"Es geht nicht um mich, es geht um Österreich": Die Kurz-Rede im Wortlaut
Sieben Minuten und 20 Sekunden. Nach dem Hickhack der vergangenen Tage gab Sebastian Kurz am Samstagabend in aller Kürze seinen Rückzug als Bundeskanzler bekannt.
Lesen Sie hier die gesamte Rede im Wortlaut.
"Seit dem Tag, an dem ich begonnen habe mich politisch zu engagieren, habe ich immer versucht, meinen Beitrag für Österreich zu leisten. In den letzten zehn Jahren durfte ich als Staatssekretär, als Außenminister und zuletzt als Bundeskanzler unserem wunderschönen Land dienen.
Insbesondere die letzten eineinhalb Jahre – das haben Sie alle mitverfolgt – waren extrem fordernd für die gesamte Bundesregierung und insbesondere für mich. Denn wir haben gemeinsam das Beste gegeben, die Pandemie zu bekämpfen, die Wirtschaft zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu helfen.
Sie haben alle mitbekommen, dass in den letzten Tagen strafrechtliche Vorwürfe gegen mich erhoben worden sind.
Diese Vorwürfe stammen aus dem Jahr 2016. Sie sind falsch. Und ich werde das auch aufklären können, davon bin ich zutiefst überzeugt.
Es ist etwas, das viele Spitzenpolitiker schon erleben mussten. Im Inland und im Ausland. Was diesmal anders ist, ist, dass der Koalitionspartner sich dazu entschlossen hat, sich klar gegen mich zu positionieren.
Viele sagen zu mir: Das ist ungerecht. Und sehr geehrte Damen und Herren: Sie können sich vorstellen, ich persönlich wäre auch dankbar, wenn die Unschuldsvermutung wirklich für alle Menschen im Land gelten würde.
Vermischt werden diese strafrechtlichen Vorwürfe mit SMS-Nachrichten, die ich in der Hitze des Gefechts geschrieben habe. Manche davon sind Nachrichten, die ich so definitiv nicht noch einmal formulieren würde.
Aber ich bin eben auch nur ein Mensch – mit Emotionen. Und auch mit Fehlern.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich gebe zu, in so einer schwierigen Zeit wie in diesen Tagen bin ich extrem dankbar über all den Rückhalt, den ich hier erleben darf innerhalb der Volkspartei, in allen Bundesländern, in allen Teilorganisationen. Und ich bin auch zutiefst dankbar für den Zuspruch, den ich von vielen in der Bevölkerung erhalten habe.
Ganz besonders möchte ich mich bei allen bedanken, die in den letzten Tagen, in diesen schwierigen Tagen, meiner Familie und mir sehr viel Kraft gegeben haben.
Nichtsdestotrotz – und darum geht es eigentlich – befinden wir uns nun in einer Zuspitzung zwischen beiden Koalitionsparteien und damit in einer Pattsituation.
Und das, wo wir in Österreich noch immer in einer sehr sensiblen Phase sind.
Die Pandemie ist noch nicht vorüber, der wirtschaftliche Aufschwung hat gerade erst begonnen und das Budget und die ökosoziale Steuerreform, die sind zwar ausverhandelt, aber noch lange nicht beschlossen.
In dieser durchaus kritischen Phase wäre es meiner Meinung nach unverantwortlich in Monate des Chaos oder auch des Stillstands zu schlittern. Und genauso wäre es – das ist nur meine Sicht der Dinge – auch unverantwortlich die Regierungsverantwortung in eine Vierparteienkoalition, ein Experiment zu übergeben, das dann am Ende des Tages auch noch von Herbert Kickls Gnaden abhängig ist.
Was es braucht, ist meiner Meinung nach Stabilität und Verantwortung, damit wir diese Phase der Pandemie noch bestmöglich bewältigen und damit wir auch sicherstellen, dass der wirtschaftliche Aufschwung, der gerade gestartet hat, bei allen Menschen ankommt und alle davon profitieren – insbesondere kleine und mittlere Einkommen und natürlich Familien.
Das Regierungsteam der Volkspartei, das hat mir zugesichert im Falle meiner Abwahl sofort selbst das Amt zu verlassen. Und ich gebe zu, ich bin für diese Loyalität und auch für diese Solidarität extrem dankbar, das ist keine Selbstverständlichkeit in einem so großen Team.
In so einer schwierigen Zeit sollte es jedoch aber niemals um persönliche Interessen, um Parteiinteressen oder politische Taktiken gehen.
Denn mein Land ist mir wichtiger als meine Person. Und was es jetzt braucht, sind stabile Verhältnisse.
Ich möchte daher, um die Pattsituation aufzulösen, Platz machen, um Chaos zu verhindern und Stabilität zu gewährleisten. Ich habe das Regierungsteam der Volkspartei ersucht, die Arbeit unbedingt fortzusetzen. Und ich habe als Obmann der Volkspartei – wir sind die stimmenstärkste Partei – den Bundespräsidenten Alexander Schallenberg als neuen Regierungschef vorgeschlagen.
Alexander Schallenberg hat nicht nur gute Arbeit als Außenminister geleistet, er hat auch schon in der Übergangsregierung eine wichtige Rolle eingenommen. Und ich glaube, er verfügt auch über das notwendige diplomatische Geschick, das es vielleicht braucht, damit wir alle innerhalb der Koalition zwischen den Koalitionsparteien Vertrauen wieder aufbauen.
Das Land braucht eine Regierung, die mit stabiler Hand regiert. Und ich selbst werde als Parteiobmann und Klubobmann ins Parlament zurückkehren und versuchen, meinen Beitrag zu leisten.
Vor allem aber, werde ich selbstverständlich auch die Chance nützen, die Vorwürfe, die gegen mich erhoben worden sind zu entkräften und zu widerlegen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich gebe zu, der Schritt ist kein leichter für mich. Und viele sagen mir den ganzen Tag über heute schon: Ich soll mir das nicht gefallen lassen. Nicht von der Opposition und auch nicht von unserem Koalitionspartner.
Aber es geht nicht um mich, es geht um Österreich. Es geht um Sie alle, meine Damen und Herren. Denn Sie alle haben es sich verdient, dass die Politik sich nicht nur mit sich selbst beschäftigt, sondern dass die Politik für die Menschen im Land arbeitet. Das war immer mein Zugang. Das ist heute mein Zugang. Und das wird auch in Zukunft mein Zugang sein. Vielen Dank."