Politik/Inland

Foto-Verbot bei Kronzeugen-Auftritt

Der Eiertanz um die Zeugenaussagen der britischen Journalisten der Sunday Times, die den ehemaligen EU-Parlamentarier Ernst Strasser wegen Bestechlichkeit vor Gericht gebracht haben, hat ein (vorläufiges) Ende. „Claire Newell und Jonathan Calvert bitte eintreten“, spricht Richter Georg Olschak am Montag rein rhetorisch ins Mikrofon und murmelt hinterher: „Formell muss man sie ja aufrufen.“

Die Zeugen wollen unerkannt bleiben, um weiter undercover aufdecken zu können. Ob dafür ein Fotografierverbot reicht oder sie darauf bestehen, im Wiener Landesgericht „verhüllt“ aufzutreten, darüber gab es (englisch – deutsche) Verständigungsschwierigkeiten. Für den 13. Dezember sind sie neuerlich geladen, mit Zusage, dass keine Aufnahmen gemacht werden (siehe weiter unten).

Wie viel einfacher klappt doch das alles auf gut Österreichisch. „Mein Name ist Strasser, es warat wegen an Bestechungsversuch“: Das hätte der Angeklagte nach Ansicht des Richters zur Polizei sagen sollen, nachdem die als Lobbyisten getarnten Journalisten versucht hatten, ihn zu kaufen. 100.000 Euro im Jahr waren im Gespräch, dafür hätte Strasser für die unbekannten Auftraggeber hinter den angeblichen Lobbyisten Einfluss auf EU-Gesetze genommen.
Ex-ÖVP-Politiker Strasser sagt, er habe die beiden für Geheimdienstler gehalten und Material sammeln wollen. Nach seiner Erfahrung würden die Behörden ohne solches nicht tätig werden.

„Aber sie hätten ja nur eine Anzeige machen müssen. Die meisten Behörden waren ohnehin mit Ihren Parteikollegen besetzt“, sagt Olschak und fügt süffisant hinzu: „Seit Ihrer Zeit als Innenminister.“ Strasser weiß nicht, „was das miteinander zu tun hat“.

Weshalb er kein Gedächtnisprotokoll dieser auf ihn abzielenden angeblichen Geheimdienstaktion angelegt habe? „Den Vorwurf mache ich mir heute auch, dass ich nur eine Person eingeweiht habe, meine Lebensgefährtin Elisabeth.“ Als Zeugin aussagen will diese freilich nicht – und muss es auch nicht.

Hausaufgaben

Strassers Verantwortung, nur zum Schein mitgemacht zu haben, fällt – zumindest in den Augen der Anklägerin – wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna hat ihre Hausaufgaben gemacht und Strassers Angaben in den heimlich gefilmten Treffen mit den Journalisten überprüft. Er habe ihnen Lügengeschichten aufgetischt, um sie bei Laune zu halten, behauptet Strasser. Der damalige EU-Abgeordnete gab jedoch zahlreiche Details seiner tatsächlich stattgefundenen Lobbyinggeschäfte preis.
„Verrät man so etwas dem Geheimdienst?“, fragt Maruna. Er habe „Grenzen abgesteckt“ lautet Strassers schmallippige Rechtfertigung. Fortsetzung Dienstag.

Von einer „Verhüllung“ sei nie die Rede gewesen, sagen die beiden Undercover-Journalisten Jonathan Calvert und Claire Newell, die der KURIER in London erreicht hat. Sie wollen nur nicht, dass Fotos von ihnen im Internet erscheinen, weil das ihre Arbeit beeinträchtigt.
Richter Georg Olschak kündigte an, dass der Gerichtspräsident am 13. Dezember für die Dauer der Befragung der Zeugen ein Film- und Fotografierverbot im und vor dem Großen Schwurgerichtssaal verhängen werde. Wenn das garantiert sei, steht ihrer Aussage nichts im Weg, lassen sie wissen. Entscheiden müsse das aber der Anwalt der Sunday Times, sobald er die Konditionen aus Wien erhalten habe.
Bis zu ihrer Befragung können die Journalisten im Zeugenkammerl neben dem Großen Schwurgerichtssaal abgeschirmt werden. Darin hat auch Strasser am ersten Prozesstag längere Zeit Zuflucht gesucht, aber das Blitzlichtgewitter blieb ihm als Angeklagtem dann doch nicht erspart. Durch einen Seiteneingang betreten die Zeugen beim Aufruf direkt den Verhandlungssaal und können ihn nach abgelegter Aussage auf diesem Weg auch wieder verlassen.
Ehe dieses Prozedere über die Bühne geht, hat Jonathan Calvert aber die Folgen einer Hüftoperation zu überstehen. Ob er den Dezembertermin wahrnehmen kann, ist auch aus diesem Grund daher noch fraglich.
Das Gericht wird von den Zeugen auch eine Einschätzung hören wollen, wie bereitwillig Strasser sich auf das Angebot – Geld gegen Intervention auf das EU-Parlament – eingelassen habe.
Strassers Verteidiger Thomas Kralik sammelt inzwischen Munition gegen die Zeugen. Im Internet hat er recherchiert, dass Claire Newell früher für eine politische Behörde in London gearbeitet habe. Sie soll Unterlagen von dort an die Zeitung gespielt und deshalb entlassen worden sein. So habe sie den Job als Journalistin bekommen, besagen diese nicht auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüften Quellen.

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© BULLS PRESS / NI / SUNDAY TIMES

Wahlsieg
Im Juni 2009 gewinnt die ÖVP mit Spitzenkandidat Strasser die EU-Wahl.

Anbahnung
2010 nehmen die verdeckten Journalisten mit Strasser Kontakt auf. Dinner-Einladungen folgen.

Rücktritt
Am 20. März erscheint in der Sunday Times der doppelseitige Artikel „EU-Abgeordnete in Geld-für-Gesetze-Skandal entblößt“. Strasser tritt von allen Ämtern zurück.

Ermittlungen
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien und die EU-Korruptionsbehörde OLAF leiten noch im März 2011 Ermittlungen ein.

Politik reagiert
Das Justizministerium kündigt im April 2011 eine Verschärfung der Korruptionsbestimmungen an; Im Juni 2012 beschließt der Nationalrat diese.

Anklage
Am 9. August 2012 wird Strasser angeklagt. Der Prozess startete in Wien am 26. November