Politik/Inland

Wie SPÖ und ÖVP ihre Kernwähler aktivieren

Was für ein Plakat! „Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz“, steht auf dem mächtigen Banner, das die SPÖ vor die Fassade ihrer Parteizentrale gespannt hat. Der Aushang ist mehrere Stockwerke hoch, größer geht es kaum.

Doch SPÖ-Wahlkampfleiter Norbert Darabos wollte noch eins draufsetzen. Und so haben Arbeiter gestern über dem Eingang zur SPÖ-Wahlkampfzentrale eine gut zehn Meter lange LED-Wand montiert. „Wir kämpfen für sichere Pensionen“, steht auf dem Display – gleichzeitig wettert Norbert Darabos im zweiten Stock der Parteizentrale gegen die Pensions-„Pläne“ der ÖVP. Seine Botschaft ist seit Tagen unverändert: Die ÖVP plant nach der Wahl, das Frauen-Pensionsalter ab 2014 zu heben; Wir, die SPÖ, sind dagegen – und somit ein verlässlicher Partner der Frauen.

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Willkommen im Wahlkampf der SPÖ, willkommen im Nationalratswahlkampf 2013.

Zweier-Duell

In neun Wochen wird ein neues Parlament und damit eine Regierung gewählt. Der Kampf um Platz 1 ist längst zum Zweikampf geworden: Hier die SPÖ mit Amtsinhaber Werner Faymann; da die ÖVP mit Herausforderer Michael Spindelegger. Die anderen folgen auf den Plätzen (siehe unten).

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Während sich die SPÖ bemüht, bei ihre Kern-Themen (Pensionen, Arbeit, Gesundheit, etc.) frühzeitig zu besetzen und längst ihren „War-Room“ im Erdgeschoß der Löwelstraße bezogen hat, gibt sich die ÖVP entspannt. „Kollege Darabos scheint zu vergessen, dass wir Hochsommer haben. Die Menschen wollen jetzt in Ruhe den Urlaub genießen und nicht monatelang mit Wahlkampf-Botschaften behelligt werden“, ätzt ÖVP-Wahlkampfleiter Hannes Rauch.

„Wir machen einen kurzen, intensiven Wahlkampf und brauchen auch keinen War-Room. Unsere Kampagne steht seit zwei Jahren.“

Rauchs demonstrative Gelassenheit ist der Tatsache geschuldet, dass das erste Halbjahr für die ÖVP mehr als passabel lief: Man gewann die Heeres-Volksbefragung, behielt in Niederösterreich und Tirol die Oberhand; Salzburg wurde umgedreht, in Kärnten schlug sich die Partei besser als erwartet. „Im Wahlkampf geht’s um Werte und um die Wirtschaft. Es geht um Fragen wie: Wer sichert Jobs, wer bringt die Staatsfinanzen in Ordnung? Ein Heimspiel für die ÖVP“, sagt Rauch.

Mobilisierung

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Einig sind sich die Wahlkampf-Leiter, dass am 29. September der gewinnt, der die Kern-Klientel besser mobilisiert. Doch während in anderen Ländern und Wahlkämpfen soziale Netzwerke genau dabei wesentlich helfen, scheinen die heimischen Wähler anders zu ticken: Facebook, Twitter und Co werden von SPÖ wie ÖVP nicht über Gebühr forciert, der Internet-Wahlkampf ist bescheiden budgetiert, heißt es.

„Entscheidend ist der direkte Kontakt“, sagt Rauch. Und auch Darabos hält „Klinkenputzen und mit den Leuten reden“ für den Erfolgsfaktor – „auch wenn das nach Retro-Wahlkampf klingt“.

Darabos weiß, wovon er spricht. Der Landeshauptmann in Salzburg ging nicht allein wegen des Finanzskandals verloren. Aus Umfragen wissen Faymann und sein Team: Die Salzburger SPÖ war im Vergleich zu anderen Landes-Organisationen einfach nicht präsent genug, und zu wenig unter Wählern.

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Endgültig entschieden wird das Rennen zwei, vielleicht drei Wochen vor dem Wahlsonntag – ab 29. August stehen zudem 15 TV-Duelle auf dem ORF-Programm. Noch halten sich Faymann und Spindelegger in ihren Attacken zurück, aber Norbert Darabos macht sich keine Illusionen: „Bis dahin wird der Ton deutlich schärfer.“

„Wir haben eine Biobäuerin, einen Arzt, Künstler, Schauspieler, Zeitzeugen der Nazi-Zeit, aber natürlich auch Ex-Politiker an Bord“, schildert Matthias Euler-Rolle die personelle Besetzung seiner „Initiative für Bundeskanzler Faymann“. Nicht beim Kanzlerfest am kommenden Samstag, sondern erst Mitte August will der frühere Ö3-Moderator seine bunte Truppe an Wahlkampfhelfern für den SPÖ-Chef präsentieren.

Kein klassisches Personenkomitee soll es sein, wie wohl Polit-Promis wie Ex-Kanzler Franz Vranitzky, der frühere Finanzminister Hannes Androsch oder der rote Pensionistenpräsident Karl Blecha nicht fehlen dürfen. Bunt wie seine Initiative ist auch der Job-Mix von Euler-Rolle selbst: Polit-Erfahrung sammelte er als Agentur-Chef in der Kommunikationsberatung für die SPÖ oder bei einer Zivilcourage-Kampagne für Wiens Bürgermeister Michael Häupl. Daneben ist er an einem Privatradio beteiligt und betreibt eine brave Szenebar mit dem schlimmen Namen „Puff“.

Weniger bunt, dafür mehr auf Leistung, Eigenverantwortung und Freiheit getrimmt sind die Wortspenden der Unterstützer für VP-Vizekanzler Michael Spindelegger in der bereits laufenden Kampagne „mein-anliegen.at“. Frontmann der schwarzen Wahlhelfertruppe ist Ex-Orange-Chef Michael Krammer: „Wir haben schon fast 1300 Anliegen gesammelt und werden diese Michael Spindelegger am 13. September in Buchform übergeben.“

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Auch Krammer, heute als Unternehmensberater unterwegs, will die Wünsche der ganz normalen Bevölkerung transportieren, schließlich gelte es, „Brücken zu schlagen, über die immer größere Kluft zwischen Politik und Volk“. Stärker als Euler-Rolle betont Krammer die politische Unabhängigkeit seiner Initiative, wiewohl auf der mein-anliegen-website immer nur von Spindelegger die Rede ist. Aber das ist sicher nur Zufall.

Die Ausgangsposition für SPÖ und ÖVP ähnelt dem Ergebnis bei der Nationalratswahl 2008: Vor fünf Jahren hatten die Sozialdemokraten 29,3 Prozent erreicht, die Volkspartei hatte es nur auf 26 Prozent gebracht – noch nie zuvor hatten in der Zweiten Republik so wenige die „Großparteien“ gewählt.

Auch derzeit trennen die beiden drei Prozentpunkte – allerdings liegen Rot und Schwarz derzeit sogar noch unter dem Wahlergebnis von 2008. Bei der jüngsten OGM-Umfrage für den KURIER von Anfang Juli gaben 27 Prozent der Befragten an, sie würden SPÖ wählen; 24 nannten die ÖVP. Das würde bedeuten, dass SPÖ und ÖVP noch über eine absolute Mehrheit verfügen. Doch selbst wenn sie geringfügig schlechter abschneiden sollten, könnte sich eine rot-schwarze Koalition noch ausgehen. Denn bei der Wahl am 29. September werden zahlreiche Kleinparteien (Neos, Piraten, BZÖ etc.) antreten, die vermutlich die Vier-Prozent-Hürde nicht überspringen und somit nicht ins Parlament kommen werden.

Wenn die „Kleinen“, die scheitern, in Summe beispielsweise um die sechs Prozent erreichen, beträgt die Basis für die Mandatsverteilung nicht mehr 100, sondern 94 Prozent. Für eine Mandatsmehrheit im Nationalrat wären dann nur rund 47 Prozent nötig.