Streit um Mindestsicherung: Ludwig spricht von "Desavouierung"
Die Reform der Mindestsicherung ist neben dem Umbau in der Sozialversicherung das zweite Mega-Projekt, das die Bundesregierung noch vor dem Sommer angehen will.
Konflikte sind programmiert: Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache ( FPÖ) wollen – anders als mit Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) zunächst vereinbart – dezidiert nicht auf den Vorschlag der Bundesländer warten. Interessant ist: Die schwarz regierten Länder – allen voran Niederösterreich und Tirol – stört das gar nicht wirklich. Sie begrüßen sogar eine „gewisse Dynamik“, wie sich Tirols LH Günther Platter ausdrückte. Und auch NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner freut sich über den Vorstoß des Bundes. Sie habe immer eine bundeseinheitliche Lösung gefordert, sagte Mikl-Leitner. Es müsse dabei einen deutlichen Unterschied zwischen Einkommen aus Erwerb und sozialen Leistungen geben – nach dem Prinzip: „Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein“.
Wirkliche Kritik kommt hingegen aus Kärnten, aus Wien als auch von der roten steirischen Soziallandesrätin Doris Kampus, die derzeit auch Vorsitzende der Sozialreferentenkonferenz Österreichs ist.
Zusage in Leoben
Kampus spricht von „Desavouierung“ und „Wortbruch“. Nur exakt elf Tage habe das Wort von Sozialministerin Hartinger-Klein gegenüber den Bundesländern gehalten. Die Ministerin habe nämlich am 13. April in Leoben zugesagt, dass der Länder-Vorschlag, der Ende Juni vorliegen soll, als Basis für die Verhandlungen mit dem Bund genommen wird und nicht umgekehrt.
Auch der künftige Wiener Bürgermeister Michael Ludwig spricht von einer "Desavouierung". Wien sei noch immer bereit, an einer bundesweiten Lösung mitzuarbeiten - aber nach Verhandlungen. Eine "abgesprochene Lösung zwischen Bund und Ländern" wäre besser, betonte Ludwig in Ö1.
In Wien gilt seit Februar ein neues Mindestsicherungsgesetz. Er sei immer davon ausgegangen, dass man dieses evaluiere, sagte Ludwig.
Neues Modell schon Anfang Juni
Kurz und Strache erklärten hingegen am Dienstag, sie würden ihr Modell schon Anfang Juni in Form eines Gesetzesentwurfes vorlegen. Und die Bundesländer könnten sich dann im normalen Begutachtungsprozess einbringen.
Justizminister Josef Moser legte am Mittwoch nach. Bei der Mindestsicherung stehe im Vordergrund, dass man "endlich eine Lösung" finde, betonte Moser. Ganz ähnlich argumentierte im Pressefoyer nach der Regierungssitzung FPÖ-Infrastrukturminister und Regierungskoordinator Norbert Hofer. Das Warten auf einen einheitlichen Vorschlag der Länder hätte länger gedauert, "deshalb ziehen wir es umgekehrt auf". Das Ziel sei, dass jenen geholfen werde, die sich selbst nicht helfen könnten. "Aber die Mindestsicherung soll kein Anreiz sein, sich auf die Reise nach Österreich zu machen
Enthalten sollen in diesem Modell vor allem zwei Dinge sein: Eine bundeseinheitliche Lösung für die heute länderweise unterschiedlich geregelte Mindestsicherung. Und: Anerkannte Flüchtlingen sollen künftig wesentlich weniger Geld aus der Mindestsicherung bekommen als heute.
Damit bleibt es auch bei der bisherigen Stoßrichtung von Türkis-Blau, die realpolitisch gesehen vor allem gegen das rote Wien gerichtet ist. Wenn Menschen neu ins System kommen, dürfen sie nicht das Gleiche erhalten wie jene, die hier seit Jahrzehnten lebten, argumentiert Kurz. Strache wird deutlicher: Man wolle den weiteren Zuzug ins österreichische Sozialsystem verhindern, denn – so der Chef der Freiheitlichen – es habe sich international herumgesprochen, wie fein es sich hier in Österreich binnen kürzester Zeit leben lässt. miba