Richterkandidat Keyl: LH Stelzer verteidigt Landsmann Jägerstätter
Von Christian Böhmer
Darf man den Nazi-Gegner Franz Jägerstätter einen „Verräter“ nennen?
Seit Tagen beschäftigt diese Frage den innersten Kreis der Bundesregierung. Denn der vom Ministerrat als Bundesverwaltungsrichter nominierte Freiheitliche Hubert Keyl hätte Jägerstätter lieber verurteilt als ihn seliggesprochen. Das zumindest schrieb der Jurist vor Jägerstätters Seligsprechung im Jahr 2007.
Dem nicht genug, veröffentlichte Keyl in der rechtsextremen Zeitschrift Aula einen Leserbrief, in dem er unter anderem die Zeit nach 1945 als „Besatzungsterror“ bezeichnet.
Das alles ist gut zehn Jahre her, und Keyl distanzierte sich noch am Samstagabend mit einem Anwaltsschreiben vom Nationalsozialismus.
In der ÖVP sorgt die anstehende Ernennung dennoch für Irritationen.
Als Erster öffentlich äußerte sich am Sonntag Landeshauptmann Thomas Stelzer, ein Landsmann Jägerstätters: „Ich habe mir eigentlich nicht gedacht, dass wir im Jahr 2018 noch immer über die historische Rolle von Franz Jägerstätter reden müssen. Für das Land Oberösterreich ist er eine Persönlichkeit, die dem Nationalsozialismus vehement die Stirn geboten hat. Seine Seligsprechung war breit getragen, was belegt, dass wir Oberösterreicher stolz auf Jägerstätter sind“, erklärt Stelzer gegenüber dem KURIER. Der Christkonservative weiter: „Dieses allgemein gültige Geschichtsverständnis zur Person Jägerstätter sollte selbstverständlich sein – insbesondere für jene Persönlichkeiten, die öffentliche Ämter bekleiden möchten.“
Der ÖVP-Landeshauptmann „kann und will über die fachliche Eignung Keyls nicht urteilen“. Moralisch scheint die Bestellung für den Oberösterreicher aber zumindest hinterfragenswert.
Rechtsextreme Diktion
Das hängt wohl damit zusammen, dass Experten Keyls Terminologie ganz eindeutig zuordnen: „Der Begriff ,Besatzungsterror’ als Beschreibung für die Jahre nach 1945 wird vorwiegend von Rechtsextremen verwendet“, sagt Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes.
Für die Regierung könnte die Bestellung zur Belastung werden. Denn während Teile der ÖVP die Bestellung kritisch sehen, stellt man sich im Lager der Freiheitlichen ohne Einschränkung hinter Parteifreund Keyl.
FPÖ-Manager Christian Hafenecker klagte am Sonntag über die „Hexenjagd“, die gegen den früheren Mitarbeiter des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf laufe. Damit meint Hafenecker Berichte, wonach Keyl vor Jahren bei einer Schlägerei in einem Rotlichtlokal von Neonazi Gottfried Küssel unterstützt worden sein soll.
Keyl dementiert dies im bereits erwähnten Anwaltsschreiben und erklärt, er habe keinen Kontakt zu Küssel.
Justizminister Josef Moser sah sich angesichts der Berichterstattung veranlasst, klarzustellen, dass das Ministerium die kolportierte Schlägerei offensiv hinterfragt habe. Das Ergebnis: Der zuständige Personalsenat habe erklärt, Keyl habe sich diesbezüglich nichts vorzuwerfen.
Erledigt ist die Sache damit trotzdem nicht. Denn abgesehen von der Unruhe in der ÖVP liegt es nun an Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Keyl zu bestellen – er muss die Ernennung noch unterschreiben. Gegenüber dem KURIER hieß es knapp: Das Schreiben sei noch gar nicht in der Hofburg eingelangt. Wie bei allen Ernennungen werde man das Vorhaben genau prüfen.