Neues Parlamentskapitel in der Hofburg eröffnet
Der Nationalrat ist endgültig in der Hofburg gelandet. Präsidentin Doris Bures hat Mittwochvormittag die erste Sitzung im Ausweichquartier im Großen Redoutensaal eröffnet und in einer kurzen Eingangsrede darauf hingewiesen, dass der Nationalrat erstmals seit 1918 außerhalb des Parlamentsgebäudes am Ring tagt.
Drei Jahre wird der Redoutensaal während des Umbaus des Parlamentsgebäudes für die Abgeordneten als Ausweichquartier dienen, ein historischer Ort, wie Bures befand, hätten doch hier etwa Jimmy Carter und Leonid Breschnew den berühmten Abrüstungsvertrag SALT II unterzeichnet.
Ursprünglich war der in seiner Urform 1631 erbaute Saal freilich der leichteren Muse gewidmet. Zunächst diente er als Tanzsaal, später nach einem feuerbedingten Wiederaufbau etwa als Aufführungsort für Opern.
Allzuviel Theatralik wünscht sich die Präsidentin in nächster Zeit offenbar nicht, auch wenn die Nationalratswahl vor der Tür steh. Bures gestand zu, dass Diskussionen vor einem Urnengang oft hitziger seien. Es sei aber das Wesen der Demokratie, dass um die besten Lösungen auch hart gerungen werden müsse. Aus den Augen verlieren dürfe man dabei jedoch nicht, dass es auch Wesen der Demokratie sei, die Meinung anderer zu respektieren.
Nationalrat im Vorwahlfieber
Beim ersten Plenum nach der Sommerpause wird eine Verländerung der Wohnbauförderung beschlossen. Zudem wird der Eurofighter-U-Ausschuss mit einer Debatte zu den Akten gelegt.
Die zwei "Aktuellen Stunden" zu Beginn der Sitzung sind thematisch schon dem Wahlkampf gewidmet. Die FPÖ lässt über die transatlantischen Freihandelsabkommen CETA und TTIP debattieren, die Grünen über das umstrittene Pestizid Glyphosat. Dazu dürfte eine "Dringliche Anfrage" der Grünen kommen, die sich um die Parteienfinanzierung dreht.
Vorspiel
Fast interessanter als das eigentliche Programm ist das Vorspiel für die letzte Sitzung vor der Wahl am 12. Oktober. Denn bei regulärem Verlauf muss alles, was noch vor dem Urnengang beschlossen werden soll, spätestens heute in den Nationalrat eingebracht und zur weiteren Behandlung in die zuständigen Ausschüsse gesendet werden.
Kandidaten dafür sind etwa eine Wohnrechtsnovelle, die Einführung von Sammelklagen oder eine leichte Entschärfung des erst vor kurzem beschlossenen Tierschutzgesetzes. Dazu kommen noch ziemlich fix die geplante außertourliche Pensionserhöhung sowie die formale Korrektur des eigentlich vor dem Sommer bereits verabschiedeten Fremdenrechtspakets.
Im Vorfeld der Parlamentssitzung wurde der Ministerrat von den Koalitionsparteien als Wahlkampfbühne genützt.
Eine relativ giftige Debatte in Sachen Glyphosat haben sich Mittwochvormittag im Nationalrat vor allem ÖVP und Grüne geliefert. In der "Aktuellen Europastunde" zeigten sich auch SPÖ und FPÖ skeptisch, was eine verlängerte Zulassung des Pestizids angeht. ÖVP und NEOS haben geringere Bedenken.
Gewählt hatten das Thema die Grünen. Wie Umweltsprecherin Christiane Brunner ausführte, dränge die Sache, wolle die EU doch die Zulassung von Glyphosat um weitere zehn Jahre verlängern. Dass die Grünen dagegen sind, argumentierte Brunner plakativ: "Glyphosat ist ein Gift, das landet auf unserem Teller und in unserem Wasser." Für Wasserlebewesen sei das Pestizid tödlich, für Menschen wahrscheinlich krebserregend.
Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) beschwichtigte, indem er versicherte, dass die AGES (Agentur für Ernährungssicherheit) dem aktuellen Verlängerungsvorschlag nicht zustimmen werde, weil die österreichischen Forderungen nicht berücksichtigt seien. Die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln sei jedenfalls gewährleistet. Dass die Grünen das Thema hochzögen, sei dem Wahlkampf geschuldet. Es werde versucht, mit einem sehr sensiblen Thema die Menschen zu verunsichern.
Landwirtschaftskammer: Glyphosat kein No-Go
Für Landwirtschaftskammer-Präsident Hermann Schultes (ÖVP) ist der Einsatz von Glyphosat kein No-Go. Man solle einer vernünftigen Praxis durchaus einen Weg lassen. Die Produkte seien rückstandsfrei, das Wort Gift sei nicht berechtigt: "Was wir liefern, ist in Ordnung." Die Grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek sah durch Schultes' Aussagen belegt, wie problematisch es sei, dass die ÖVP selbst im Ministerium die Agenden Umwelt und Landwirtschaft zusammenlege.
Seitens der SPÖ äußerte der Abgeordnete Markus Vogl Skepsis gegenüber einer Glyphosat-Verlängerung: "Wir können nicht einerseits sagen, wir wollen ein Musterland bleiben und andererseits Glyphosat akzeptieren." Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) forderte am Mittwoch einmal mehr ein klares Bekenntnis von der ÖVP für ein Nein zu Glyphosat. Sie hob gegenüber Journalisten vor dem Ministerrat die Bedeutung der Gesundheit hervor und pochte auf diese Haltung auch beim Noch-Koalitionspartner.
Der freiheitliche EU-Mandatar Harald Vilimsky thematisierte vor allem den Lobbyismus in Brüssel etwa für das Pestizid und prangerte an, dass die ÖVP sich von entsprechenden Interessen leiten lasse. Der NEOS-Mandatar Gerald Loacker ärgerte sich, dass die Glypohsat-Diskussion mit einem "Maximum an Emotionen und einem Minimum an Fakten" geführt werde. Man müsste schon 1.000 Liter trinken, um seine Gesundheit zu gefährden. Immerhin gestand sein Fraktionskollege Michael Bernhard zu, dass Glyphosat an sich nicht unproblematisch sei.
Global 2000 wies darauf hin, dass das angekündigte österreichische "Nein zu Glyphosat" ein Ablaufdatum haben könnte. Denn es gelte nur so lange wie der von der Kommission zur Abstimmung vorgelegte Vorschlag auf Wiederzulassung von Glyphosat kein EU-weites Verbot der Vorerntebehandlung von Getreide beinhaltet.