Politik/Inland

Schlagabtausch im Heeresstreit

Der Text für die Bundesheer-Volksbefragung steht fest. Am 20. Jänner 2013 – heute, Sonntag, in 19 Wochen – sollen die Österreicher entscheiden: Zur Wahl stehen die Modelle von Rot und Schwarz. Die SPÖ will ein Berufsheer einführen, die ÖVP die Wehrpflicht in modernisierter Form beibehalten. Gefragt wird: "Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres?" oder "Sind Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes?" Erforderlich ist nun noch, dass der Nationalrat die Volksbefragung beschließt und danach Bundespräsident Heinz Fischer die Befragung anordnet. Die Regierung will das Ergebnis des Volks-Plebiszit auch im Fall einer niedrigen Wahlbeteiligung umsetzen.

Der KURIER stellte VP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und SP-Verteidigungsminister Norbert Darabos, die die Volksbefragung verhandelt haben, die gleichen Fragen zum ersten Argumente-Vergleich. Der letzte Teil der KURIER-Serie leuchtet zudem aus, welche Spitzenpolitiker die Habt-Acht-Stellung übten – und wer es lieber zivil anging

Darabos: "Qualität würde noch besser werden"

Alle Inhalte anzeigen

Was will die SPÖ? Verteidigungsminister Darabos setzt auf ein Profiheer. Kurz nach der Einigung zur Volksbefragung hat der KURIER den Verteidigungsminister zum Interview gebeten.

KURIER: Warum soll Österreich das Modell der allgemeinen Wehrpflicht aufgeben?

Norbert Darabos: Weil schon 21 von 27 EU-Staaten auf ein Berufsheer umgestellt haben und weil das in einem friedlichen Europa ein zeitgemäßes und gutes Konzept ist. Es entspricht den heutigen Herausforderungen einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Es ist der richtige Weg, weil wir gemeinsame Aufgaben zu bewältigen haben. Ähnliche Systeme erleichtern uns, diese gemeinsam zu bewältigen.

Bei internationalen Einsätzen schicken wir ohnehin immer nur die Profis. Würde sich durch eine Reform zum Profiheer etwas ändern?

Bei internationalen Einsätzen sind wir sehr gut aufgestellt, nicht nur bei der Quantität der Soldaten, auch bei der Qualität sind wir ganz weit vorne. Die Mischvariante aus Berufssoldaten und Milizsoldaten wird auch in Zukunft so bleiben. Bei meiner Ausformung einer Profimiliz würde die Qualität noch besser werden.

Dennoch sind derzeit beim Bundesheer zu viele "Häuptlinge" und zu wenig "Indianer", gut die Hälfte der Grundwehrdiener sind nur Systemerhalter, die servieren, putzen, Auto fahren oder Wache schieben. Die Ausrüstung ist teils mangelhaft. Ist das Bundesheer so oder so ein Fall für einen Neustart?

Notwendig ist eine Reform auf jeden Fall, da müssen wir neue Wege bestreiten. Leider gibt es auch innerhalb des Bundesheeres viel Widerstand, weil jeder Reformprozess von Beharrungskräften behindert wird, bis hin zur Personalvertretung. Nur ein Beispiel: Wir haben ähnlich viele Brigadiere (Generäle, Anm.) wie die deutsche Bundeswehr, die zehn Mal so groß ist wie unser Heer. Andererseits ist bereits sehr viel modernisiert worden, auch durch die Bundesheerreform 2010, die nicht in den Kinderschuhen stecken geblieben ist, wie da und dort behauptet wurde.

Welche Bedeutung haben Grundwehrdiener für den Katastrophenschutz?

Derzeit sind sie Teil des Systems, sie könnten aber in Zukunft durch eine Profi-Miliz und Zeitsoldaten ersetzt werden. Die wären dann auch noch besser ausgebildet, und damit professioneller. Beim derzeitigen Katastrophenschutz sind immer stärker Profis und Spezialisten gefragt. Wir dürfen nicht vergessen, dass über 90 % der Leistungen hervorragend von den Freiwilligen Feuerwehren geleistet werden.

Die ÖVP argumentiert, dass wir im akuten Katastrophenfall bei einem Profiheer zu wenig Soldaten hätte.

Von allen einberufenen Grundwehrdiener sind pro Jahr im Schnitt nur sechs Prozent im Katastropheneinsatz. Diese Zahl zeigt auch, dass wir die Grundwehrdiener durch Profis locker ersetzen könnten. Beim Hochwasserschutz, etwa beim Füllen von Sandsäcken, gebe es auch andere Kräfte, die das machen könnten. Im neuen System – das kann ich garantieren – werden wir mindestens 12.500 Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung haben – die gleiche Anzahl an Helfern, und die sind dazu viel besser ausgebildet.

Das Thema Wehrpflicht wird in Österreich von einem anderen Thema dominiert – dem Zivildienst. Ist es da überhaupt noch möglich, pro oder kontra Wehrpflicht zu diskutieren?

Es ist klar, dass wir uns der Debatte offen stellen werden. Gemeinsam mit dem Sozialminister werde ich das Modell für ein bezahltes freiwilliges Sozialjahr vorstellen. Es hat den Vorteil, dass Männer und Frauen bis zum 50. Lebensjahr daran teilhaben können, mit einer fast dreifach so hohen Bezahlung als bisher. Aber primär ist für mich die Frage der Wehrpflicht. Dennoch werden wir argumentieren, dass der Zivildienst nicht nur ersetzt werden kann, sondern auch die Qualität verbessert wird.

Würden Sie Ihren Kindern empfehlen, zum Profiheer zu gehen oder sich für den Sozialdienst zu melden?

Dass muss jeder für sich entscheiden – das sollte eben frei und ohne Zwang sein. Aber ich denke, dass beide Optionen anstrebenswert und interessant sind.

Was denken Sie, wie wird die Wahlbeteiligung bei der Befragung im Jänner sein – und wie wird sie ausgehen?

Ich gehe davon aus, dass mehr als die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher teilnehmen werden. Und hoffe, dass sie für ein modernes Profiheer und ein freiwilliges Sozialjahr stimmen werden.

Mikl-Leitner: "Ein Heer aus dem Volk, für das Volk"

Alle Inhalte anzeigen

KURIER: Warum soll Österreich das Modell der allgemeinen Wehrpflicht beibehalten?

Johanna Mikl-Leitner: Weil ich davon überzeugt bin, dass es das beste Modell ist. Weil wir ein Heer aus dem Volk für das Volk wollen. Außerdem liegt klar auf der Hand, dass unser Modell der allgemeinen Wehrpflicht mit dem Zivildienst das zuverlässigste und günstigste ist. Denn ein Berufsheer ist in Friedenszeiten zu teuer, und für Katastrophenhilfe zu klein.

Bei internationalen Einsätzen schicken wir ohnehin immer nur die Profis. Wie passt da das System der Wehrpflicht dazu?

Gerade bei den Auslandseinsätzen des Heeres sind bis zu 50 Prozent Milizsoldaten im Einsatz, die Milizsoldaten bekommen wir aber nur über den Präsenzdienst. Die Miliz wird aus den Grundwehrdienern rekrutiert, nur so können wir das gewährleisten. Das bestätigt auch General Entacher immer wieder.

Dennoch sind derzeit beim Bundesheer zu viele "Häuptlinge" und zu wenige "Indianer", gut die Hälfte der Grundwehrdiener sind nur Systemerhalter, die servieren, putzen, Auto fahren oder Wache schieben. Die Ausrüstung mangelhaft. Ist das Bundesheer so oder so ein Fall für einen Neustart?

Die Modernisierung des Bundesheeres ist seit Jahren im Koalitionspakt festgeschrieben – und zwar unter Beibehaltung der Wehrpflicht. Selbstverständlich gibt es da einen Reformbedarf, da ist Minister Darabos gefordert. Wir fordern seit Jahren, dass es weniger Systemerhalter geben muss, uns geht es ja um die Qualität in der Ausbildung der Präsenzdiener. Das ist vor allem einmal Aufgabe des Verteidigungsministers. Die Bürger sollen nun über die grundsätzliche Frage entscheiden, ob wir die Wehrpflicht beibehalten sollen. Danach ist Darabos gefordert, ein breites Reformkonzept auf den Tisch zu legen.

Welche Bedeutung haben Grundwehrdiener für den Katastrophenschutz?

Eine ganz besondere Bedeutung. Ich denke da an das Jahrhunderthochwasser bei mir daheim in Niederösterreich, wo mehr als 13.000 Soldaten im Einsatz waren. 11.000 davon waren Präsenzdiener. Und ich war vor Kurzem erst im Katastrophengebiet in der Steiermark, und habe selbst gesehen, wie die Grundwehrdiener dort Hand angelegt haben. Denen kommt eine ganz zentrale Rolle zu.

Die SPÖ argumentiert, dass nur sechs Prozent der Grundwehrdiener bei Katastrophen im Einsatz waren.

Es ist aber entscheidend, dass zum Zeitpunkt der Katastrophe eine ausreichende Mannstärke zur Verfügung steht. Da sind dann nämlich rund 75 Prozent, also drei von vier der helfenden Soldaten Grundwehrdienern . Die Rechnung von Darabos ist doch eine Milchmädchenrechnung. Zum Glück waren bei den vergangenen Katastrophen ausreichend Mann inklusive der Präsenzdiener zum richtigen Zeitpunkt verfügbar. Wir dürfen aber auch nicht die Augen vor der Realität verschließen: Katastrophen treten doch in immer kürzeren Abständen auf – es gibt vermehrt Wetterkapriolen. Und noch etwas: Die Grundwehrdiener waren in Summe mehr als 20 Jahre an der Grenze vertreten, mehr als hunderttausend Präsenzdiener waren dort. Die haben alle hervorragende professionelle Arbeit geleistet. Mit einem Berufsheer wäre das in keiner Weise machbar gewesen.

Das Thema Wehrpflicht wird in Österreich von einem anderen Thema dominiert – dem Zivildienst. Ist es da überhaupt noch möglich, pro oder kontra Wehrpflicht zu diskutieren?

Wir müssen beides thematisieren. Denn ohne Wehrdienst gibt es auch keinen Zivildienst , dass ist ganz klar in der Verfassung verankert. Deswegen haben wir erfolgreich dafür geworben, dass der Zivildienst auch in der Fragestellung vorkommt.

Würden Sie Ihren Kindern empfehlen, zum Bundesheer zu gehen oder sich für den Sozialdienst zu melden?

Jedes soziale Engagement ist wichtig. Und ich bin überzeugt, es werden sich auch meine Kinder, wenn sie größer sind, sozial engagieren.

Was denken Sie, wie wird die Wahlbeteiligung bei der Befragung im Jänner sein – und wie wird sie ausgehen?

Die Chancen schätze ich derzeit bei 50:50 ein. Ich bin kein Prophet, wie viele Menschen abstimmen werden. Aber klar ist auch, die ÖVP wird sich ganz sicher an das Ergebnis halten.