Politik/Inland

Erneuter Schuldspruch für Ernst Strasser

Lobbyist und Parlamentarier – kann man beides sein? Das war die zentrale Frage am Finaltag des Prozesses gegen Ernst Strasser. Im ersten Prozess hatte Richter Georg Olschak diese Frage eindeutig mit Nein und der Verhängung von vier Jahren Haft beantwortet – in der Neuauflage unter der Leitung von Richterin Helena Gnida wurden es drei Jahre und sechs Monate unbedingte Haft. Strassers Anwalt Kralik verkündete gleich anschließend, dass man in Berufung gehen werde.

Das Gericht erachtete es als erwiesen an, dass sich Strasser als damaliger ÖVP-Delegationsleiter im Europäischen Parlament zur entgeltlichen Einflussnahme auf die EU-Gesetzgebung bereit erklärt hatte.

Zwei Journalisten der Sunday Times hatten getestet, wie biegsam Strassers Auffassung seines politischen Amts ist – die beiden verhandelten mit ihm, getarnt als Lobbyisten, über eine mögliche Einflussnahme auf eine EU-Richtlinie. Ein Honorar von 100.000 Euro soll Strasser dafür verlangt haben - nicht wissend, dass die beiden Reporter das Gespräch aufzeichnen.

Die "rote Linie"

Strasser selbst gab sich bei der Einvernahme am Donnerstag zunehmend gereizt und antwortete mitunter auch patzig auf die Fragen der Staatsanwältin. Immer wieder wies er darauf hin, doch eine "rote Linie" zwischen seinen Tätigkeiten gezogen zu haben. "Ich habe nichts davon tatsächlich durchgeführt", sagte er zu den gesammelten Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Er habe lediglich herausfinden wollen, was die beiden Lobbyisten denn von ihm wollten – die Verteidigungslinie des ersten Prozesses (Stichwort: Agententheorie) ließ er dabei unerwähnt. Dass der Unterschied zwischen dem Lobbyisten und Parlamentarier Strasser nicht immer genau zu treffen sei, musste er aber dennoch bestätigen: "Ich kann mich ja nicht zweiteilen."

Wie weit sich Strasser aus dem Fenster lehnte, wollte man auch persönlich von den beiden Hauptzeugen wissen – die Schaltung nach London blieb aber weitgehend sinnlos: Die Tonqualität bei der Befragung erwies sich als derart schlecht, dass man die beiden Journalisten wieder unverrichteter Dinge nach Hause schicken musste. Die Richterin behalf sich mit der Verlesung der damaligen Einvernahmen – einzig ein Satz der Videokonferenz hallte im Saal gut hörbar nach: "Strasser war ja dafür bekannt, nicht anständig zu sein."

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Alle Inhalte anzeigen

Anwalt Kralik verkündet, dass Berufung eingelegt wurde. Damit beenden wir auch unseren Liveticker, vielen Dank fürs Dranbleiben!

Der Senat klärt Strasser über die weiteren möglichen Schritte auf und erklärt die Verhandlung für beendet.

Der Senat habe bis zuletzt die Geheimdiensttheorie nicht verstanden. Alle Umstände hätten an eine erfundene Aussage angepasst werden müssen. "Wenn man ein Kartenhaus aufbaut, darf sich kein Riss bilden", sagt die Richterin. Sie betont die Widersprüchlichkeit in Strassers Verteidigung.

Die Unbescholtenheit des Angeklagten wurde mildernd aufgenommen.

Gnida erläutert nun jeden einzelnen geprüften Vorwurf und das Ergebnis des Senats. Dass Strasser nicht tatsächlich die Taten durchgeführt habe, würde keine Rolle spielen. Seine Pläne und Zusagen würden ausreichen: "Er hat es darauf angelegt, zu beeinflussen."

Eine Fußfessel wurde seitens der Richterin ausgeschlossen.

Der Verurteilte wirkt gefasst und lauscht den Ausführungen der Richterin zum Urteil. Er macht sich wieder Notizen.

Sein Anwalt wirkt - wenig überraschend - frustriert.

Strasser wurde schuldig gesprochen. Drei Jahre und sechs Monate unbedingte Haft lautet das Strafmaß. Das Gericht erachtete es als erwiesen an, dass sich Strasser als damaliger ÖVP-Delegationsleiter im Europäischen Parlament zur entgeltlichen Einflussnahme auf die EU-Gesetzgebung bereit erklärt hatte.

Auch der Senat hat den Saal betreten.

Ernst Strasser hat den Saal betreten. Ein letztes Blitzlichtgewitter bis das Urteil verkündet wird.

Alle Journalisten haben bereits Platz im Schwurgerichtssaal genommen. Jeden Moment kann es soweit sein.

Noch zehn bis fünfzehn Minuten bis zum Urteil wurde gerade vermeldet.

Kurze Zwischenmeldung: Immer noch kein Urteil, dafür ein angespanntes Wartepublikum.

Der Senat zieht sich nun zur Beratung zurück. Wie lange es nun bis zum Urteil braucht, ist unklar. Spätestens um 20 Uhr wird es aber wohl soweit sein.

Schließlich haben Richterin und Senat für diese Uhrzeit ein reserviertes Abendessen im Gerichtsbuffet.

"Strasser war ein Politiker, der tatsächlich handelte. Er wollte etwas verändern. Hier sitzt nicht jemand, der sich persönlich bereichern wollte." Er hätte sich nur für die Zeit nach dem Parlament absichern wollen, so Kralik.

"Lassen Sie sich von den Medien nicht beeinflussen. Wir leben in einem Rechtsstaat. Entscheiden Sie unbeeinflusst von der Berichterstattung", appelliert er an die Richterin. Diese blickt unbeeindruckt.

"Er wollte ins Geschäft kommen: Beratungsleistungen waren sein Metier. Nicht alles, was er in dieser Tätigkeit macht, ist schlecht." Es mag moralisch nicht in Ordnung sein, aber es sei nicht strafrechtlich relevant.

"Anfüttern war damals nicht strafbar", stellt die Verteidigung klar. "Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die konkreten, besprochenen Schritte. Sind werden zu meiner Auffassung kommen: Es war nicht konkret genug. Lediglich anfüttern und das war damals nicht strafbar. Diesen Punkt müssen Sie beurteilen", wendet sich Kralik an die Richterin.

Strasser habe nicht verstärkt und nachdrücklich bei Karas oder Florenz interveniert. Auf den Videos sei das anders, bestätigt auch Kralik. Allerdings sei das gegenüber den Journalisten gewesen; sein tatsächliches Verhalten würde klar bestätigen: "Nie im Leben wollte er tatsächlich wen beeinflussen."

"Karas und Strasser waren nie die besten Freunde", spielt die Verteidigung anschließend auf die Querelen der beiden an.

"Wenn man tatsächlich etwas beeinflussen möchte, geht man anders vor."

Beraten hätte Strasser schließlich dürfen - auch als Parlamentarier. Nichts anderes als beraten hätte er wollen, so die Verteidigung. Kralik nennt die Richtlinien, bei denen nichts tatsächlich passiert sei. Es kam zu keinem konkreten Amtsgeschäft, betont Kralik. Deshalb würde es sich um keine Bestechlichkeit handeln. "Wenn man nicht das konkrete Amtsgeschäft feststellen kann, dann erfüllt es nicht den Tatbestand", zitiert die Verteidigung einen Beschluss des OGHs. Was Strasser also mit Karas oder Florenz gesprochen habe, sei irrelevant.

Die Verteidigung ist am Wort. "Ich bin verwundert, dass alles zu seinem Nachteil genutzt wird. Obwohl einiges für Dr. Strassers Vorteil spricht", sagt Kralik in seinem Schlussplädoyer. Strasser habe mehrmals von einer roten Linie gesprochen. Er habe betont, dass alles innerhalb des Bereichs seiner Ausschüsse nicht möglich sei. "Warum sollte er Schutzbehauptungen aufstellen, wenn er sich tatsächlich bereichern wollte?", fragt sein Anwalt.

"Strasser ist zu verurteilen", schließt sie - als Strafzumessung käme eine Freiheitsstrafe von einem bis 10 Jahren infrage. Wegen des Auslandstatortes - das belgische Recht sieht fünf, das britische sieben Jahre vor - plädiert Maruna dafür, den Rahmen von sieben Jahren zu bevorzugen; allerdings verweist sie auf das Ersturteil von vier Jahren, mit dem sie sich bereits zufrieden gezeigt habe.

"Man muss aber auch sehen, dass es nicht zur Zahlung des Geldes gekommen ist", sagt sie noch - erschwerend sei jedoch der Umstand, dass Strasser Aktivitäten gesetzt habe, um das Geld zu erlangen. Und das "in einem rechtlichen Raum, der mehrere 100 Millionen Menschen umfasst", macht sie auf die Dimensionen seiner Tat aufmerksam. "Wir leben ja nicht irendwo, wo man Parlamentarier kaufen kann."

"Lassen Sie sich keinen Sand in die Augen streuen", sagt Maruna, deren Plädyoer jetzt schon ganze 45 Minuten dauert. Sie stellt nochmals fest, dass Strasser kein Kavaliersdelikt begangen habe, sondern durch seine Lobbytätigkeit pflichtwidrig gehandelt habe - und dass er "Gesetzgebung gegen Geld" versprochen habe. Egal, ob es dafür einen schriftlichen Beleg gebe oder nicht.

Jetzt gibt es Schelte für Strassers Verteidigungsstrategie: Zuerst habe er "Geheimdienstler" aufdecken wollen, später habe er sie nur beraten wollen - wie das denn zusammengehe? "Wenn jemand nur eine Falle stellen will, muss er sich absichern - und mit jemandem darüber reden. Stattdessen lässt Strasser sich monatelang auf die angeblichen Agenten ein, schließt sogar einen mündlichen Vertrag", kritisiert Maruna Strassers unschlüssige Aktivitäten.

Maruna stellt die Frage, ob jemand, der rechtens gehandelt hat, sich so verteidigen würde - "vermutlich nicht."

"Ein bisschen was Rechtliches noch", kommt Maruna langsam zum Schluss: "Das, was Strasser hier gemacht hat, ist ein Amtsgeschäft." Die sinngemäße Argumentation des Angeklagten, dass er privates Lobbying in jenen Ausschüssen betreiben habe können, in denen er kein Mitglied war, sei unschlüssig - "dies war alles ein Amtsgeschädt, dies fällt in das Kerngeschäft eines Abgeordneten." Was Maruna hier meint: Es kann schwerlich ein Unterschied zwischen der Person des Abgeordneten und jener des Lobbyisten gemacht werden.

Dazu komme die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens: "Wenn er verspricht, für einen Vermögensvorteil Einfluss durch seine Tätigkeit zu nehmen, ist dies seinem Amt gegenüber pflichtwidrig. Es war ihm egal, wer hinter diesen Wünschen steckt, auch der Inhalt war ihm egal - einzig das Honorar war wichtig."

"Strassers Absicht zeigt sich in seinem ganzen Verhalten", sagt die Staatsanwältin weiter - der Angeklagte liest währenddessen ruhig ein Papier und wirkt unbeeindruckt.

Erst, als sie seine neue Verteidigungslinie in Zweifel zieht, blickt er auf: "So, wie Dr. Strasser vorgegangen ist, geht man vor, wenn man einen Abänderungsantrag einbringen wil - wenn man Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen will." Er habe "keine Informationen für allgemeine Beratertätigkeiten einholen" und schon gar keine Agenten aufdecken wollen, meint Maruna.

Staatsanwältin Maruna widmet sich nun dem, was nach dem Angebotsgespräch passiert ist. Die Unterhaltung mit dem deutschen Abgeordneten Karlheinz Florenz etwa, den Strasser "mehr oder weniger zufällig" am Gang getroffen hat - die beiden reden dabei über die EU-Elekrtoschrott-Richtlinie und die von den Klienten gewünschten Änderungen. "Das Gespräch zeigt, dass er das Versprechen ernst gemeint hat", sagt Maruna in Richtung Anklagebank.

"Strasser verhält sich auftragsgemäß", sagt sie weiter. Zuerst habe er im Büro Ranner - einer VP-Kollegin, die derzeit bekanntlich ebenso vor Gericht steht, allerdings wegen Untreue - nachgefragt. Später hat er im Büro Karas urgieren lassen, um seine Änderungswünsche durchzubringen. Dort habe man mit Irritation auf das Drängen Strassers reagiert.

Maruna schildert den weiteren Verlauf der Dinge - das Mail der beiden Journalisten, Strassers Antwort und dessen Nachfragen nach der Vereinbarkeit von Parlamentarier- und Consultingtätigkeiten. Der Wunsch der "Lobbyisten" sei klar gewesen: Einflussnhame auf Gesetzesvorhaben, und zwar gleich auf drei Richtlinien, die auf der Agenda des Parlaments gestanden hätten.

Was sagt Strasser darauf? "Da kann man was tun", zitiert Maruna ihn. Die Frage nach dem Honorar habe er mit "meine Klienten zahlen mir 100.000 Euro im Jahr" beantwortet. Was das heiße? Für die Staatsanwaltschaft ist das ein klares Angebot. Einzig schriftlich habe man dies nie festgehalten - aber allein die Forderung nach einem Honorar sei als Vollendung des Tatbestandes anzusehen, sagt Maruna.

Richterin Helene Gnida fragt nach weiteren Wünschen, es scheint keine zu geben. Staatsanwältin Maruna kann zum Schlussplädoyer übergehen. Sie erklärt zunächst, was denn Bestechlichkeit genau ist.

"Hat er zugesagt, konkrete Schritte gegen Geld zu setzen? Was wollte der Angeklagte wirklich?", fragt die Staatsanwältin. Strasser würde sich damit verteidigen, nichts von alldem gewollt zu haben. Aber ob das auch glaubhaft sei?

Die Verlesungen wurden beendet. Die Staatsanwältin möchte eine weitere Einvernahme aus dem Vorverfahren verlesen bekommen.

Während die Dolmetscherin das Protokoll vom Englischen ins Deutsche übersetzt, zeigt Anwalt Kralik seinem Mandanten etwas auf seinem Handy

Calverts Aussagen unterstützen die Einvernahme von Newell. Wie man vorgegangen sei, was Strasser versprochen habe, wird erörtert. Das verwendete Fake-Büro habe nicht wirklich echt ausgesehen, betont Calvert.

Nach der Verlesung der kompletten Einvernahme von Claire Newell, ist jetzt Jonathan Calvert dran. Ernst Strasser sitzt in der Zwischenzeit ruhig auf der Anklagebank, hört den Verlesungen zu und macht sich Notizen.

Die Dolmetscherin, die nun nicht gebraucht wurde, sitzt etwas betreten und still mit verschränkten Armen neben der Richterin.

War Strasser erfolgreich? Er hätte bei der Änderung einer Richtlinie von Erfolg gesprochen, so Newell im Protokoll. Die Zahlung wäre 100.000 Euro im Jahr gewesen.

"Das war für uns genug, da Geld im Gegenzug für eine Änderung schon gesetzeswidrig war", so Newell. Konkret ging es bei den Gesprächen um die Elektroschrott- und Anlegerschutzrichtlinie.

Wann klar gewesen wäre, dass Strasser auf die Zusammenarbeit einwillige? Newell bei letzten Prozess: "Das Ergebnis der Besprechung am 30.6. war, dass Strasser interessiert war." Strasser sollte dann den Geschäftsführer der angeblichen Lobbyingagentur treffen.

Es war nicht möglich die Zeugen ausreichend zu verstehen. Die Einvernahme wurde deshalb abgebrochen. Nun werden die alten Aussagen verlesen. Bereits damals betonte Newell, dass Strassers Ruf "fraglich" gewesen sei. Deshalb sei er kontaktiert worden.

Nun ist Jonathan Calvert im Zeugenstand. Auch er ist sehr schlecht zu verstehen, aber besser als Newell. Die Formalitäten werden abgeklärt.

Der 11.11.2010 wird besprochen. Was es für ein Gespräch gewesen sei, wird gefragt. Die Antwort ist kaum verständlich. Nun wird auch Calvert gefragt, ob er seine vergangene Aussage bestätigt. Er bejaht dies.

"Wir wollen Sie nicht länger quälen". Die Tonqualität ist so schlecht, dass die Einvernahme von Claire Newell abgebrochen wurde.

Die Journalistin bestätigt, dass sie Strasser auch im Europäischen Parlament getroffen hat.

Nun geht es um den 30.06.2010. Newell bezieht sich auf ein Transkript von diesem Tag.

Schon wieder geht die Verbindung nicht. Die Richterin entschuldigt sich und betont, dass tagelang das Netzwerk getestet und vorbereitet wurde. Die Einvernahme ist nicht möglich und wird wohl abgebrochen. Nun wird lediglich gefragt, ob ihre früheren Aussagen weiterhin korrekt sind. Newell bejaht.

"Worum ging es in der Reportage, die Sie recherchiert haben?" - "Um Mitglieder des Europäischen Parlament, die nebenher Geld verdienen."

Wie sie auf Strasser gekommen sei, wird gefragt. "Er war dafür bekannt, kommerzielle Interessen zu haben und sich nicht anständig zu benehmen."

Claire Newell ist sehr schlecht zu verstehen, trotzdem wird weitergemacht. Immer wieder gibt es Unterbrechungen.

Kurzer Rückblick zur Pause in der Zwischenzeit: Anwalt Karlik wurde zum Prozess befragt. Er erwartet ein Urteil - und zwar weiterhin einen Freispruch für Ernst Strasser.

So, die Verbindung steht. Formalitäten werden abgeklärt: Geburtsdatum, Verwandtschaftsverhältnis mit Strasser etc. Der Richter in London wurde noch abgewartet, jetzt gibt es Dankesworte für die Zusammenarbeit.

Jetzt kann vernommen werden: Die beiden Zeugen sind per Videokonferenz zugeschaltet, eine Übersetzerin wird extra bemüht. Der Ton ist - nicht besonders überraschend - schlecht.

Noch hört man nur rauschendes Gemurmel. Die Journalisten im Saal haben ein Deja-vu, schließlich war auch beim vergangenen Prozess die Verbindung und der Ton äußerst schlecht. Als die Verbindung erneut getrennt wird, kann sich niemand ein Lachen verkneifen.

Willkommen zurück - noch ist der Richtersessel leer, Angeklagter Strasser hat aber schon Platz genommen. Durch den Saal hallt die Videverbindung nach England - beim letzten Prozess hat es ja diverse Probleme mit der Verbindung gegeben, hoffentlich funktioniert's diesmal. Derzeit klingt es verdächtig schlecht.

Der Bildschirm, auf dem die beiden Hauptzeugen - die Times-Journalisten - zu sehen sein werden, ist wie schon beim ersten Prozess vom Publikum abgewandt. Die Anonymität der beiden soll gewahrt bleiben. Indessen ein Verweis zu einem anderen Prozess:

Damit ist die Verlesungsphase beendet - man macht wieder Pause, um 15 Uhr kommen dann die beiden Hauptzeugen dran.

Strassers Anwalt Kralik hätte gern, dass die Aussagen einer Zeugin der letzten Verhandlung verlesen wird - nochmals eine Mitarbeiterin des Ex-Parlamentariers. Die Rede ist vom Abänderungsantrag, von den Anfragen an Strassers Kollegen Karas und Ranner - laut der Zeugin habe Strasser nicht darauf bestanden, dass der Antrag eingebracht wird.

Das nächste Protokoll - wieder eine Assistentin Strassers. Der sitzt übrigens stoisch auf der Anklagebank und sieht der Richterin beim Verlesen zu. Die ehemalige Mitarbeiterin berichtet von dem Mail der Times, in dem ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme angeboten wurde - Strasser habe eine Antwort formuliert, die er sie lesen habe lassen. "Ich wollte inhaltlich nichts dazu sagen, ich habe nur Grammatik und Rechtschreibung ausgebessert."

Zu den Vorgängen davor sagt die Mitarbeiterin, dass ihr klar gewesen sei, dass Strasser zuvor einen Änderungsantrag über das Büro Karas habe einbringen wollen - und dies sei ihr seltsam vorgekommen. Erst nach dem Mail der Zeitung habe sich das Bild komplettiert.

Richterin Gnida verliest die Einvernahmeprotokole von Thomas Havranek, der gemeinsam mit Strasser an einer Firma namens CIN beteiligt war. Strasser hatte ihn beauftragt, Informationen über die angebliche Firma der beiden "Lobbyisten" - Bergman & Lynch - einzuholen. Aus Havraneks Protokoll: "Die ganze Geschichte war für mich nicht nachvollziehbar."

Weiters wird die Einvernahme einer Strasser-Mitarbeiterin aus dem EU-Parlament verlesen; sie zählt auf, was sie als Assistentin so für ihn gemacht hat. "Im Petitionsausschuss war er nicht so engagiert", sagt sie etwa; "da habe ich hin und aufpassen müssen." Zudem bestätigt sie, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass ein Mandatar für einen anderen abstimme.

Weiter bestätigt W., dass sie die Reservierung für das Treffen mit den beiden "Lobbyisten" vorgenommen habe - ob er jemals hinter den beiden Agenten vermutet habe? "Erst, als das Mail der Sunday Times eingetroffen sei", sagt die Mitarbeiterin laut Protokoll - die Zeitung hatte Strasser über eine bevorstehende Veöffentlichung informiert. Auch von privaten Geschäften Strassers wisse sie nichts.

Und zur weiteren Auflockerung hier ein Eindruck, wie es im Gerichtssal aussieht - Strasser ist zwar ohne Krücken und Gipsfuß, aber noch mit verbundenem Bein erschienen.

Es geht weiter - weil die Vernehmung des Angeklagten nicht so lang wie geplant gedauert hat, werden nun Protokolle und Einvernahmen verlesen. Bis 15 Uhr - dann werden die beiden britischen Journalisten per Video befragt.

Zur Überbrückung bis dahin mal ein Porträt des Angeklagten:

"Das kann ein Praktikant nach drei Wochen erzählen. Das ist eine Nullaussage," sagt Strasser auf die Frage der Staatsanwaltschaft, ob er die Gesetzgebung beeinflussen wollte, als er den Journalisten sagte, dass der zuständige Ausschuss gefragt werde müsse. Das sei ein normaler Vorgang der Gesetzgebung. Schmunzeln der anwesenden Journalisten im Saal.

Die Befragung Strassers ist zu Ende, man pausiert bis 13.30 Uhr.

Nach der Befragung des Anwalts, äußert sich nun wieder Richterin Gnida. "Stimmt es, dass Sie den Vertrag rückdatieren wollten?" Strasser: "Das war das Angebot des Journalisten und ich habe gesagt, darüber kann man reden." - "Warum?" - "Wenn halt so ein Angebot kommt, kann man doch darüber reden."

"Wo hat die Grenze angefangen?" Strasser meint, dass er erst mit tatsächlichen Aktionen die rote Line übertreten hätte. Er habe nur Informationen haben wollen. Politisch tätig wäre erst mit Entscheidungen und tatsächlichen Durchführungen im Parlament geworden.

"War außer den beiden genannten Terminen Geld jemals ein Thema?" Strasser: "Meines Wissens nach nicht." Stille im Saal.

Jetzt ist Strassers Anwalt Kralik dran. "Wollten Sie jemals diese Dinge machen?" Nein, stellt Strasser klar und wiederholt seine Verteidigungsstrategie. Nur geteasert hätte er die Journalisten, er habe nie etwas tatsächlich durchführen wollen.

Jeder Parlamentarier würde jeden Tag Dutzende Angebote bekommen. Spezialisten prüfen diese Angebote anschließend auf ihre "Vernünftigkeit". "Ein ganz normaler Vorgang im Parlament", wiederholt der Angeklagte.

Strasser schildert seine Vorgehensweise bei allen Gesprächen: Die beiden "Lobbyisten" würden etwas Konkretes fordern, er hätte das Gespräch immer wieder ins Generelle zurückgeführt - weg von dem, was ihm vorgeworfen werde. "Sie versuchen Versatzstücke herauszuziehen", sagt er in Richtung Staatsanwaltschaft.

Dass er von sich aus Claire Newell - eine der beiden Journalisten - angerufen habe und den 1.März als Deadline in puncto Anlegerschutzrichtline genannt habe, findet Strasser nicht seltsam. "Ich habe versucht, den Ball zurückzuspielen, dass die beiden mir Informationen geben", verweist Strasser wieder auf seine ursprüngliche Theorie - die Agentengeschichte. "Das war vielleicht bedeutend für Victoria - wei heißt sie - Newell. Für mich war das kein wichtiges Datum." Strasser widerholt zum Schluss nochmals, dass er das, was ihm vorgeworfen werde, nicht getan habe - er habe dies alles nicht durchgeführt: "Das ist alles nicht passiert."

"Ich habe immer eine rote Linie gezogen", sagt Strasser zum wiederholten Male - er habe immer strikt getrennt zwischen Lobbyisten- und Parlamentarier-Tätigkeit. Und die Befangenheit, was sei mit der? "Wie kommen Sie auf die Idee, mir vorzuwerfen, ich wäre befangen gewesen?", sagt Strasser. "Das ist mir unverständlich. Ich sage ja von mir aus im Video auch, ich habe anders abgestimmt, als der Klient das will."

Kurzer Themenwechsel: Während der Vernehmung Strassers tun sich übrigens im Gerichtssal noch andere Dinge - siehe hier:

Staatsanwältin Maruna will wissen, wie er seine Tätigkeiten trennen konnte - einerseit Lobbyist, andererseits als Parlamentarier. Ob er denn immer jemanden Dritten gefunden habe, der Angelegenheiten für ihn erledigt habe? Nein, sagt Strasser, er habe deutlich gesagt, dass er für "so etwas nicht zu haben" sei. In den Ausschüssen, in denen er selbst tätig gewesen sei, habe er niemals intervenieren können. Er hätte dies immer offenlegen müssen - auch gegenüber dem Parlament.

Staatsanwältin und Richterin beraten zudem gerade darüber, wie das Wörtchen "as" in einer Aussage zu lesen sei - entweder als "als" oder als "für". "It would be not ok to make a report as Mr. Florenz", verliest die Richterin - wem gegenüber wäre das nicht ok? "Das beginnt bei meinem eigenen Gewissen", sagt Strasser mit gewissem Pathos darauf. Er verweist erneut auf die "rote Linie", die er zwischen seinen Tätigkeiten ziehe.

Weiter im Takt: Ein Telefonat mit Jonathan Calvert, einem der beiden Times-Journalisten, ist jetzt Thema. Dieser fragt ihn bei dem Gespräch, ob er selbst einen Änderungsantrag einbringen könne - Strasser darauf: "Nein, aber ich kann jemand dafür finden."

Ob das seine Auffassung von Good Governance sei? "Ich habe nie jemanden beauftragt", wehrt sich Strasser beinahe laut. "Habe ich da je im Ansatz versucht?" Aber in Theorie wäre es durchaus möglich, meint Maruna - oder? "Ich habe nie daran gedacht, in irgendeiner Frage so etwas zu tun."

Maruna zitiert dann weiter aus dem Gespräch - Strasser sagt hierbei: "ich habe es versucht, ich habe aber niemanden gefunden." Ob er die Angelegenheit dann einfach selbst in die Hand genommen habe, fragt Maruna: "Nein, natürlich nicht."

Jetzt geht man über zu einem Gespräch, das Strasser angeblich für Red Bull mit einem Kommissionsmitglied geführt hat - "klar ist, dass ich im Auftrag von Hofherr für Red Bull gearbeitet habe, aber das kann ich nicht genau bestätigen." Dass er dabei als Member of Parliament aufgetreten sei, schließt Strasser natürlich aus - er trenne schließlich zwischen seinen Tätigkeiten.

Weiters habe Strasser für einen Klienten beim russischen Finanzminister intervenieren sollen, wirft die Staatsanwaltschaft unter Führung von Alexandra Maruna ihm vor - für die Lotterien. "Ich war nicht beim Finanzminister", sagt Strasser darauf. "Wenn das so wäre, dann würde ich nicht als MEP, sondern als Präsident der russisch-österreichischen Gesellschaft dort hin kommen."

Jetzt ist es soweit: Ernst Strasser hat den Saal betreten - heute ohne Krücken. Letzthin war er mit Gehhilfen aufgetaucht, da er ja einen Skuinfall erlitten hat.

Der ehemalige Innenminister hat sofort im Zeugenstand Platz genommen, die Befragung folgt. Richterin Helene Gnida und die Staatsanwaltschaft wollen Näheres über das Gespräch zwischen Strasser und den "Lobbyisten" wissen; Strasser meinte ja in seiner Verteidigung, er habe lediglich "beratend tätig sein wollen" - was denn genau "good governance" sei, die er da angeboten habe? "Die Grundlage für die Arbeit der Parlamentarier", sagt Strasser. "Dass ich zwischen meiner Arbeit als Parlamentarier und neben meinem Geschäft genau unterscheide."

Für die Staatsanwältin ist irritierend, dass er diese beiden Tätigkeiten in einer Person vereinige - "ich kann mich nicht zweiteilen", sagt der Angeklagte darauf.

Willkommen bei unserem Live-Blog aus dem Schwurgerichtssaal im Straflandesgericht Wien - zur Einstimmung das Video, das Ernst Strasser solche Probleme gemacht hat.