter Konjunktur sei jedoch auch das Sparen ein Gebot. Schieder: "Um sich von den Finanzmärkten unabhängig zu machen, müssen die Staatsschulden und das Budgetdefizit runter."

Inzwischen hat auch die ÖVP argumentativ nachgerüstet. Ihre adaptierte Linie lautet nun: "Fein, dass es wieder bergauf geht, aber das genügt nicht. Österreich darf nicht im Mittelfeld stehenbleiben, es verdient einen Platz an der Spitze." Ihre Zieldefinition hat die ÖVP einem Stern-Cover aus der Ära Schwarz-Blau entnommen: Österreich müsse wieder "das bessere Deutschland" werden.

Auch auf diesen ÖVP-Slogan ist die SPÖ vorbereitet. Österreich sei bereits das bessere Deutschland, entgegnet sie und nennt als Beweis: Der Börsenindex ATX habe in den letzten zwölf Monaten um 43 Prozent zugelegt, während der deutsche DAX nur um 22 Prozent anstieg. Selbstironisch heißt es in dem SPÖ-internen Argumentarium: "Die Börsenentwicklung ist eine ungewöhnliche Metrik für Sozialdemokraten, aber wir erkennen daran: Der Aufschwung kommt auch beim Klassenfeind an."

Begehrtes Innenministerium

Die Wahl ist noch lange nicht geschlagen, aber es wird schon eifrig spekuliert, welche Minister gehen und welche auch einer neuen Regierung angehören könnten.

Sebastian Kurz hat sich ausbedungen, sein Regierungsteam im Alleingang zu bestimmen. So steht es inzwischen auch im ÖVP-Statut. Trotz dieses Allein-Entscheidungsrechts lassen sich in der ÖVP kursierende Personalspekulationen in der Regel nicht auf Kurz zurückführen, denn er hat sich zum Gebot gemacht, mit niemandem zu reden, damit keine Gerüchte entstehen.

Die Gerüchte brodeln natürlich trotzdem. Demnach dürften aus dem ÖVP-Regierungsteam (abgesehen von Kurz selbst) wieder dabei sein:

Wirtschaftsminister Harald Mahrer, weil er als Freund und Gefolgsmann von Kurz gilt.

Wolfgang Sobotka,weil er als gewiefter Polit-Profi seine Erfahrung in das Team aus Newcomern einbringen soll. Allerdings steht es um Sobotkas Chancen, sein Ressort zu behalten, nicht gut. Im Fall von Schwarz-Blau hat FPÖ-Chef Heinz Christian Strache schon angekündigt, dass das Innenministerium die Top-Priorität der FPÖ sei.

Im Fall von Schwarz-Rot könnte Hans Peter Doskozil SPÖ-Vizekanzler werden. Dem Ex-Polizeichef werden Ambitionen auf das Innenressort nachgesagt.

Die anderen Minister aus dem ÖVP-Team – Sophie Karmasin, Hans Jörg Schelling, Wolfgang Brandstetter – werden nicht mehr dabei sein.

Andrä Rupprechter könnte noch kurz Minister bleiben, um 2020 als Nachfolger von Gio Hahn EU-Kommissar zu werden.