Politik/Inland

Ukrainischer Geldadel in Wien: "Politik ist blind"

Sie bewohnen schmucke Villen am Wiener Stadtrand und steuern ihre Geschäfte über dezente Holdinggesellschaften in bester Innenstadt-Lage – nicht nur der russische Geldadel, sondern auch die ukrainische Wirtschafts- und Polit-Elite schätzt Wien als sicheren Hafen in stürmischen Zeiten.

"Das hat seit den 90er-Jahren Tradition. Wien ist bis heute der Honigtopf für Oligarchen aus der früheren Sowjetunion und von ganz besonderer Bedeutung", sagt der deutsche Journalist und Ost-Mafia-Experte Jürgen Roth zum KURIER. "Jene ukrainischen Oligarchen, die jetzt möglicherweise mit Fluchtgeld nach Wien kommen, wissen, dass sie hier nicht viel zu befürchten haben, weil die Politik seit Jahren blind ist." Nachsatz: "In Wien leben diese Oligarchen unter dem Schutzdach des russischen Nachrichtendienstes FSB oder des ukrainischen SBU, die beide hier stark vertreten sind." Während die ukrainische Opposition diese "Wahl-Österreicher", wie die Familie des früheren Ministerpräsidenten Mykola Asarow, mit allerlei Verdächtigungen über auffällige Vermögensanhäufungen überziehen, gibt es für die Neureichen aus der Ukraine auch gute legale Gründe, sich in Wien eine zweite Heimat zu schaffen.

"Der Vermögensschutz und die Sicherheit sind in Wien viel höher als anderswo", sagt ein österreichischer Unternehmer mit langjähriger Ukraine-Connection. "Außerdem gibt es sehr viele steuerliche Vorteile."

Die Körperschaftssteuer ist im Vergleich zu anderen Ländern niedrig, und die Gruppenbesteuerung für Konzerne ein großer Vorteil. Zugleich können die Ukrainer hierzulande ein Netz von Doppelbesteuerungsabkommen auskosten.

Diese Vorteile nutzen offenbar auch die Unternehmer-Brüder Andrej und Sergij Kljujew, zwei enge Vertraute und Parteigänger des Präsidenten Viktor Janukowitsch.

Sie haben schon 1995 ihre Zelte in Wien aufgeschlagen. Ihr Konzern Slav AG mit Sitz in der Wiener Wipplingerstraße weist 2012 rund 356 Millionen Euro Eigenkapital aus, die Fäden des Konzerns ziehen sich bis nach Zypern und den British Virgin Islands. Die Kljujews, die u. a. in der Schwerindustrie tätig sind, wollten 2006 die Bank Burgenland kaufen. Obwohl sie Bestbieter waren, wurde ihnen die Grazer Wechselseitige vorgezogen. "Das hat sie extrem verärgert", sagt ein früherer Geschäftspartner der Kljujews. Infolge stiegen Kljujews bei der insolventen Wiener Immobiliengruppe SEG/CEE ein. Sergej Kljujew residiert in der Wienerwald-Ortschaft Tulbingerkogel.

Große Nummer

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Indes hält Buchautor Roth den ukrainischen Oligarchen Dimitri Firtasch für die große Nummer mit Österreich-Connection. "Er spielt eine zentrale Rolle im Gasgeschäft", sagt Roth. Seit 2004 mischt Firtasch als Herr über den österreichisch-ukrainischen Mischkonzern Group DF und Partner von Gazprom im Gas-Liefergeschäft mit – über die Schweizer Rosukrenergo AG. Diese 45-Prozent-Beteiligung an Rosukrenergo wurde 2011 auf die Wiener Centragas Holding GmbH übertragen. Centragas gehört wiederum zwei Gesellschaften aus Zypern. Erst vor einem Monat kaufte die Centragas die ukrainische Pravex Bank (560 Filialen) von der italienischen Banca Intesa. Firtaschs Vermögen wird auf 3,32 Milliarden Dollar geschätzt. Auch der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch schätzt offenbar die Vorzüge österreichischer Firmenkonstruktionen. Das Herrschaftsanwesen in Meschiguirja bei Kiew, das er angemietet hat, gehört der Wiener Euro East Beteiligungs GmbH.

Derzeit gibt es in Österreich keine Handhabe, das Absetzen von Mitgliedern der Janukowitsch-Nomenklatura in die Alpenrepublik zu verhindern. Die ukrainische Opposition fürchtet, dass die Vertreter der alten Machtstrukturen mit unterschlagenen Milliarden in den Westen flüchten könnten. Das Eintreffen zweier ukrainischer Oligarchen in Wien hat diese Befürchtungen noch verstärkt.

Einige Ukrainer haben schon seit Jahren Dauer-Aufenthaltsbewilligungen in Österreich. Alle anderen ukrainischen Staatsbürger brauchen ein Visum. Derzeit deute nichts auf eine Fluchtbewegung in den Westen hin, sagt Außenamtssprecher Martin Weiss. Die Zahl der Visa-Anträge bei der österreichischen Botschaft habe sich in den vergangenen Tagen nicht erhöht. Wenn gegen die betreffende Person nichts vorliege, gebe es keinen Grund, die Einreise zu versagen. Inhaber von Diplomatenpässen können aber ohne Visum einreisen: Hier liegt es an der ukrainischen Führung, diese Pässe einzuziehen.

Geldwäsche-Verdacht

Keinen Grund für erhöhte Polizeipräsenz am Flughafen Wien-Schwechat sieht Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums. Aufgrund des Visa-Zwanges weiß man vorher schon, wer über die Grenze kommt. Das betrifft auch jene, die mit Schengen-Visa etwa aus Deutschland einreisen.

Sollten unter den Reisenden Flüchtlinge mit illegalen Geldkoffern sein, sind diese mit den Geldwäsche-Bestimmungen konfrontiert: Diese verlangen eine Ausweispflicht bei Einlagen oder Überweisungen von mehr als 15.000 Euro. Die Banken haben alle Überweisungen mit eventuell kriminellem Hintergrund an die Geldwäsche-Meldestelle des Bundeskriminalamts zu melden. Im Jahr 2012 wurden 2126 Verdachtsmeldungen erstattet.

Demzufolge liegt es nun an der ukrainischen Justiz, Rechtshilfeersuchen gegen mutmaßliche Straftäter des alten Regimes zu stellen.

EU-Sanktionen aufrecht

Die Sanktionen der EU, die am Donnerstag noch als Druckmittel gegen Janukowitsch beschlossen wurden, sind derweil aufrecht – trotz des Umsturzes. "Die Arbeiten laufen wie geplant", sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Montag in Brüssel. Derzeit werde eine Liste erstellt mit Personen, denen die Einreise in die EU verweigert und deren Konten in der EU gesperrt werden sollen. Ob Janukowitsch selbst auf der Liste stehen wird, ist offen.