SPÖ-Parteitag bringt historische Schlappe für Rendi-Wagner
Das Ergebnis für die Bundesparteichefin war dann doch deutlich schlechter, als es die gute Stimmung am Parteitag vermuten ließ. Oder die vermeintlich gute Stimmung.
Pamela Rendi-Wagner schaffte bei ihrer Premiere, beim Parteitag in Wels 2018, 97,8 Prozent.
Bei ihrer ersten Wiederwahl an diesem Samstag, den 26. Juni 2021, blieben dann nur mehr 75,3 Prozent für die Parteivorsitzende.
Sie selbst hatte sich als Latte, die es zu Überspringen galt, auf 71,4 Prozent gelegt. Genau das war das Ergebnis der von ihr angestoßenen Mitgliederbefragung. Dass nun gleich jeder Vierte Delegierte Rendi-Wagner am Wahlzettel "strich", dürfte noch für Wirbel sorgen. Mutmaßlich sollen es die burgenländischen und niederösterreichischen und ein paar steirische Parteifreunde gewesen sein, die Rendi-Wagner die Zustimmung versagten.
Ganz zum Schluss, nach der Demütigung und den großen Fragen, ob Rendi-Wagner gar hinschmeißt, stellte sich die Bundesparteichefin noch einmal ans Rednerpult.
Gibt sie w.o.?
Keineswegs, die Delegierten, die um 19 Uhr noch da waren, bejubelten ihre Worte lautstark:
"Eine Wahl ist immer auch ein Auftrag an die die gewählt wird, begann sie. "Für meinen Teil kann ich euch versprechen, dass ich mit aller Kraft weiter dafür kämpfen werde, dass es mehr soziale Politik geben wird, mehr Demokratie, dass es mehr soziale Gerechtigkeit geben wird, und mehr Verteilungsgerechtigkeit. Und dass es den Frauen bessergeht, und den Pensionistinnen besser gehen wird."
Und dann, an ihre unbekannten Kritiker gerichtet: "Und das machen nur wir, und das geht nur gemeinsam und mit Zusammenhalt. Dafür stehe ich und werde weiter dafür arbeiten. Das verspreche ich. Wir werden gemeinsam und geschlossen diesem kalten türkisen System die Stirn bieten."
Ob das ein versöhnliches Ende des Parteitages war?
Dabei begann der 45. Bundesparteitag vor allem mit schönen, lobenden Worten.
"Wir wünschen uns eine Bundesregierung mit dir, Pam, an der Spitze - und das könnte schneller der Fall sein als wir glauben."
Am Beginn machte Hausherr und Bürgermeister Michael Ludwig den Einpeitscher für Pamela Rendi-Wagner. Die erste Frau an der Spitze der SPÖ stellt sich zum ersten Mal der Wiederwahl. Und der Wiener Landeshauptmann streute ihr vorab Rosen: "Wir haben das Glück an der Spitze der Partei eine Frau zu haben, die mit ruhiger Hand agiert und nicht PR-getrieben ist."
Rendi-Wagner habe in der Pandemie "jene Vorschläge gemacht, die am besten für die Menschen sind". Und was die türkise Kanzlerpartei treibe, funktioniere auf Dauer nicht: "Im Endeffekt kann man die Bevölkerung immer nur eine Zeit lang hinters Licht führen."
Ludwig plädierte unter anderem dafür, das Arbeitslosengeld nicht zu kürzen, sondern sich vermehrt um jene Menschen zu kümmern, die die Krise arbeitslos gemacht habe. Und es könne zudem nicht sein, dass die kleinen Arbeitnehmer, die ohnehin schon 80 Prozent der Steuerlast tragen, auch die Kosten für die Krise übernehmen.
Rendi-Wagner: „Mit dem türkisen System ist kein Staat zu machen“
Parteichefin Pamela Rendi-Wagners Rede wurde eine Mischung aus Kritik am „System Kurz“ und ihren inhaltlichen Vorstellungen für das Land. Scharf und wiederholt zitiert sie vor allem aus den Chatprotokollen, die aus dem Ibiza-Untersuchungsausschuss bekannt wurden. Dass der inzwischen abgetretene ÖBAG-Chef Thomas Schmid die Bürger als "Pöbel" oder "Tiere" bezeichnet habe, sei schockierend und absurd gewesen.
Klar sei damit aber auch: "Mit dem türkisen System Kurz ist kein Staat zu machen". Und: Mit ihr werde es keine Koalition mit der ÖVP und Sebastian Kurz geben.
Knapp 50 Minuten dauerte die Rede der Parteichefin, die definitiv mehr Pepp hatte, als ihre erste Rede beim Parteitag in Wels 2018, auch wenn ein wenig der Punch fehlte. Zuerst eine Absage und Abrechnung mit den Regierenden, auch von den Grünen sei sie enttäuscht, von den Blauen schockiert und die Neos seien "eh lieb".
Und dann ihre "Ansagen": die Kosten der Krise dürfe nicht wieder an den arbeitenden Vielen, an den "Kleinen", hängen bleiben. Die Massenarbeitslosigkeit sei skandalös, eine Arbeitszeitverkürzung für mehr Beschäftigung nun notwendig.
Und: "Erben ist keine Leistung", Rendi-Wagner sprach sich einmal mehr klar für Erbschafts- und Vermögenssteuern ein.
Fabelhafte 98 Prozent
Im September 2018 ist Rendi-Wagner mit 98 Prozent gewählt worden – ein Fabel-Ergebnis.
Der frühere Bundeskanzler und Bundesparteichef Franz Vranitzky sagte zu Beginn des Parteitags im Gespräch mit dem KURIER, dass Rendi-Wagner die Partei zweifelsohne stabilisiert habe. "Jetzt müssen wir uns aber wieder breiter präsentieren und nicht nur die Epidemie thematisieren." Frei nach dem im Fußball geltenden Motto "Jetzt geht's los" liege es an der Sozialdemokratie, "die unübersehbaren Schwächen der türkisen Kanzlerpartei" aufzuzeigen - das will Rendi-Wagner in ihrer auf eine Dreiviertelstunde anberaumten Rede auch tun.
Inhaltlich stehen zehn Leitanträge im Mittelpunkt, in denen unter anderem eben eine Arbeitszeit-Verkürzung, Reichen- und Erbschaftssteuern sowie die Abschaffung von Selbstbehalten im Gesundheitswesen gefordert werden. Die Anträge gibt es übrigens erstmals nicht in Papierform, sie sind nur auf einer eigens eingerichteten Website parteitag.spoe.at abrufbar.
Der Parteitag konnte in Präsenz abgehalten werden. Es herrschte am Veranstaltungsort die 3G-Regel. Masken durften nur am Sitzplatz abgenommen werden. Gäste waren nur eingeschränkt vor Ort zugelassen, darunter neben dem Ehemann der Vorsitzenden Alt-Bundespräsident Heinz Fischer zahlreiche ehemalige Minister wie Peter Jankowitsch, Lore Hostasch und Hannes Androsch.
Grußbotschaften per Video kamen unter anderem von den Ministerpräsidenten Spaniens, Dänemarks, Schwedens und Portugals, Pedro Sanchez, Mette Frederiksen, Stefan Löfven und Antonio Costa.
Der Programmabaluf laut Pressedienst sieht so aus:
10:00 Uhr Eröffnung
10:15 Uhr Rede Bürgermeister Michael Ludwig
10:30 Uhr Rede der Bundespartei- und Klubvorsitzenden Pamela Rendi-Wagner
11:20 Uhr Berichte des Kassiers und der Kontrolle
11:30 Uhr Diskussion zu den Berichten
13:30 Uhr Wahl des Bundesparteivorstandes, des Bundesparteipräsidiums, der Kontrollkommission und der Schiedsgerichtsbeisitzer*innen
14:15 Uhr Anträge und Resolutionen, Bericht Wahlergebnis
18:15 Uhr Schlussworte Lied der Arbeit Internationale