Politik/Inland

ÖVP: Schon drei Länder gegen Klubzwang

Ist es bloß der Unmut Einzelner – oder bereits der Beginn einer Rebellion gegen ÖVP-Chef Michael Spindelegger, wie manch Medium berichtete? Faktum ist: Nachdem nun auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter den Klubzwang im Parlament in Frage stellt, findet sich Spindelegger in einer höchst unangenehmen Situation.

In einem Interview mit der Kleinen Zeitung hat Platter am Sonntag erklärt, die Tiroler Parlamentarier könnten sich durchaus gegen die Bundespartei stellen. „Falls es notwendig ist, wird Tirol einen eigenständigen Weg gehen“, sagte Platter. Die Regierungsmehrheit im Parlament ist freilich eine Grundvoraussetzung für den Fortbestand der Koalition – so steht’s im Regierungspakt.

Tirol ist damit bereits die dritte ÖVP-Landespartei, die bereit ist, die Regierungsmehrheit zu gefährden.

Alle Inhalte anzeigen
Am Wochenbeginn hatten die steirischen ÖVP-Abgeordneten den neuen Klubchef Reinhold Lopatka düpiert, indem sie Abstimmungen boykottierten. Am Samstag erklärte dann Salzburgs Landeshauptmann und ÖVP-ChefWilfried Haslauer im KURIER, er behalte sich vor, dass seine Abgeordneten im Parlament von der Parteilinie abgehen; und jetzt scheren auch die Tiroler aus.

Eine der wesentlichen Ursachen für den Unmut ist die „Ostlastigkeit“ des Regierungs- und Führungsteams.

12 der 16 Regierungsmitglieder kommen aus Wien, Nieder- und Oberösterreich. Der „Westen“ – also Salzburg, Tirol und Vorarlberg – muss sich mit einem Ressortchef begnügen. Und das, obwohl etwa Salzburg zuletzt sogar den Landeshauptmann zurückerobern konnten.

Klubchef-Reinhold Lopatka will die Wogen mit einer Diskussions-Offensive glätten. „Der Umbau, den der Parteichef in der Führung der ÖVP vorgenommen hat, war seit Jahren der mit Abstand größte. Dass das nicht ohne Irritationen abläuft ist klar“, sagt Lopatka zum KURIER.

Um die Lage zu befrieden nimmt er Anfang 2014 an den Klausuren der ÖVP-Klubs in Salzburg und Vorarlberg teil; auch die Klausur des Parlamentsklubs im steirischen Loipersdorf will Lopatka nutzen, um die „emotional aufgeladene“ Situation zu entspannen. Lopatka gibt sich optimistisch: „Wir werden eine belastbare Gesprächsbasis herstellen und künftig wieder geschlossen abstimmen.“

Wenn es tatsächlich noch eines Beweises bedurfte, dass die West-Achse der ÖVP ein veritables Problem mit dem Bundesparteichef hat, dann wurde dieser am vierten Adventsonntag erbracht: Während sich Michael Spindelegger im KURIER betont versöhnlich gab („Ich hoffe, die Weihnachtszeit dient dazu, die Wunden verheilen zu lassen“), richtete ihm ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter aus, man wolle nach den irritierenden Personalentscheidungen im Regierungsteam nicht zur Tagesordnung übergehen – Weihnachten hin oder her. Die Tiroler ÖVP-Mandatare würden im Parlament notfalls „einen eigenständigen Weg“ gehen, gab Platter zu Protokoll.

Nach der Steiermark und Salzburg ist Tirol die dritte Landespartei, die den Klubzwang und damit die uneingeschränkte Loyalität zum Bund zur Disposition stellt.

Die Gründe sind vielfältig: Ein erklecklicher Teil der Landesparteien fühlt sich schlecht behandelt – 12 der 16 ÖVP-Regierungsmitglieder stammen aus Wien, Nieder- oder Oberösterreich; manche fühlen sich getäuscht – die Tiroler nehmen Spindelegger immer noch übel, dass dieser den Tiroler Töchterle ursprünglich durch einen Kärntner ersetzen wollte; vor allem aber fühlen sich die „Westler“ im Vorteil. Mit Andrä Rupprechter wurde einer im Team positioniert, der das Zeug zu mehr hat: Leutselig, fachlich beschlagen – und als karenzierter Beamter frei von beruflichen Zukunftsängsten, wird er nicht nur in Innsbruck als personelle Alternative betrachtet.

„Unsere Abgeordneten werden den neuen Minister zu 100 Prozent unterstützen“, sagte gestern Günther Platter. Ein Ausdruck von Loyalität? Natürlich. Eine sanfte Drohung in Richtung Parteichef? Vielleicht.