Regierung will Staatsindustrie neu ordnen
Von Maria Kern
Als die Regierungsmitglieder Freitagmittag Richtung Kongress-Zentrum in Schladming marschieren, weht ihnen ein rauer Wind um die Ohren. Das passt irgendwie zur schlechten Konjunkturlage, mit der sich die Koalition am ersten Klausur-Tag beschäftigt. Und da passen auch die Demonstranten dazu, die Kanzler Werner Faymann & Co. damit konfrontieren, dass sie gegen Gemeindefusionen in der Steiermark sind.
Der SPÖ-Regierungschef und sein ÖVP-Pendant, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, wechseln ein paar Worte mit den Bürgern. Schließlich gilt es zu vermitteln, dass sich die Politik den Problemen stellt – auch wenn in diesem Fall das Land zuständig ist.
Zuständig sind die Koalitionäre aber für die ÖIAG – und die soll neu aufgestellt werden. Das verkündeten Faymann und Mitterlehner. Zuvor hatten die Regierenden drei Stunden hinter verschlossenen Türen verhandelt.
Die Reform der Staatsholding ÖIAG soll bis Dezember stehen, im ersten Quartal 2015 soll das Gesetz ins Parlament kommen. Feststeht, dass die ÖBB nicht in die Industrieholding eingegliedert werden. Geprüft werde aber, ob Asfinag oder Verbund hineinkommen, sagten die Regierungsspitzen. Vorbei sein soll es jedenfalls mit dem sich selbst erneuernden Aufsichtsrat. Mitterlehner betonte, das sei "keine Kritik an jetzt handelnden Personen", gemeint war Aufsichtsratschef Siegfried Wolf. Es gehe auch "nicht um eine Repolitisierung, sondern um eine Wahrnehmung der Eigentümer-Rechte". Derzeit kann die Politik nicht bei der Zusammensetzung des Kontrollorgans mitreden.
Sozialpartner dabei
Mitreden durften in Schladming allerdings die Sozialpartner. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und ÖGB-Chef Erich Foglar saßen mit am Regierungstisch – und waren auch bei der anschließenden Pressekonferenz dabei. Leitl, ein gewohnt kritischer Beobachter der Regierung, lobte die Koalition: "Man hat den Eindruck, es ist Bewegung in den viel kritisierten Stillstand gekommen."
Absichtserklärungen
Er kann seinen Unternehmern ja auch mitteilen, dass einige Erleichterungen für sie geplant sind: Etwa, dass Arbeitszeiten nicht mehr aufgezeichnet werden müssen, wenn die Arbeitnehmer täglich zur selben Zeit werken. Für "ungefährliche Kleinstanlagen" (z. B. Friseure) sollen keine Betriebsgenehmigungen mehr nötig sein. Auch anderweitig wird entbürokratisiert (z. B. Eichwesen).
Für die Bürger gibt es ebenso Absichtserklärungen. Eltern sollen etwa nach der Geburt eines Kindes ohne Antrag Familienbeihilfe bekommen. Die Arbeitnehmer-Veranlagung soll automatisch erfolgen. Wie konkret das alles funktionieren soll, ist aber noch offen.
Um die Konjunktur zu beleben, musste "das Ei des Kolumbus gefunden werden", sagte Leitl. Er meinte damit, Impulse zu setzen, ohne das Budget zu belasten. So muss man zu Tricks greifen. 100 Millionen sollen schon 2016 statt 2017 in den Breitband-Ausbau fließen. Öffentliche Aufträge unter 100.000 Euro sollen weiterhin nicht ausschreibungspflichtig sein. 710 Millionen stehen noch bereit – für Zuschüsse, Garantien und günstige Kredite für Firmen.
Nach getaner Arbeit ging es für die Regierung bergauf – mit der Gondel auf die Planai, für das Familienfoto und ein gemütliches Abendessen in der Schafalm.
Tagesplan Samstag
Am Samstag wird wieder Arbeitseifer demonstriert. Auf dem Plan: Steuerreform und Bildung. Bei der Steuerreform werden Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Mitterlehner das Volumen und den Zeitplan bis zur Beschlussfassung vorlegen. Auf der Tagesordnung auch das Thema Bildung, wobei die weiteren Schritte für eine moderne Schule diskutiert und vorgestellt werden.
Seit der schwarz-blauen Koalition unter Schüssel/Grasser hat sich die heimische Politik von ihrer Verantwortung bei der ÖIAG abgemeldet. Zuvor hatte die Parteipolitik übel in die Staatsbetriebe hineinregiert und in der Verstaatlichten Industrie ein Milliardendesaster angerichtet. Dann passierte genau das Gegenteil: Die Politik scherte sich nicht mehr um die Unternehmen, ließ die diversen Vorstände und die Aufsichtsräte werken wie sie wollten.
Nur zur Erinnerung: Die ÖIAG gehört zu hundert Prozent dem Bund. Dem Finanzminister und der jeweiligen Regierung obliegt die Rolle des Eigentümervertreters. In der Staatsholding sind immerhin die Beteiligungen an Post (53 Prozent), Telekom (28,4 Prozent) und dem Öl- und Gaskonzern OMV (31,5 Prozent) gebunkert. Diese drei Schwergewichte beschäftigen 33.000 Mitarbeiter in Österreich und weltweit 66.800 Arbeitnehmer.
Die Regierung Faymann/Spindelegger schrieb die Neuausrichtung und Aufwertung der ÖIAG in ihr Koalitionsabkommen. Geplant war eine Standortholding, unter deren Dach alle marktwirtschaftlich agierenden Beteiligungen des Bundes kommen sollten. Derzeit werden mehr als 30 Unternehmen von sieben Ministerien verwaltet.
Die grundvernünftige Idee scheiterte allerdings am kleinkarierten Parteiengezänk und an Begehrlichkeiten auf die Aufsichtsratsposten. Die Vorgangsweise, zuerst die Posten, danach die Strategie, konnte nur scheitern.
Der Handlungsbedarf ist groß. Die Telekom dürfte den Reformeifer beschleunigt haben. Die ÖIAG schaute zu, wie das Unternehmen durch viel zu hohe Dividendenzahlungen geschwächt wurde. Heute hat ein mexikanischer Milliardär das Sagen und die Republik nichts mehr zu melden. Oder die Unruhe bei der OMV. Dort löst sich gerade der Vorstand auf, die Ergebnisse brechen weg und über die Strategie wird wild gestritten.
Natürlich ist es sinnvoll, den Verbund, Österreichs größten Stromkonzern, in die ÖIAG zu holen und dort die Energiepolitik zu koordinieren. Auch der Autobahnbetreiber Asfinag macht Sinn. Die ÖBB bleibt angesichts ihrer Dimensionen allerdings besser draußen.
Er hat sich bemüht. Wolfgang Bachmayer wollte ehrlich verstehen, welches Motiv die Bundesregierung dabei verfolgt hat, die ÖIAG-Reform zum Auftakt ihrer Klausur zu verkünden. Doch der OGM-Analyst scheiterte.
„Dass man den medial enorm beachteten Start einer Regierungsklausur mit einem sehr sperrigen Thema wie der ÖIAG bestreitet, hat mich wirklich erstaunt“, sagt Bachmayer. „Die ÖIAG beschäftigt die breite Masse einfach nicht. Das sind andere Themen wie die Bildung oder die Steuer-Entlastung.“
Für Bachmayer war das bestimmende Thema im Hinblick auf die Klausur die Steuerreform. „Darauf fokussiert sich die mediale Aufmerksamkeit.“ Dementsprechend sei der Druck nun noch größer, am zweiten Tag noch zu überraschen: „Der Samstag muss den Auftakt überflügeln. Vorausgesetzt, die Regierung erhofft sich von der Klausur einen nachhaltigen Schub für ihr Image.“
Große Erwartungen
Erwartungen und wie sie erfüllt werden, ist auch das Thema von Bachmayers Kollege Peter Filzmaier. Der Politikwissenschaftler erachtet es als eine der größten Gefahren, dass die neu aufgestellte Regierung das „expectation game“ verliert.
Insgesamt habe die Regierung damit aber ein Problem. Filzmaier: „Kommunikativ liegt die Latte für die Steuerreform jetzt beim ÖGB-Konzept, also bei sechs Milliarden Euro.“ Das bedeute: „Will die Regierung positiv überraschen, muss sie die Grenze überspringen. Erfüllt oder unterschreitet sie die Erwartung, wird das medial als enttäuschend wahrgenommen – man hätte also das ,expectation game‘ verloren.“
Als im Frühjahr klar war, dass die staatliche Industrieholding ÖIAG einen neuen Aufsichtsratschef braucht, tauchte der Name Siegfried Wolf auf. In der Regierung war man sich schnell einig, dass Wolf nicht der richtige Mann sein kann, wo die Interessen Österreichs zu wahren sind. Er hat einfach seinen Lebensmittelpunkt in Russland, wo er mit dem Oligarchen Oleg Deripaska einen großen Konzern leitet. Bundeskanzler Faymann und der damalige Vizekanzler Spindelegger wollten zwar schon lange ein neues ÖIAG-Gesetz, aber auch in diesem Punkt konnten sie sich nicht einigen. Die Regierung tat, was sie so oft tut – nichts. Und Wolf, der sich unter anderem in der EU "mehr russische Demokratur" wünschte, wurde ÖIAG-Präsident.
Insofern bringt die Entscheidung bei der Klausur in Schladming nicht nur einen Neubeginn für die ÖIAG. Sie soll vor allem ein Signal sein, dass Faymann/Mitterlehner endlich entschlossen und geschlossen vorgehen. Da ist die ÖIAG hoffentlich nur der Anfang, die geplagten Steuerzahler warten ja vor allem auf eine Steuerreform, die man auch spürt. Und auf weniger Bürokratie und bessere Schulen und und und ...
Die neue ÖIAG wird aber auch ein spannender Test, ob die nur mehr kleine Koalition einen Rückfall in die alten Proporz-Zeiten der Großen Koalition probt, oder doch lernfähig ist. Künftig wird die Regierung entscheiden, wer in den Aufsichtsrat der Staatsholding kommt. Die Sozialpartner werden – wie bei der Klausur – mitreden, als Nebenregierung sind sie jetzt fix installiert. Ob Kammern und Gewerkschaften alle Herausforderungen unserer digital-flexiblen Wirtschaft verstanden haben oder überhaupt verstehen wollen? Mal sehen.
Wird das Parteibuch wieder zur Eintrittskarte?
Die Schüssel-Regierung wollte unabhängige Fachleute im ÖIAG-Aufsichtsgremium, beim Ausscheiden eines Mitglieds haben diese wieder einen Nachfolger bestellt. Dieses Experiment ist leider gescheitert. Manchen Industriellen ging es weniger um Selbsterneuerung als um die Selbstbestätigung der eigenen Bedeutung, also wurden nur gute Geschäftsfreunde in das ÖIAG-Gremium eingeladen. Aktienrechtlich war das auch bedenklich. Dass die Damen und Herren nicht ein bisschen Sensibilität verspürten und mit Siegfried Wolf einen Mann zum Vorsitzenden wählten, der beruflich russische Interessen zu vertreten hat, war nur mehr ärgerlich.
Wer also wird künftig eine größere ÖIAG beaufsichtigen? Werden es abgehalfterte Polit-Funktionäre sein – oder doch Experten, die beim Eingang nicht sofort ein Parteibuch vorweisen müssen. Und bekommen wir eine Industrieholding, wo Konzepte für Österreich als Industriestandort entwickelt werden? Da wird die Energiesparte noch eine große Rolle spielen. Der Verbundkonzern wird wohl in die ÖIAG kommen, aber auch die Stromgesellschaften der Länder brauchen eine gemeinsame Strategie. Ein Neubeginn, bei dem auch die Länder mitmachen? Man wird ja noch träumen dürfen.