Politik/Inland

Rot-schwarze Schnittmengenlehre

Am Freitag soll das inhaltlich heiße Stück finalisiert werden: das Expertenpapier für die Steuerreform. Monatelang haben die von der Regierung beauftragten Fachleute bewertet, was Roten und Schwarzen vorschwebt. Die Berechnungen sind die Basis für die politischen Verhandlungen, die am Mittwoch beginnen. Über Weihnachten pausieren die Unterhändler.

Bundes- und Landespolitiker beider Couleurs werden danach versuchen, bis März 2015 handelseins zu werden. Ein schwieriges Unterfangen – vor allem was die Finanzierung der Reform betrifft. Die ÖVP verwahrt sich nach wie vor gegen jede Form der Vermögensbesteuerung, auf die die SPÖ besteht. Aber selbst dort, wo es auf den ersten Blick Überschneidungen gibt, ist noch vieles zu klären.

Steuerbetrugsbekämpfung

Da rechnen Rot wie Schwarz mit einer Milliarde Euro zur Finanzierung der Steuerreform. Die SPÖ will eine Registrierkassen- und eine Belegspflicht in der Gastronomie. Die Steuerexpertengruppe hält es für realistisch, damit eine Milliarde zu lukrieren. Der ÖVP-Wirtschaftsflügel ist aber gegen eine Registrierkassenpflicht. Er fürchtet den Zorn der Unternehmer; noch dazu ist im Frühjahr 2015 Wirtschaftskammerwahl. Wie wollen die Schwarzen auf eine Milliarde kommen? Finanzminister Hans Jörg Schelling hat bisher nur Schlagworte genannt: Steuerbetrug sollte international stärker bekämpft, gegen Sozialbetrug und Scheinfirmen strenger vorgegangen werden und "Schlupflöcher im Steuersystem" sollten geschlossen werden.

Steuerausnahmen

Derzeit gibt es mehr als 500, z. B. Freibeträge und Pauschalierungen. Es sollen weniger werden. Zusätzlich soll die zehnprozentige Mehrwertsteuer auf bestimmte Güter (Bücher, Hotelnächtigungen, Öffi-Tickets etc.) steigen. Bei der Summe, die SPÖ und ÖVP holen möchten, sind sie nicht weit auseinander (830 Millionen versus 900 Millionen). Wie sie konkret auf diese kommen wollen, sagen sie vorerst nicht. Vielleicht auch deshalb, um nicht schon jetzt Protest auszulösen: von jenen, die betroffen wären.

Verwaltung & Förderungen

Die ÖVP ortet doppelt so viel Einsparvolumen (zwei Milliarden) wie die SPÖ (eine Milliarde). In der Verwaltung sind für die Schwarzen 600 Millionen jährlich zu lukrieren, bei Förderungen 500 Millionen; die Länder sollen 900 Millionen beisteuern. Die SPÖ nennt diese drei Bereiche ebenfalls, quantifiziert sie aber nicht einzeln. Da werden die Polit-Verhandlungen besonders hart: Nicht nur SPÖ und ÖVP wollen die je eigene Klientel schonen. Auch rote wie schwarze Landeshauptleute warnen bereits: Ein "Sonderopfer der Länder" werde es nicht geben. Bund, Länder und Gemeinden müssten gleichermaßen beitragen.

Was die Sache enorm erschwert: 2015 wird in vier Ländern (Wien, Oberösterreich, Burgenland, Steiermark) gewählt. Mit Michael Häupl, Josef Pühringer und Hans Niessl sitzen drei Landeshauptleute in der koalitionären Verhandlungsgruppe, die vor ihren Wahlen wohl nichts Unpopuläres verkünden wollen.

Selbstfinanzierung

Da sind sich SPÖ und ÖVP weitgehend einig. Beide Parteien glauben, dass viele Bürger sofort ausgeben, was ihnen die Steuerreform bringt. Durch niedrigere Lohn- und Einkommenssteuersätze wird netto ja mehr übrig bleiben. Vor allem jene Menschen, die wenig verdienen, werden das zusätzliche Geld verkonsumieren. Die SPÖ geht davon aus, dass das dem Staat (durch höhere Mehrwertsteuereinnahmen) eine Milliarde bringt. Die ÖVP kalkuliert mit 900 Millionen. Grund für die Differenz: Die Roten wollen die Lohnsteuer stärker senken als die Schwarzen. Das SPÖ-Modell würde die Bürger stärker entlasten; daher könnten sie mehr ausgeben.

ÖGB-Boss Erich Foglar appelliert an Rot und Schwarz, nun in medias res zu gehen – und kompromissbereit zu sein: Die Vorschläge beider Parteien seien "eine taugliche Grundlage für die Verhandlungen". Tabus dürfe es da wie dort nicht geben – vor allem nicht für die ÖVP in Sachen Vermögenssteuern.

WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller hält von einer Vermögenssubstanz-Besteuerung nichts; auch deshalb, weil dadurch Vermögen aus Österreich transferiert würde. Eine Erbschaftssteuer, die es in 19 der 28 EU-Länder gibt, befürwortet sie aber.