Politik/Inland

Nichts ist prima mit dem Klima

Österreichs Klimapolitik ist „vehement gescheitert“. So lautet der knappe Befund des WIFO-Experten Stefan Schleicher zur Performance der Regierung in den vergangenen fünf Jahren. Weder beim Ausstoß von Klimagasen wie CO2 noch in der Verkehrs-, Energie- oder Industriepolitik konnte eine merkbare Wende geschafft werden. Der Ankauf von CO2-Zertifikaten, die von der Republik aufgrund des Verfehlens der Kioto-Klimaziele erworben werden mussten, haben zudem „zwischen 600 und 700 Millionen Euro“ gekostet, sagt Schleicher.

Aber der Reihe nach: Im Koalitionspakt von 2008 widmete die Regierung dem Klima-Kapitel rund 13, wenn auch größtenteils unverbindliche, Seiten; Die Regierung wolle eine „ambitionierte Klimapolitik“ verfolgen, ist zu lesen, und sich an die Kioto-Klimaziele als auch an die EU-Klimaziele für 2020 halten.

Klimaschutzgesetz

Kioto schrieb vor, dass Österreich in den Jahren von 2008 bis 2012 die CO2-Emissionen im Vergleich zum Ausgangswert aus dem Jahr 1990 um 13 Prozent reduzieren soll. Tatsächlich liegen wir anno 2011 (aktuellere Daten gibt es erst Ende des Jahres) um sechs Prozent über dem Niveau von 1990. „Allerdings wurden schon Ende der 1990er-Jahre die Weichen falsch gestellt und auch danach nicht die richtigen Maßnahmen getroffen“, sagt Schleicher. „Im EU-Vergleich fallen wir damit deutlich aus dem Rahmen. Wir sind Schlusslicht.“

Alle Inhalte anzeigen
Umweltminister Nikolaus Berlakovich und seine Vorgänger haben wiederholt ihr Leid geklagt, für den Klimaschutz verantwortlich gemacht zu werden, aber keine Kompetenz zu haben. Mit einem Gesetz wollte die Regierung an den richtigen Schrauben drehen: „Mit einem Bundesklimaschutzgesetz werden Klima-Ziele und Verantwortlichkeiten (Lasten- verteilung), die mit den Ländern und den betroffenen Bundesministerien zu akkordieren sind, in Zukunft gesetzlich bindend festgeschrieben“, hieß es deshalb im Koalitionspakt.

Das Gesetz wurde 2011 beschlossen, doch Schleicher übt dennoch Kritik: „Die versprochenen Verbindlichkeiten gibt es nicht, weder beim Bund noch bei den Ländern.“ Das Gesetz sei „eine leere Hülle.“ Dabei gebe es viele Möglichkeiten, etwa beim Finanzausgleich. Allein eine ökologische Zweckbindung der Wohnbauförderung hätte sofort positive Effekte.

Problemfall Biomasse

Positiv ist die Reform des Ökostromgesetztes zu verbuchen, nachdem die vorherige Novelle von 2006 praktisch zum Stillstand beim Ausbau erneuerbarer Energien geführt hat. „Mit dem Ökostromgesetz hat Energieminister Mitterlehner gepunktet. Das schaffte neue Impulse für den Ausbau erneuerbarer Energien“, findet Schleicher. „Dennoch fehlt dem Gesetz bis heute Effizienz und Nachhaltigkeit.“ Österreich habe sich zu stark auf Biomasse als Energielieferant fokussiert. „Jetzt müssen wir feststellen, dass praktisch alle Biomasseanlagen zu einem Problem geworden sind, viele sind mittlerweile zahlungsunfähig.“ Die Strategie müsse rasch geändert werden.

Noch düsterer fällt die Bilanz im Sektor Verkehr aus: Seit 1990 stiegen die Emissionen um rund 55 Prozent. „Hier tritt die Politik an der Stelle, es hat sogar kontraproduktive Maßnahmen gegeben, etwa die Erhöhung der Pendlerpauschale im Frühjahr 2013, ohne darüber nachzudenken, welche anderen Wege man gehen könnte“, erklärt Schleicher.

Besonders am Land und in Stadtnähe vermisst Schleicher politisch wirksame Strategien. Positiv sei nur die Situation in Wien: „In Wien gab es eine deutlich messbare Reduktion von Verkehr. Das ist ein guter Hinweis, in welche Richtung sich eine gute Mobilitätspolitik entwickeln könnte.“

Leichte Rückgänge beim CO2-Ausstoß gab es bei der Industrie und beim produzierenden Gewerbe. „Leider gehen praktisch alle Reduktionen in diesem Sektor auf die Wirtschaftskrise zurück, es wurde weniger produziert. Nachhaltig sind diese Reduktionen daher nicht“, erklärt der WIFO-Experte.

Alle Inhalte anzeigen

Im Dezember ist die Kioto-Periode, also jene Zeit von 2008 bis 2012, in der sich Staaten zu einer Reduktion der Treibhausgase verpflichtet hatten, abgelaufen. Seither wurde zwar oft verhandelt, ein neues UN-Abkommen ist aber nicht in Sicht. Die EU hat sich bereits 2007 neue Klimaziele gesetzt, die bis 2020 erreicht werden sollen. Die Klimaziele der EU heißen „20–20–20“, gemeint ist eine Reduktion der Treibhausgase um 20 Prozent, der Ausbau der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent und eine Dämpfung des Energieverbrauchs um 20 Prozent.

Jedes EU-Land hat eigene Ziele bekommen: Österreich soll den Anteil an erneuerbarer Energie auf 20 Prozent steigern. Derzeit haben wir allerdings bereits eine Quote von 32 Prozent. Beim CO2-Ausstoß benötigt Österreich ein Minus von 16 Prozent im Vergleich zum Rekordwert von 2005. Das Ziel hat Österreich beinahe schon erreicht. Und auch die Dämpfung des Energieverbrauchs scheint schaffbar. „Insgesamt sind die Ziele überhaupt kein Problem. Man sollte darüber diskutieren, ob wir diese Ziele nicht verschärfen sollten“, sagt WIFO-Experte Stefan Schleicher.