Van der Bellen: "Vielen ist nicht klar, dass Existenz auf dem Spiel steht"
Von Bernhard Gaul
Österreich ist auf der Weltklimakonferenz, die bis 18. November in Sharm el-Sheikh (Ägypten) stattfindet, prominent vertreten. Bundespräsident Alexander Van der Bellen fährt auf seiner ersten Auslandsreise nach seiner Wiederwahl zur UN-Weltklimakonferenz. Zudem haben Umweltministerin Leonore Gewessler und Finanzminister Magnus Brunner angekündigt, zu kommen.
Im KURIER-Interview sagt das Staatsoberhaupt, dass der Klimaschutz in Österreich jetzt „konsequente und mutige Taten“ brauche. Für die Wut der Jugend zeigt er Verständnis.
KURIER: Herr Bundespräsident, die UNO hat zuletzt beim Emissions Gap Report 2022 einmal mehr festgestellt, dass wir und die Welt nicht auf Kurs sind, die Klimakrise einzudämmen. Wie bewerten sie den Bericht?
Alexander Van der Bellen: Ich habe den Eindruck, vielen ist noch nicht klar, dass die menschliche Existenz auf dem Spiel steht. Unser Planet Erde wird sich weiter drehen, auch wenn durch die Überhitzung die menschliche Zivilisation zugrunde geht. Der Bericht sagt uns jetzt vor allem, das sich passives Abwarten nicht mehr länger ausgeht. Wir haben in den 2015 mit dem Pariser Klimaabkommen die Landkarte skizziert, nun müssen wir den Weg des konsequenten Klimaschutzes auch gehen. Alle Länder sind hier in der Pflicht, auch Österreich. Nur gemeinsam können wir die Erderhitzung begrenzen.
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres ist vielleicht die stärkste Stimme für einen wirksamen Klimaschutz, der regelmäßig Regierungen für ihre Apathie mit scharfen Worten geißelt. Wäre es nicht auch in Österreich Zeit für viel deutlichere Worte?
Da stimme ich Ihnen zu. Antonio Guterres hat, als er mich dieses Jahr in Wien besucht hat, gesagt, die Klimakrise sei ein „existential threat for mankind“ und damit hat er es auf den Punkt gebracht. Aber deutlichen Worte alleine reichen nicht. Wir brauchen jetzt konsequente und mutige Taten.
Sie sagten nach ihrer Wiederwahl, dass Sie sich mehr für den Klimaschutz einsetzen werden. Wie soll das aussehen, was planen Sie diesbezüglich?
Mit der Klimakrise befasse ich mich seit 40 Jahren. Sie wird wie bisher ein zentraler Schwerpunkt meiner Arbeit sein. In den kommenden Jahren muss uns die Trendwende gelingen. Daher werde ich da keine Ruhe geben. Über meine Pläne und Aktivitäten werde ich rechtzeitig informieren.
Österreich hat derzeit zwar Klimaziele (gegenüber der EU minus 55%), aber kein Klimaschutzgesetz, weil es offenbar von der ÖVP und der Wirtschaftskammer abgelehnt wird. Darin geht es um klare Verantwortlichkeiten beim Klimaschutz und auch um Strafen für Länder, wenn sie ihre Ziele verfehlen. Finden Sie den Zugang richtig?
Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Um erfolgreich zu sein, dürfen aber Klimaziele nicht als bloße Empfehlung gesehen werden. Wir müssen sicherstellen, dass sie ernst genommen und vor allem eingehalten werden. Und zwar über Parteigrenzen hinweg und von allen Institutionen. Für alle, die heute noch Klimaschutzmaßnahmen blockieren, habe ich absolut kein Verständnis. Ich erwarte mir von allen, dass sie ihren Beitrag leisten und mitanpacken. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, der CO2-Bepreisung und dem Rekordbudget für den Ausbau der Öffis – um nur einige zu nennen - hat die Regierung in den letzten beiden Jahren schon wichtige Schritte für mehr Klimaschutz gesetzt. Das ist gut. Aber wir müssen und können noch besser werden.
Es wird gerne übersehen, dass unser Kohlenstoff-Budget, das im Klimaschutzgesetz abgebildet sein wird, für dieses Jahrhundert bald aufgebraucht wird. Wälzen wir damit nicht einmal mehr die Probleme auf die kommenden Generationen?
Das tun wir, ja. Die Jugend hat das längst erkannt. Dass Bewegungen wie Fridays for Future Druck machen ist wichtig.
Wie beurteilen Sie die neue Form der Klimaaktivisten, sich an Fahrbahnen zu kleben oder große Kunstwerke zu beflecken?
Hier zeigen junge Menschen ihre Wut und ihre Entrüstung darüber, wie achtlos wir mit unserem Planeten umgehen und wie wir ihre Zukunft verspielen. Ich kann diesen Zorn verstehen. Über die Wahl der Mittel kann man diskutieren. Was man aber jedenfalls feststellen muss: Die Wissenschaft hat jahrzehntelang sachlich und fundiert auf die Klimakrise aufmerksam gemacht, und wurde nicht ernst genommen. Wichtig ist aber: Was wir heute entscheiden, bestimmt, wie die jungen Menschen morgen leben können. Die Überhitzung des Planeten zu stoppen, das ist der Schlüssel dafür, um der nächsten Generation ein lebenswertes Land zu übergeben. Daher werde ich hier keine Ruhe geben. Denn auch die junge Generation hat ein Recht auf einen lebenswerten Planeten.