Politik/Inland

Schreiduell um türkische Plakate

Die TV-Konfrontation zwischen Bundeskanzler Werner Faymann von der SPÖ und Herausforderer FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wurde von beiden äußerst hart geführt und endete in einem Schreiduell um türkische Wahlplakate. Von denen sich Faymann sofort und deutlich distanzierte.

„Das war der Höhepunkt der oppositionellen Angriffe. Faymann ist richtig aus der Haut gefahren“, sagte Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. „Da hat Strache den Kanzler am falschen Fuß erwischt. Ich wäre ruhiger geblieben“, urteilte Medienprofi Gerald Groß. Aber auch vor dieser Schlussattacke Straches blieben sich die Kontrahenten wenig schuldig. Faymann wiederholte seine Position, mit Strache und seiner Politik der Hetze sicher keine Koalition einzugehen. Strache kann sich Rot-Blau vorstellen, aber erst nach der Abwahl Faymanns.

Die besten Zitate des TV-Duells

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Rot gegen Rot

Bei den allermeisten Themen – von den Pensionen, über die Pflege bis zum Euro – versuchte Strache klar zu machen, dass die Faymann-Regierung auf voller Länge versagt habe, und nur er die Arbeiterschaft wirklich vertrete. „Wir sind die moderne Arbeiterpartei. Sie sollten ihre Politik der Ausgrenzung und des Scheiterns überdenken, Herr Faymann“, posaunte der FPÖ-Chef. Er wurde seiner Rolle als Herausfordere gerecht und habe wechselbereite Wähler sicherlich angesprochen, glaubt Groß. Für Bachmayer hat Strache „mit aller Wucht provoziert“, Faymann sei es aber in aller Regel gelungen, Kanzler und Staatsmann zu bleiben.

Alles rund um die Nationalratswahl 2013 finden Sie hier auf KURIER.at - und hier geht es zur Nachlese des TV-Duells zwischen Eva Glawischnig und Michael Spindelegger.

Werner Faymann

Themenführerschaft

Der Kanzler geriet durch die Daueroffensive Straches etwas in die Defensive.

Schlagfertigkeit

Faymann konnte nur ein paar Konter anbringen.

Glaubwürdigkeit

Hier lag Faymann vor Strache. Das hat auch mit dem Erscheinungsbild des Kanzlers zu tun, sagte Bachmayer.

HC Strache

Themenführerschaft

Strache konnte öfter seine Botschaften anbringen.

Schlagfertigkeit

In der Boxersprache hat der FPÖ-Chef den Kanzler richtig in der Ecke festgenagelt.

Glaubwürdigkeit

Straches Glaubwürdigkeit litt unter seinen heftigen Rundumschlägen, sagt Medienprofi Groß.

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Startschuss: Zwei ideologische Gegenpole treffen aufeinander, leitet Moderatorin Ingrid Thurnher die zweite Konfrontation des Abends ein. Davon kann man sich in der Vorab-Einspielung zu den beiden gut überzeugen: "Keine Koalition mit der ÖVP" oder "diese Hetze der FPÖ" lauten die Sätze, die aus dem Mund Faymanns zu hören sind.

Die Ausgrenzung der FP durch die SP ist dann auch gleich Thema des ersten Fragenblocks - Strache betont gleich zu Beginn die Postionierung seiner Partei als "Arbeiterpartei" und erkennt der SP diesen Status sogleich ab. Faymann kontert: "Es ist die Frage, ob man die Leute aufhetzt oder die Leute durch eine Krise führt", meint er staatsmännisch.

Strache gibt sich darauf recht angriffig - und spricht sofort vom "direkten Kanzlerduell", das hier stattfände. Auch Faymann wird lauter: "Ich kann Ihnen sagen, was ich die letzten fünf Jahre gemacht habe. Sie können nur 200 Mal dasselbe sagen." Thurnher unterbricht, es solle hier nicht um Pauschalurteile gehen, sondern um Themen.

Pensionen: Man geht zum ersten Themenblock über - zu einem, das die Kernwähler beider Parteien betrifft: die Pensionen. Blauen-Chef Strache mäßigt sich auch dabei nicht im Ton und greift die SP frontal an - die Gelder würden nur in Richtung Brüssel fließen, für den kleinen Pensionisten bliebe nichts übrig. "Das Vermögen kommt bei den Menschen nicht mehr an, weil Sie es den Menschen entziehen."

Faymann bleibt gelassen, verteidigt seine Politik: Man könne nicht schlicht aus der EU austreten, so einfach wäre das nicht - Massenarbeitslosigkeit wäre die Folge. Thurnhers Einwände tut er ab:

Pflege: Thurner will wissen, ob Pflege eine Frage des Staates oder eine private Angelegenheit sein solle - Straches Antwort ist klar: "Die Menschen werden sozialpolitisch eiskalt im Stich gelassen." Es brauche eine Pflegegeldanpassung; die SP habe die letzten Jahre versäumt, den Menschen zu helfen.

Faymann darauf: "Die Liste an Forderungen, die Ihnen der Herr Kickl hier aufschreibt, sind ja nichts Neues. Pauschalurteile, falsche Zahlen und so weiter", lautet seine Replik. Aber auch inhaltlich äußert er sich: In Summe habe man die Pflegegeldausgaben erhöht, in den kommenden Jahren würde die Zahl der mobilen und stationären Einrichtungen erhöht. Und: Faymann spricht sich dezidiert für eine Abschaffung des Pflegeregresses in der Steiermark aus.

Steuern: Strache schwenkt zum Thema Steuern über und spielt auf das von der SP jetzt präsentierte neue Modell an. "Alles von der FP geklaut", so der Tenor. Auch Thurnher greift das Thema auf und will wissen, warum denn im Wahlprogramm noch keine einzige Zahl dazu stehe? Faymann verteidigt sich und meint, er habe immer betont, er wolle die Steuern auf kleinere Einkommen senken. Und zu seinem Kontrahenten: "Herr Strache braucht sich ja keine Gedanken darüber machen, er trägt ja keine Verantwortung."

Höchststeuersatz, kalte Progression, Gruppenbesteuerung für Banken - Strache greift seine Lieblingspunkte auf. "Wer hat die Bankenabgabe eingeführt in Österreich? Wir haben sie eingeführt", sagt Faymann zu den blauen Vorwürfen, er seine eine "Marionette der Banken".

Zeitlich ist Faymann Strache übrigens um einiges voraus - er hat bisher drei Minuten mehr Redezeit.

Staatshaushalt: Thurnher spricht den FP-Chef darauf an, dass er den Wählern ja "das Blaue vom Himmel" verspreche - mehr Sozialleistungen bei einem viel zu geringen Staatsbudget nämlich. Wie er dies denn finanzieren wolle? Über Einsparungen bei der Verwaltung, so Strache - und über einen Ausstieg aus dem ESM.

Faymanns Antwort auf die Frage der Moderatorin, wie er seine Steuerreform finanzieren wolle - denn auch Experten würden dies ja infrage stellen - ist simpel: Es werde erst 2015 so weit sein - und über die Finanztransaktionssteuer.

EU: Faymann geht von der Finanztransaktionssteuer zum Thema EU über - und betont, dass ein Austritt aus der EU für ihn denkunmöglich sei. "Herr Strache will aus der EU austreten. Damit wird er Österreich in die Armut führen." In Deutschland etwa würde niemals jemand darüber nachdenken, als Exportland einen Austritt in Erwägung zu ziehen. Für Strache ist dies - klarerweise - nicht nachvollziehbar. Er zitiert 150 Wirtschaftsexperten, die Kanzlerin Merkel einen Euro-Austritt empfehlen würden.

Faymann darauf: "Ich kenne keine Experten, die Österreich das empfehlen würden. Ich kenne nur Sie und den Herrn Kickl."

Waffenrecht: Thurnher spricht die tragischen Vorfälle in Niederösterreich an - und stellt Strache die Frage, ob "jeder in Österreich eine Waffe tragen dürfe". Der ist sichtlich empört: "Das, was Sie da tun, ist wirklich schäbig", sagt der FP-Chef - selbst Waffenträger, wie Thurnher betont. Sie wolle nur die politischen Lehren abfragen - auch Faymann will sich darauf nicht einlassen, er betont die Wichtigkeit von Exekutive und Sanitätern.

"Da haben wir eine Gemeinsamkeit", meint Strache.

Verwaltungsreform: Moderatorin Thurnher spricht Kanzler Faymann auf etwaige Verschlankungs-Maßnahmen im Staatsbereich an - man komme ja nicht mit weniger Menschen aus, wie denn dann gespart werde? Über Ausgliederungen und Leiharbeiter? Faymann ist ausweichend: Der Rechnungshof habe dafür wichtige Vorschläge geliefert, die Hälfte davon sei bereits umgesetzt - ein Satz, den Faymann in diesem Punkt gerne fallen lässt.

Koalitions-Frage: Angesprochen auf eine mögliche Koalition mit der SPÖ, hält Strache ein Taferl hoch - ein Wahlplakat auf türkisch, das für die SPÖ wirbt. Faymann wird laut: "Sie wissen genau, dass Sie jetzt die Unwahrheit sagen!" Und er erneuert seine Ablehnung, mit der FP jemals koalieren zu wollen: "Das ist wieder die unterste Lade, die Sie hier herausziehen!" Strache darauf: "Der Herr Faymann ist sicherlich nicht der geeignete Partner, er macht seit Jahren eine katastrophale Politik." Es gebe in der SP aber andere, die er schätzen könne, aber nicht "Herrn Glawischnig", der hier sitze.

Faymanns macht zum Schluss seinen Standpunkt nochmal klar: "Ich möchte mit vielen Politikern zusammenarbeiten, aber mit der Hetze des Herrn Strache möchte ich nichts zu tun haben."