Rendi und die starken Männer
Von Michael Bachner
Die Parteiführung der SPÖ hat mehrmals öffentlich erklärt, die leidige Personaldebatte sei nun beendet. Schließlich ist Wahlkampf, niemand will der Konkurrenz eine zusätzliche Angriffsfläche bieten. Doch das Auftreten von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wird entgegen der Hoffnung der Parteispitze weiter debattiert – vom kleinen Funktionär an der Basis bis hinauf zum aktiven Landeschef oder gar früheren Parteivorsitzenden.
Es stimmt natürlich, Journalisten fragen danach, wie Rendi-Wagner als Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl am 29. September gesehen wird. Aber die Angesprochenen geben durchaus freiwillig ihre Interviews und halten sich dabei oft genug nicht mit Kritik an der einstimmig gewählten Spitzenkandidatin zurück.
Auch derzeit vergeht – gefühlt – kaum ein Tag, an dem sich nicht der eine oder andere Parteigrande zu Wort meldet. Den Anfang machte ausgerechnet Ex-Kanzler Christian Kern („Hoch gewinnt die SPÖ das nimmer), der als Rendi-Wagners „Erfinder“ gilt. Zuletzt folgte der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der der Obfrau in mehrfacher Hinsicht die Linie vorgibt und sich mehr denn je als starker Mann in der Partei positionieren will – neben Michael Ludwig (Wien), Peter Kaiser (Kärnten) oder Wolfgang Katzian (ÖGB).
Hans Peter Doskozil: Zurufer aus Eisenstadt
Geht es nach Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der selbst im Wahlkampf ist, muss die SPÖ wieder der nächsten Bundesregierung angehören. Nur so ließen sich auch sozialdemokratische Inhalte umsetzen.
Dafür sei Türkis-Rot die einzige realistische Variante, sagt Doskozil in einem Interview mit der APA. Bei dieser Gelegenheit richtet er Ex-Parteichef Christian Kern ein paar Unfreundlichkeiten aus. Bei ihm hätten „Beleidigtheiten“ oder „persönliche Eitelkeiten“ mitgespielt, deshalb sei mit Sebastian Kurz keine Neuauflage einer SPÖ-ÖVP-Zusammenarbeit gelungen.
Aber Doskozil nimmt sofort auch Rendi-Wagner in die Pflicht. „Diese Eitelkeiten darf es nicht geben. Es muss immer das Parteiinteresse über dem persönlichen Interesse stehen. Es kann für eine Koalitionsbildung kein Faktor sein, ob unser Obmann oder unsere Obfrau einen Kurz-Komplex hat oder nicht“, richtet ihr Doskozil aus.
Nicht wenige in der Partei lesen das auf Nachfrage so: Rendi-Wagner solle nach Möglichkeit den Vize unter Kurz geben. Sonst bliebe nach der Wahl wieder nur der Gang in die Opposition – dann aber unter neuer Parteiführung.
Michael Ludwig: Aufpasser aus Wien
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hat selbst eine Wahl zu schlagen, wenn auch erst im Herbst 2020. Er will seine Wahl keinesfalls vorverlegen, wie er betont.
Denn: Allgemein wird mit einer mehr oder weniger deutlichen SPÖ-Schlappe in diesem Herbst gerechnet. Und Ludwigs Hoffnung ist, dass der 29. September 2019 nicht zu sehr auf Wien 2020 abfärbt. Der zeitliche Abstand kann dabei helfen. Ludwig hat ohnehin alle Hände voll zu tun, klare Nummer eins zu bleiben und z. B. nicht zu sehr an die erstarkten Grünen zu verlieren.
Insgesamt gilt wohl, der Machterhalt im roten Wien ist für die SPÖ wichtiger als die momentan in weite Ferne gerückte Wieder-Eroberung des Kanzleramts. Offiziell steht Ludwig wie alle anderen Landeschefs hinter seiner Bundesparteichefin Rendi-Wagner. Er hat sie auf Platz 1 der Wiener Liste gesetzt.
Doch war schon sehr auffällig, dass der alte Faymann-Vertraute Ludwig den alten Faymann-Vertrauten Christian Deutsch der Bundes-SPÖ als Wahlkampfleiter empfohlen hat – quasi als Aufpasser. Das Signal ist klar: Liebe Rendi-Wagner, die Wiener SPÖ übernimmt jetzt. Ein Wahlkampf wie unter Christian Kern darf kein zweites Mal passieren.
Wolfgang Katzian: Der mächtige Gewerkschaftsboss
ÖGB redet bei Finanzen und Partei-Ausrichtung mitIm KURIER-Interview wollte Wolfgang Katzian seinem alten Freund Christian Kern („Hoch gewinnt das die SPÖ nicht mehr“) bei dessen Einschätzung über den Wahlausgang nicht beipflichten. Als Fußball-Fan gehe er in kein Match mit dem Ziel, unentschieden zu spielen oder gar zu verlieren, sagt Ex-Austria-Präsident Katzian.
Angesichts dürftiger Umfragedaten für die Bundes-SPÖ von knapp über 20 Prozent dürfte in dieser Aussage doch eine Portion (Zweck-)Optimismus stecken. Und Optimismus kann die Partei wirklich brauchen. Vor allem die finanzielle Situation ist nach dem EU-Wahlkampf und angesichts der ohnehin chronisch leeren Parteikasse trist.
Hier kommt der Gewerkschaftsboss ins Spiel. Die Betriebsräte in den Unternehmen sind wichtige Meinungs- und Stimmungsmacher in der Wahlauseinandersetzung, die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG), deren Chef Katzian viele Jahre war, ist ein wichtiger Finanzier der Partei.
Der Sozialpartner Katzian gilt im Zweifel als Anhänger einer Zusammenarbeit mit der ÖVP. So wie auch Doskozil – zumindest für den Bund. Eine Koalition mit den Freiheitlichen hält Katzian nach dem Ibiza-Video „für noch absurder als ohnehin schon“. Dieser Meinung ist auch Pamela Rendi-Wagner.
Peter Kaiser: Der leise Mahner aus Kärnten
Selbst der Rendi-Unterstützer kritisierte sie öffentlichDer in seinem Bundesland beliebte und erfolgreiche Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser stand von Anfang an hinter Kern-Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner.
Auch zuletzt, als Ex-ORF-General Gerhard Zeiler als der möglicherweise bessere Spitzenkandidat gehandelt wurde, ermahnte Kaiser seine Kollegen in anderen Ländern: „Wir halten uns an die einstimmig gefassten Beschlüsse des Bundesparteivorstandes.“ Rendi-Wagner war dort einstimmig zur Spitzenkandidatin gewählt worden.
Doch bei aller Freundschaft hatte auch Kaiser seine Konflikte mit Rendi-Wagner, die zwei Mal öffentlich wurden.
Bei der Erstellung der EU-Wahlliste hatte Kaiser seinen Sohn Luca zum Spitzenkandidaten in Kärnten gemacht und wollte ihn auch auf wählbarer Stelle auf der Bundesliste haben. Die Rückreihung seines Sohnes und der Vorwurf der Vetternwirtschaft ärgerten Kaiser sehr. Er blieb zwar Rendi-Wagner gegenüber loyal, aber sein Einfluss in der Partei schrumpfte.
Auch rund um den SPÖ-Misstrauensantrag gegen Türkis-Blau hielt sich Kaiser mit seiner Kritik zurück. Aber immerhin: Er mahnte eine bessere Kommunikation der Partei ein, das „Zaudern und Zögern“ müsse ein Ende haben. Auch die Sprache müsse klarer werden. Damit war Rendi-Wagner gemeint.