Politik/Inland

Sind Umfragen nur ein Würfelspiel?

Nach den Wahlen in Kärnten, Tirol und Salzburg setzte das Lamento laut wie nie zuvor ein: Die Wahlumfragen lagen wieder völlig daneben, ob beim Totalabsturz der FPK in Kärnten, dem Doch-nicht-Absturz der ÖVP in Tirol oder dem starken Ergebnis der Grünen in Salzburg.

Die Gründe dafür sind vielfältig (siehe Analyse), tatsächlich sind die „Sonntagsfragen“ für Parteistrategen nur bedingt aussagekräftig. „Dabei sind nur die Rohdaten (Prozent-Ergebnisse der Parteiangaben) interessant, weil sie Trends zeigen. Aber daran soll man nur riechen, nicht davon trinken“, sagt ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch.

Betriebsgeheimnis

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Die Hauptarbeit der Umfrageinstitute für die Parteien ist eine andere: „Es geht vor allem um Information, Kommunikation und die Analyse“, erklärt Wolfgang Bachmayer, Chef des Meinungsforschungsinstituts OGM, der als Einziger den Machtwechsel in Salzburg von Rot zu Schwarz im KURIER prognostizierte. Abgefragt wird etwa, welche Themen den Wählern wichtig sind, wie diese erreicht und gewonnen werden können, oder wie die Spitzenkandidaten bei Wählern wirken. Und natürlich können sie Schwächen der gegnerischen Kandidaten aufdecken – Stichwort „dirty campaigning“. Der größte Teil dieser Ergebnisse bleibt unter Verschluss – quasi als Betriebsgeheimnis.

Als effektiv entpuppte sich eine VP-Analyse kurz vor der Tiroler Wahl: „Wir erkannten, dass die Wähler stabile Verhältnisse wollen“, sagt Rauch. So wurde der Slogan „Keine italienischen Verhältnisse“ plakatiert – und die Volkspartei konnte einen Absturz verhindern. „Damit hatten wir das Momentum auf unserer Seite.“

Schief gegangen ist für die SPÖ zuletzt die Abstimmung über ein Berufsheer. „Darabos hat da einen schweren Fehler gemacht, weil er die Fragestellung schlecht verhandelt hat“, sagt ÖVP-Mann Rauch. Die Volksbefragung hatte das Berufsheer und den Zivildienst zum Thema, „aber hätten wir nur nach dem Berufsheer gefragt, wäre das Ergebnis knapper geworden“, sagt Rauch. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos gibt hier „sehr zu meinem Leidwesen“ seinem Konkurrenten recht. Für ihn sind Umfragen schon deswegen wichtig, weil „sie uns helfen zu verstehen, was die Menschen beschäftigt – und wie wir diese Themen besetzen. Kernthemen wie Arbeit, Wohnen oder Soziales sind nach wie vor vor allem durch die SPÖ besetzt.“

Die Grünen sehen das etwas kritischer, „wir machen keine von Meinungsforschung getriebene Politik“, sagt Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner. „Umfragen alle 14 Tage machen zu lassen, wäre uns aber auch zu teuer.“ Dass die Grünen aus ihren Umfragen dennoch die richtigen Schlüsse ziehen, habe die Wahl in Salzburg gezeigt. „Da hatten wir das Momentum als korruptionsfreie Partei auf unserer Seite.“

Die Sonntagsfrage („Was würden Sie wählen, wenn am Sonntag Wahl ist?“) hat für die Wahlkampfstrategen nur einen geringen Stellenwert. Sie wissen um die Probleme der Forscher Bescheid:

Die Parteibindungen lösen sich immer mehr auf, es gibt immer weniger Stammwähler. Die Zahl der Wechselwähler steigt, diese wechseln häufig die Meinung und entscheiden sich oft erst spät.

Die Wahlbeteiligung sinkt, im Umfragen geben die Menschen aber nur ungern zu, dass sie nicht wählen gehen werden. Als Faustregel der Meinungsforscher gilt: Wenn zehn Prozent sagen, sie gehen nicht hin, muss man von dreißig Prozent ausgehen. Die Schwierigkeit ist zu erkennen, welche der Befragten die Nichtwähler sind.

Wie wird das Volk befragt? Wähler am Festnetz repräsentieren andere Gruppen als jene, die am Handy erreicht werden: Am Festnetz antworten eher Ältere und weniger Gebildete, per Handy sind die Befragten eher jung, mobil und daher für ausführliche Interviews schwer verfügbar. Größte Probleme sehen Experten in Internet-Umfragen, diese sind nur wenig repräsentativ – weil man zumindest einen PC benötigt.

Umfragen kosten Geld, gründliche Umfragen kosten viel Geld. „Methodisch gute Umfragen kosten in etwa 15.000 bis 20.000 Euro“, bestätigt OGM-Experte Wolfgang Bachmayer. Aus Kostengründen werden Methoden, die Fehler minimieren, oft nicht angewandt – etwa mehrfache Rückfragen in einem Gespräch oder ob das Wahlvolk bei Umfragen wirklich abgebildet ist. Grün-affine Bürger sind zum Beispiel viel eher bereit, zu antworten als FPÖ-Wähler, was in den vergangenen Jahren häufig zu einer Überdeklaration der Grünen in Umfragen geführt hat („Grüne als Umfrageweltmeister“).

Umfragen sind keine Prophezeiungen, sondern Momentaufnahmen – sie bilden Tendenzen, die sich bis zum Wahltag ergeben, nicht ab.

Erfahrungswerte passen nicht oder sind bei neuen Parteien nicht vorhanden. Dieses neue Phänomen erleben die Forscher mit neuen Parteien – etwa beim Team Stronach: Das hatte in Tirol 3,5 Prozent in den Rohdaten und beim Wahlergebnis 3,4 Prozent. In Niederösterreich hatten sie auch nur 3,8 Prozent in den Rohdaten – aber 9,8 Prozent beim Ergebnis.