Was der Bundespräsident in der Regierungskrise machen kann
Die Korruptionsermittlungen gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein Umfeld haben die Republik in die nächste politische Krise gestürzt. Derzeit ist noch offen, wie es weitergeht, die türkis-grüne Koalition steht an der Kippe. Eine Schlüsselperson in diesen Tagen ist Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der dafür sorgen muss, dass es zu jedem Zeitpunkt eine Bundesregierung gibt.
Laut der Bundesverfassung muss es nämlich in jedem Fall immer eine im Amt befindliche Bundesregierung geben, wie Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk im ORF-Radio erklärte. Dafür zuständig ist der Bundespräsident, insofern spielt Van der Bellen dieser Tage eine "Schlüsselrolle" wie es weitergeht, sagte Funk zur APA. Gestern und heute war Van der Bellen dabei, mit allen Chefs der Parlamentsparteien Gespräche zu führen, wie es nun weitergehen könnte.
Grüne wollen neue ÖVP-Spitze
Bei den Grünen hofft man nach wie vor, dass sich die Krise dahingehend lösen lässt, indem die ÖVP Kurz abzieht und eine "untadelige Person" an die Spitze stellt. Aus Sicht der Grünen könnte dann die türkis-grüne Koalition fortgeführt werden. Geht Kurz freiwillig, müsste Van der Bellen ihn formal des Amtes entheben und eine neue Person angeloben - der Bundespräsident kann dabei aber vorgeschlagene Kandidaten auch ablehnen.
Die Möglichkeiten des Bundespräsidenten
Klammert sich Kurz weiter an sein Amt, dürften sich die Grünen dazu entschließen, am Dienstag mit der geschlossenen Opposition für den Misstrauensantrag gegen Kurz zu stimmen. Bei einer Mehrheit für einen solchen Antrag ist Van der Bellen verpflichtet, den Kanzler seines Amtes zu entheben. Die restlichen ÖVP-Regierungsmitglieder haben außerdem angekündigt, bei einem Sturz von Kurz zurückzutreten. Der Bundespräsident müsste dann bis zur Bildung einer neuen Regierung die alte mit der Fortführung der Geschäfte betrauen - und zwar laut Funk auch jene Regierungsmitglieder, die per Misstrauensantrag aus dem Amt gejagt wurden. Lehnen Betroffene ab, können als Übergangsregierung auch "beigegebene" Staatssekretäre oder leitende Beamte wie Sektionschefs die Regierungsgeschäfte auf Auftrag des Bundespräsidenten übernehmen, erklärte Funk.
Ein Kanzlerwechsel allein bedeutet nicht unbedingt eine Neuwahl, auch ein sogenannter fliegender Wechsel zu anderen Regierungsmehrheiten wäre möglich - allerdings eben nicht ohne das Okay des Bundespräsidenten. Für eine vorgezogene Nationalratswahl braucht es einen Beschluss des Nationalrats.
Wünscht der Bundespräsident eine Neuwahl, braucht er dafür einen Vorschlag der Bundesregierung, erläuterte Funk. Indirekt könnte das Staatsoberhaupt so auch eine Neuwahl erzwingen: Der Bundespräsident kann nämlich jederzeit die gesamte Bundesregierung entlassen und neue Personen bestellen mit dem Wunsch, ihm einen entsprechenden Vorschlag zu machen.