VP-Aktionsplan: Kernpunkt ist Asyl auf Zeit
Die ÖVP hat heute ihren Aktionsplan zur Bewältigung der Flüchtlingssituation präsentiert. Kernpunkt ist die bereits bekannte Forderung nach einem zeitlich begrenzten Asylstatus. Dabei sei man mit dem Koalitionspartner SPÖ in Gesprächen, sagte ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner am Montag bei einer Pressekonferenz. Es gelte zu verhindern, dass Flüchtlinge in Europa aus "Asyl a la carte" aussuchen könnten.
Einen "Weg der humanitären Vernunft" strebt die ÖVP laut Mitterlehner in der Flüchtlingsfrage an, wobei man auf die eigene christlich-soziale Gesinnung baue. Dabei müsse man klar zwischen tatsächlich Notleidenden und jenen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich ziehen oder durchziehen, unterscheiden. Die Lösung dafür will die ÖVP im befristeten Schutz gefunden haben. "Wir haben mit dem Koalitionspartner Gespräche aufgenommen, um Asyl auf Zeit zu präzisieren", zeigte sich Mitterlehner dazu weiter zuversichtlich. Auch Kanzler Faymann signalisierte bereits Unterstützung.
3+2 Jahre
Die konkreten Pläne der ÖVP: Asyl soll nur noch befristet auf drei Jahre gewährt werden. Fallen danach die Gründe weg, wird der Flüchtling abgeschoben, ansonsten der Status auf zwei weitere Jahre verlängert. Sollte sich danach die Situation im Herkunftsland noch immer nicht gebessert haben, wird der Titel unbefristet verliehen. Dies habe es in wenigen Fällen bereits gegeben, erklärte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, aber: "Wir machen aus einer 'Kann-Bestimmung' eine 'Muss-Bestimmung'." Der durch diese Maßnahme erhöhte Verwaltungsaufwand werde derzeit auf Beamtenebene erhoben.
Außenminister Sebastian Kurz machte sich auch für einen verstärkten Schutz der EU-Außengrenze sowie Schutzzonen in den Krisenländern wie derzeit vor allem Syrien stark. Auch der Bekämpfung der Fluchtursachen - etwa der Terrororganisation IS - gelte oberste Priorität. Die Forderung nach einer EU-weiten Unterbringungsquote unterstrichen alle ÖVP-Minister.
Kampf gegen Schlepper
Der Aktionsplan der ÖVP-Riege sieht auch die ebenso bereits angekündigten verschärften Maßnahmen gegen bezahlte Flüchtlingstransporte Schlepper vor. "Schlepperei ist eine der scheußlichsten Formen der international organisierten Kriminalität", meldete sich dazu Justizminister Wolfgang Brandstetter zu Wort. Seine Pläne beinhalten verstärkte Kontrollen im grenznahen Raum, Personalverstärkung bei den Ermittlern sowie gesetzliche Verschärfungen. Grenzzäune innerhalb Europas seien hingegen keine Lösung, betonte Brandstetter.
Geschlossenheit in der ÖVP herrscht vor allem im Unverständnis darüber, dass sich auch viele Kriegsflüchtlinge die wohlhabendsten Staaten in Europa als Fluchtziel aussuchten. So würden in Durchzugsländern wie Kroatien und Slowenien kaum Asylanträge gestellt, was Mitterlehner mehrmals als "Asyl a la carte" bezeichnete. Die Pläne seiner Partei sollten dahin gehend auch Zeichen setzen. Inhaltliche Differenzen mit der SPÖ in der Flüchtlingsfrage sieht Mitterlehner weiterhin nicht.
Grüner Plan
Auch die Grünen haben einen Aktionsplan erarbeitet und ihn zum Auftakt ihrer Klubklausur in Linz vorgestellt. Parteichefin Eva Glawischnig forderte u.a. von Außenminister Kurz, eine Geberkonferenz für die UNO-Hilfsorganisationen UNHCR und UNICEF in Wien zu organisieren, anstatt den "Orban-Versteher" zu spielen. Die Grünen verlangen weiters eine massive finanzielle Unterstützung für die Nachbarländer Syriens sowie eine grundlegende Reform des Asylwesens in Europa.
Die Europäische Union stehe vor der Entscheidungsfrage, ob sie Schutzbedürftigen helfe oder auf das "Orban-Strache-Modell" mit Grenzzäunen und Stacheldraht setze. Sie sei überzeugt, dass die Österreich das unmenschlich finden und nicht wollen. Empört zeigte sich Glawischnig darüber, "dass die FPÖ mit Lügen auf dem Rücken dieser Menschen Wahlkampf macht". "Ich finde das niederträchtig." Es sei Aufgabe aller politischen Kräfte, dagegen zu halten.
In der Flüchtlingskrise hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die EU-Partner ermahnt, die Zukunft der Union nicht aufs Spiel zu setzen. Sie hoffe, dass bei den Treffen der EU-Innenminister am Dienstag sowie der Staats- und Regierungschefs am Mittwoch Einigungen erzielt würden, "die den Menschen zeigen: Europa nimmt sich dieser Verantwortung gemeinsam an".
Das sagte Merkel am Sonntag vor den Delegierten des Bundeskongresses der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi (ver.di) in Leipzig. Die Ergebnisse der Treffen würden "viel aussagen über die Zukunftsfähigkeit dieses Europas".
Die Flüchtlingskrise sei "nicht nur eine deutsche Herausforderung, sondern europäische Herausforderung", sagte Merkel. "Wir sind eine Europäische Union, die die gleichen Werte vertritt, die eine gemeinsame Asylpolitik hat, die sich für offene Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten eingesetzt hat", fügte sie hinzu. Dies bedeute aber auch, "dass Europa jetzt gemeinsam handeln muss und gemeinsam Verantwortung tragen muss". "Deutschland allein kann diese Aufgabe nicht schultern", sagte Merkel. Sie dankte zugleich ehrenamtlichen Helfern sowie den Gemeinden und Bundesländern für ihren Einsatz.
Seit Wochen versuchen zehntausende Syrer und andere Flüchtlinge, nach Europa zu gelangen, wobei Deutschland bevorzugtes Ziel ist. Vor allem osteuropäische Staaten wehren sich gegen die Einführung verbindlicher Quoten für die Verteilung der Flüchtlinge, wie sie von der EU-Kommission angestrebt werden. Insgesamt sollen so 160.000 Flüchtlinge in der EU verteilt werden.
Einige Länder wollen da jedoch nicht mitspielen: Polen etwa will Ministerpräsidentin Ewa Kopacz zufolge nur wenige aufnehmen. Außenminister Grzegorz Schetyna hingegen sendete andere Signale: Polen sei sogar zur Übererfüllung der Quote bereit.
Flüchtlingsstrom wird anhalten
Angesichts der Krise forderte der Chef der EU-Grenzschutzbehörde Frontex mehr Unterstützung seitens der EU-Mitgliedstaaten. Die Ereignisse der vergangenen Monate hätten vor Augen geführt, "dass wir dringend zu einem einheitlichen europäischen Grenzmanagement finden müssen", sagte Fabrice Leggeri. In einem Interview mit der Welt und der spanischen Zeitung El País erklärte Leggeri: "Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass wir mehr personelle Unterstützung seitens der Länder brauchen - Leute, die wir vor Ort einsetzen können, und die brauchen wir jetzt.". Gegenwärtig verfüge Frontex über 65 Gastkontrollore, die die Mitgliedsstaaten jeweils für sechs Monate an die Behörde ausleihen. "Mein Vorschlag wäre, dass die Frist auf ein Jahr verlängert wird. Das würde unsere Flexibilität schon deutlich erhöhen", sagte der Frontex-Chef.
Leggeri betonte, dass ein gutes Grenzmanagement aus seiner Sicht nur ein Baustein sein könne in einer großen Strategie für die Bewältigung der gegenwärtigen Flüchtlingskrise. Unter anderem müsse auch der europaweite Kampf gegen Schleuser und gegen das organisierte Verbrechen verbessert werden. Laut Frontex ist ein Abschwächen des Flüchtlingsandrangs Richtung Europa vorerst nicht zu erwarten. "Die Geschwindigkeit und Dynamik des Flüchtlingszustroms bleibt weiterhin außergewöhnlich hoch", sagte der Frontex-Chef. Laut den Risikoanalysten der Behörde werden in den nächsten Wochen vor allem Familien mit Kindern jede Chance nutzen, um nach Europa zu kommen, bevor der Wintereinbruch eine Überfahrt noch riskanter macht. Den Schätzungen zufolge warteten allein an der türkischen Westküste derzeit bis zu 500.000 Flüchtlinge darauf, die Überfahrt nach Griechenland anzugehen.