Politik/Inland

Rot-blaues Geheimtreffen zwischen Kern und Strache

Erst hatte es "Treffpunkt im Seewinkel" geheißen, dann doch "andernorts im Burgenland". Die Zusammenkunft sollte ja diskret vonstatten gehen. Die war nämlich pikant.

Am späten Freitagnachmittag setzten sich SPÖ-Kanzler Christian Kern, SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl sowie SPÖ-Klubchef Andreas Schieder mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Niessls FPÖ-Vize Johann Tschürtz und FPÖ-Hofburg-Kandidat Norbert Hofer zusammen.Bisher haben sich Strache und Kern verbal eingeschenkt. So sagte der Blaue etwa: "Kern ist nur eine Schaufensterpuppe mit neuem Gesicht." Oder: "Es ist skandalös, wie Kern die Österreicher für dumm verkaufen will." Dieser befand: "Gewalt der Worte kann sich sehr rasch in Gewalt der Taten entwickeln."

Was führt die beiden jetzt an einen Tisch? Ist die Konfrontation Show? Wird im Hintergrund an Banden geknüpft, an deren Ende eine Koalition stehen könnte? Nichts dergleichen, wird in Kerns Büro gegenüber dem KURIER beteuert: "Der Kanzler hat angekündigt, in regelmäßigen Dialog mit allen Parteivorsitzenden zu treten. Diese Gespräche fanden und finden immer wieder statt."

Dirigent Niessl

Orchestriert hat das gestrige rot-blaue Stelldichein Hans Niessl. Er regiert seit einem Jahr mit den Freiheitlichen. Ein Tabubruch in der SPÖ – und im Widerspruch zu einem Bundesparteitagsbeschluss aus dem Jahr 2004.

Niessl sagt bei jeder Gelegenheit, wie gut mit den Blauen zu kooperieren sei. Im KURIER befand er etwa: "Unsere Zusammenarbeit mit der FPÖ im Burgenland ist ganz im Sinne der Burgenländer." Zum Zweck des gestrigen Termins sagte er, es sei darum gegangen, Gemeinsamkeiten bei Sachthemen zu finden.

Niessl möchte die FPÖ als Koalitionsoption auch im Bund. Andere Rote wollen ebenfalls nicht länger "auf Gedeih und Verderb der ÖVP ausgeliefert sein". Schwarze wie Klubchef Reinhold Lopatka liebäugeln mit einem Pakt mit den Blauen. Kern hat mehrfach betont, dass die FPÖ "derzeit" im Bund kein potenzieller Koalitionspartner sei. "Angesichts der Einstellungen Straches und (Harald) Vilimskys (FPÖ-Generalsekretär und EU-Mandatar)" sei es noch ein "langer Weg", bis "wir uns denkmöglicherweise zusammenfinden können". Das kategorische Nein gibt es aber nicht mehr: Wie vom Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser angeregt, wird die SPÖ Kriterien erstellen, die für eine Koalition mit ihr zu erfüllen sind.

KoalitionskriterienBeim Programmparteitag im April kommenden Jahres sollen diese abgesegnet werden. Ein Kriterium davon hat Kern schon genannt: "Wir arbeiten nicht mit Parteien zusammen, die gegen Menschen hetzen." Die Wähler der FPÖ wolle er aber nicht verteufeln.

Das Gespräch Kerns mit Strache erinnert an das Spargel-Essen von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer und Jörg Haider 2003 in der Steiermark. Es sei nur darum gegangen, "gemeinsam die unsoziale Pensionsreform zu verhindern", sagte Gusenbauer damals. Die Tür zur FPÖ war aufgestoßen. In Kärnten gab es ein Jahr später den "Chianti-Pakt" zwischen dem FPÖ-Chef und der SPÖ Peter Ambrozys.

Gemeinsam im Bund regiert haben Rot und Blau bis dato nur ein Mal. Fred Sinowatz koalierte 1983 mit der FPÖ von Norbert Steger. Die kleine Koalition hielt knapp drei Jahre. Nach Haiders FPÖ-Machtübernahme kündigte Sinowatz’ Nachfolger Franz Vranitzky das Bündnis auf.