Politik/Inland

Van der Bellen: Einschränkungen durch Corona "eine notwendige Zumutung, leider"

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Donnerstag beim 100 Jahre Verfassungs-Festakt des Parlaments "Augenmaß und Umsicht" bei den wegen der Corona-Pandemie nötigen Einschränkungen von Grundrechten gemahnt.

Die "dramatische" Einschränkung verfassungsrechtlicher Grund- und Freiheitsrechte wegen der Pandemie "war und ist eine Zumutung", sagte Van der Bellen. "Eine notwendige Zumutung, leider." Und auch in nächster Zukunft werde man, "so fürchte ich, noch heikle Entscheidungen treffen müssen" auf Beschränkung von Freiheiten zum Schutz vor dem Coronavirus.

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Dabei gelte es abzuwägen, "wie viel Freiheit wir bereit sind aufzugeben, um, wie jetzt im Fall von Covid, unsere Gesundheit zu schützen" - und was noch zumutbar ist, auch im Blick auf die Wirtschaft.

Augenmaß bei Einschränkungen

In dieser Abwägung zwischen den Grundrechten gelte es "nie das richtige Augenmaß zu verlieren. Weder in die eine, noch in die andere Richtung". Darauf werde er "sorgsam und penibel achten", versicherte der Bundespräsident - und begrüßte den "mittlerweile" breiten politischen Konsens, dass Einschränkungen nur solange als unbedingt notwendig gelten dürfen.

Das "richtige Augenmaß" gebiete auch der Respekt vor der Verfassung. Denn niemand könne bestreiten, dass "unsere Verfassung ihre Aufgabe als Basis des staatlichen Geschehens und als Wahrerin der Grundrechte in den hundert Jahren ihres Bestehens hervorragend erfüllt hat".

Das meine er mit "Eleganz der Verfassung", erinnerte Van der Bellen an sein Lob der Verfassung in der Ibiza-Krise im Vorjahr - dass sie "die Lösung der Regierungskrise ohne interpretatorische Kunststücke, allein aufgrund des klaren Wortlautes ermöglicht". Die Verfassung habe sich im Mai und Juni 2019 als "hervorragender Wegweiser durch eine in der Zweiten Republik noch nie dagewesene Situationen erwiesen".

"Sind nicht all unserer Eigenverantwortung entledigt"

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zitierte in ihrer Rede Absatz 1 des Bundesverfassungsgesetzes: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." Politiker würden "nach bestem Wissen und Gewissen im Interesse der Bürger handeln" - speziell in Zeiten der Krise, auch wenn Entscheidungen und Kommunikation in Krisenzeiten "noch schwieriger" seien. 

Die Verfassungsministerin sieht die Bürger durch Verfassung und Demokratie auch verpflichtet - nämlich ihre Freiheiten und Rechte zu nutzen, um die Gemeinschaft zu gestalten und weiter zu entwickeln.

Der Schutz der Freiheitsrechte in der Verfassung bedeute nicht, dass "wir all unserer Eigenverantwortung entledigt sind". Im Gegenteil: Die Verfassung ziele nicht auf einen "Vollkasko-Staat" ab, Gesetze könnten nie jeden Lebensbereich bis ins kleinste Detail regeln - "auch wenn gerade in Krisenzeiten das Bedürfnis danach besonders groß ist".

Edtstadler sprach auch eine aktuelle Gefahr für die Demokratie an - nämlich die "Kehrseiten der Digitalisierung" wie Desinformation oder Hass im Netz. Es gefährde die Demokratie, "wenn die Menschen die Welt nur noch in begrenzten Filterblasen wahrnehmen und die Meinung nur in der eigenen Echokammer reflektieren".

Das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit samt Kritik an der Politik bestehe "zweifellos". Aber das begründe nicht "das Recht auf eigene Fakten". "Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, Anstrengungen für Faktentreue und Objektivität im neuen Medienpluralismus zu unternehmen", meinte Edtstadler, "es liegt an uns, unsere Verfassung vor Missbrauch dahin gehend zu schützen".

Festakt im Zeichen der Pandemie

Nicht nur die Grußworte beim 100-Jahr-Festakt des Parlaments standen im Zeichen der Pandemie, auch die Veranstaltung selbst: In die Nationalbibliothek war nur eine beschränkte Zahl von - mit Mundnasenschutz und großem Abstand auf fix zugewiesenen Sitzplätzen im Raum verteilten - Teilnehmern geladen.

Begrüßt wurden u.a. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Kardinal Christoph Schönborn, VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter, Rechnungshof-Präsidentin Ingrid Kraker und Ex-Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein. Die Feier war nicht medienöffentlich, wurde aber von ORF III und auf der Parlamentshomepage übertragen.