Politik/Inland

ÖVP-Chef Nehammer vor Sondierungen: "Kickl ist gescheitert"

Heute starten die ersten Sondierungsgespräche zu einer neuen Regierungsbildung. ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer ist von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt worden, mit der SPÖ und deren Vorsitzendem Andreas Babler gibt es dazu erste Gespräche. Es sollen Rahmen und grobe Inhalte geklärt werden.

Vor dem Treffen mit Babler nutzte Nehammer einen Auftritt, um daran zu erinnern, dass er anders vorgegangen wäre als Van der Bellen. 

So wiederholte Nehammer, dass er selbst vorgeschlagen habe, dem Chef der stimmenstärksten Partei, also Herbert Kickl, den Auftrag für eine Regierungsbildung zu erteilen. 

"Der Bundespräsident hat anders entschieden", sagte Nehammer. 

Und nachdem von Alexander Van der Bellen angeregte Gespräche zwischen FPÖ, ÖVP und SPÖ ergeben hätten, dass die FPÖ im Parlament keine Mehrheit für eine Regierung schaffe, sei er, Nehammer, mit der Regierungsbildung beauftragt worden. "Herbert Kickl ist gescheitert."

Nach dieser neuerlichen Klarstellung sprach der Bundeskanzler über eine Demonstration, die ihn "bewegt" - allerdings im negativen Sinne: Am 9. November wollen Regierungskritiker, Maßnahmengegner und FPÖ-Sympathisanten unter dem Motto "Macht euch bereit!" in Wien demonstrieren. 

"Ich bin entsetzt und betroffen und halte das für eine ungeheuerliche Provokation", sagt Nehammer. "Am 9. November 1938 war der Höhepunkt der Novemberpogrome." Dieser Tag sei ein Gedenktag. "SA und SS sind durch die Straßen gezogen und haben Geschäfte geplündert und angezündet, jüdische Mitbürger erniedrigt, verschleppt, misshandelt." 

An jedem anderen Tag könne man demonstrieren, aber sich ausgerechnet diesen Tag auszusuchen, sei ein Schlag ins Gesicht der freien Gesellschaft. Überhaupt sei das Motto zu hinterfragen. "Wofür sollen sich die Menschen bereit machen?", so Nehammer. 

Zurück zu den Verhandlungen: Auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger und seinen bisherigen Koalitionspartner, Grünen-Chef Werner Kogler, trifft Nehammer heute.

Wo und wann genau die Treffen stattfinden, wurde nicht bekannt gegeben. Nehammer hatte zuletzt angedeutet, eine Dreier-Koalition anzustreben, peilt er doch eine "stabile, von einer breiten Mehrheit im Nationalrat getragene Bundesregierung" an. ÖVP und SPÖ hätten zu zweit nur ein Mandat Überhang. Die besseren Karten als dritte Partei im Koalitionspoker haben die Neos, denn in der ÖVP ist man nach fünf gemeinsamen Jahren auf die Grünen nicht mehr gut zu sprechen.

Der geschäftsführende VP-Klubchef August Wöginger hatte sich am Donnerstag nach der Fraktionssitzung seiner Partei bezüglich Vorstellungen und Knackpunkten bei den Verhandlungen mit der SPÖ bedeckt gehalten. VP-Obmann Nehammer sei nun nach der Beauftragung durch den Bundespräsidenten am Zug. Wichtig sei nun, eine tragfähige Regierung zusammenzubringen. Dass man mit FPÖ-Chef Herbert Kickl nicht zusammenarbeiten werde, habe man schon vor der Wahl klargestellt.

Zufälliges Treffen

Ein kurzes schwarz-rotes Treffen gab es schon am Mittwoch, allerdings zufällig. Wöginger begegnete am Weg zu seinem Pressestatement seinem roten Pendant Philip Kucher, was man für einen herzlichen Handschlag nutzte.

Bei den Verhandlungen müsse man in einem ersten Schritt einmal die großen Handlungsfelder außer Streit stellen, gab der frisch zum ersten Stellvertreter von Klubchef Andreas Babler gekürte Philip Kucher als Losung aus. Die Herausforderungen seien groß, so Kucher mit Verweis auf Konjunktur, steigende Arbeitslosigkeit und das klamme Budget. 

"Deswegen geht es für uns als SPÖ jetzt nicht irgendwie um Parteitaktik, dass wir sozusagen unbedingt Teil der Regierung sein wollen, sondern es geht ganz real um die Verantwortung für die Republik." Verknüpft sei das mit der Bedingung, dass den Parteien miteinander Antworten und Lösungen für die großen Herausforderungen finden können, vor denen Österreich stehe.