Sobotka übergab 17 österreichische Staatsbürgerschaften in London
Von Andreas Schwarz
„Als wir die EU verlassen haben, fühlte ich mich betrogen“, sagt Rowan Ibbotson und nennt einen der Gründe, warum sie das Angebot, neben der britischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft zu tragen, angenommen hat. Die 20-jährige ist eine von 17 Briten, die am Montagabend in der österreichischen Botschaft in London im Beisein von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Unterrichtsminister Martin Polaschek Österreicher wurden – im Zuge der 2019 per Gesetz ermöglichten Staatsbürgerschaftserlangung für Holocaust-Verfolgte und deren direkte Nachkommen.
„Meine Mutter wurde 1939 mit dem Kindertransport nach England gebracht“, erzählt Tara Carrington-Hull, die mit ihren Kindern Joseph (10) und Rowan (12) das neue Dokument erhalten hat. „Sie starb vor drei Jahren – und sie wäre sehr stolz, dass wir jetzt ein bisschen nach Hause gekommen sind.“ Nach Hause ist Österreich, trotz des Leides, das die Vorfahren dort unter der Nazi-Herrschaft erlitten.
Auch Toby Herschmann sieht die Annahme der Staatsbürgerschaft wie ein „Zurück zu den Wurzeln des Vaters und des Großvaters“. Und lauscht aufmerksam den Worten Wolfgang Sobotkas, der davon spricht, dass „wir in Österreich auch Täter waren“. Das sei später für die Bevölkerung hart gewesen, zu erkennen. Es sei der Nationalfonds gefolgt, der die Rückgabe von Eigentum an von den Nazis enteignete Juden regelte, „aber das war nicht genug: Jetzt können wir ein bisschen Heimatland in Form von Staatsbürgerschaften zurückgeben“, so Sobotka.
Ein bisschen schwingt bei den meisten neuen Österreichern auch die Freude darüber mit, wieder ein Teil (EU-)Europas sein zu können. Vor allem, dass den Kindern trotz Brexits jetzt wieder alle Türen offen stehen in Europa. Das zeigen auch die Zahlen: 22.000-mal wurde bisher weltweit das Angebot der Republik angenommen, 13.500 Fälle wurden positiv erledigt – davon kamen allein 3.500 Anträge und 2.300 positive Erledigungen aus Großbritannien.
Für Sobotka war der Abend mit den Neo-Österreichern einer der Höhepunkte seines zweitägigen London-Aufenthalts. Neben Prinz Charles und Ex-Premier Theresa May, mit der er über die Ukraine und das britische Ruanda-Memorandum sprach (wer in Großbritannien Asyl sucht, soll künftig in Ruanda auf die Bewilligung seines Antrags warten), traf Sobotka auch Lindsay Hoyle, den Speaker des Parlaments und damit sein britisches Pendant.
Parlament in "unorder"
Unvermeidlich bei diesem Treffen auch die überfällige und stockende Sanierung des britischen Stolzes an der Themse, des Parlamentsgebäudes: Risse in den Decken, Wasserschäden, undichte Fenster: „Es könnte heute niederbrennen oder morgen oder an irgendeinem Tag“, meinte jüngst eine Ex-Ministerin .
Viel Rat konnte Sobotka mit der Erfahrung der Parlamentssanierung in Wien nicht geben. Denn die Kosten in London liegen bei geschätzt 15 Milliarden Euro (Bauzeit: 19 bis 28 Jahre), aber nur, wenn die Abgeordneten die Gebäude 12 bis 20 Jahre verlassen. Das wollen sie aber nicht, weshalb sich Bauzeit und Kosten verdoppeln bis verdreifachen würden. Da fährt man mit einem bald fertigen Parlament in Wien trotz Verzögerung und Kostenexplosion von 350 auf geschätzt 420 Mio. Euro wieder gerne nach Hause.
Sobotka traf auch Prinz Charles
Sobotka ist bei einem Besuch in London nicht nur mit seinem Amtskollegen Lindsay Hoyle, sondern auch mit Thronfolger Prinz Charles zusammengetroffen. Wie die Oberösterreichischen Nachrichten berichteten, übergab der Hobbygärtner dem Royal eine selbst gezüchtete Rose.