Außenministerin Kneissl verteidigt Abschaffung der Lehre für Asylwerber
Am Sonntag hat Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal bestätigt, dass die Regierung die Möglichkeit für Asylwerber, eine Lehre zu beginnen, abschaffen wird. Man arbeite an einer Neuregelung. "Das Asylrecht soll künftig nicht mehr mit einer Lehre umgangen werden können." Die Möglichkeit für Asylwerber, einer Lehre nachzugehen, wird derzeit durch einen entsprechenden Erlass ermöglicht.
Die Entscheidung stößt auf teils heftige Kritik von Opposition und Hilfsorganisationen.
Oberösterreichs Integrationslandesrat Rudi Anschober hat eine Initiative gegen die Abschiebung von Lehrlingen gestartet und gilt als einer der größten Unterstützer der Lehre für Asylwerber: "Jetzt ist die ÖVP gefordert. Sie kann nicht zulassen, dass wie heute von FP-Chef Strache angekündigt, der Zugang von AsylwerberInnen zu Lehrstellen abgeschafft wird. Der Bundeskanzler muss die Causa Lehrausbildung für AsylwerberInnen generell zur Chefsache machen, die Zerstörung dieser letzten Integrationschance abwenden und Gespräche für eine Lösung der Vernunft gegen die drohenden Abschiebungen hunderter Lehrlinge und für eine grundsätzliche Lösung ermöglichen.“
SPÖ-Chef Christian Kern bezeichnete die Entscheidung der Regierung bereits am Sonntag per Tweet als "unsinnig wie bösartig":
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker verteidigte am Montag die Entscheidung der Bundesregierung. „Wenn SPÖ und NEOS meinen, dass ein 22-jähriger Einwanderer aus Afghanistan, der mit negativem Asylbescheid mit seiner Lehre einen Fachkräftemangel lösen kann, dann fehlt ihnen wohl jedes politische Gespür für unser Land", sagte Hafenecker laut einer FPÖ-Presseaussendung. „Die inhaltslosen Vorwürfe gegen die Regierung, die nun endlich zurecht geltendes Recht durchsetzt, zeugen nur von Agitation und Politik zu Lasten aller Österreicher und tatsächlich Schutzbedürftiger – eben Personen mit positiven Asylbescheid. Lehrstellen sollen Menschen zur Verfügung stehen, welche sich legal in unserem Land aufhalten.“
Kneissl für Abschiebungen von Lehrlingen
Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) hat sich am Montag ebenfalls hinter die Pläne der Regierung gestellt. "Es ist uns sehr daran gelegen, aus der Flüchtlingskrise keine Integrationskrise werden zu lassen", sagte Kneissl beim Forum Alpbach bei einer Diskussionsrunde zum Thema Integration. Es gebe in Österreich über 30.000 arbeitslose Asylberechtigte. 8.700 davon seien in einem Alter, das zur Lehrlingsausbildung befähige. Demgegenüber stünden derzeit rund 800 Asylwerber, die eine Lehrausbildung machen.
Die derzeitige Abschiebepraxis bei Lehrlingen ist laut Kneissl unumgänglich. Bei Asylverfahren könne man Richtersprüche "nicht einfach hinwegwischen und sagen, die Entscheidung der Gerichte interessiert mich nicht, weil dann ist der Rechtsstaat auch infrage gestellt", sagte die Ministerin. Unternehmen würden schließlich auch nicht einfach auf einem Grundstück eine Produktionsstätte errichten, wo der Rechtsstatus strittig ist. Asylwerbern empfahl die für Integration zuständige Ministerin, sich ehrenamtlich einzubringen. Sie könnten etwa in einem Hospiz arbeiten, das habe sie selbst in der Vergangenheit auch getan.
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) hat am Montag bekräftigt, dass Asylwerber, die bereits eine Lehre machen, diese abschließen sollen dürfen. Auch bei jenen, die einen negativen Asylbescheid bekommen haben, werden die rechtlichen Möglichkeiten, die Lehre fertig zu machen, geprüft. "Das ist glaube ich ein wichtiger Punkt. Darüber wurde viel diskutiert. Das können wir anbieten", so Schramböck im Ö1-Mittagsjournal. Man schaue sich die rechtlichen Möglichkeiten an, dass Lehrlinge mit negativem Asylbescheid die Ausbildung abschließen können, bevor sie das Land verlassen müssen, sagte die Ministerin. Sie verteidigte die Abschaffung der Lehre für Asylwerber damit, dass es in Österreich 8.600 anerkannte Flüchtlinge unter 25 Jahren gebe, die einen Job suchen.
Man werde "Initiativen und Programme starten für die Asylberechtigten", um die Betriebe und die Arbeitssuchenden zusammenzuführen. Besonders wichtig sei auch der geplante Niederlassungstitel für Lehrlinge über die Rot-Weiß-Rot-Card. Die Zuwanderungskarte soll bürokratisch vereinfacht werden, denn "es sollen jene zu uns kommen, die wir brauchen und nicht jene, die zufällig zu uns kommen".
Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), der derzeit auch den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz innehat, hält das Vorhaben generell für einen "falschen Ansatzpunkt". Das teilte Niessl am Rande einer Pressekonferenz am Montag mit. Er selbst habe einen eigenen Vorschlag, den er auch für den besseren halte. "Nämlich, dass Asylwerber zunächst die deutsche Sprache lernen, dass sie auf der anderen Seite auch einen Pflichtschulabschluss machen müssen", so Niessl. Das dauere etwa 14 bis 16 Monate. "Und dann sollte entschieden werden, ob jemand asylberechtigt ist oder nicht asylberechtigt ist. Und das ist durchaus möglich. Ist er asylberechtigt, kann er dann nach 14 bis 16 Monaten mit der Lehre beginnen, ist er nicht asylberechtigt, dann eben nicht", erläuterte der Landeshauptmann.
Schellhorn: Aufstehen gegen Politik der "rechtsnationalen Regierung"
Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn hat in der Vergangenheit bereits mehrmals die Möglichkeit der Lehre für Asylwerber verteidigt. Seine Kritik fällt besonders heftig aus: „Das ist völlig realitätsfremd und zynisch und legt die geringe Wirtschaftskenntnis des Herrn Vizekanzler bloß. Es zeigt, welchen Kurs Strache und die Bundesregierung verfolgen: Das Spalten der Gesellschaft wird munter fortgesetzt – die Bedürfnisse der vielen Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich in den vergangenen Wochen lautstark zu Wort gemeldet haben und sich für ihre Auszubildenden eingesetzt haben, sind der Bundesregierung aber offenbar egal. Und außerdem tritt die Bundesregierung mit solchen Maßnahmen die Integrationswilligen in diesem Land mit Füßen.“
"Ich denke, dass wir alle in der Wirtschaft aufstehen müssen und uns das nicht mehr gefallen lassen können, was diese rechtsnationale Regierung hier vom Stapel lässt", sagte Schellhorn außerdem im Ö1-Morgenjournal.
Landau: "Völlige Fehlentscheidung"
Vor allem Hilfsorganisationen haben die Regierungspläne harsch kritisiert. "Ich halte das für eine völlige Fehlentscheidung in menschlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht", meinte Caritas-Präsident Michael Landau zu dem Vorhaben von ÖVP und FPÖ. Etwas lernen zu können und einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen sei selbst dann wichtig, wenn Jugendliche nicht bleiben können. Landau: "Ich appelliere an die österreichische Bundesregierung, jetzt keine überhasteten Entscheidungen zu treffen."
Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer bezeichnete es als "aus ökonomischer Sicht für unklug und falsch", den Erlass von 2012 zurückzunehmen, der die Lehrlingsausbildung für Asylwerber bis 25 Jahre in Mangelberufen erlaubt. Auch aus humanitärer Sicht sei dies entschieden abzulehnen. "Man sollte jungen Menschen eine Perspektive anbieten und ihnen eine Zukunftschance geben, anstatt sie zur Untätigkeit zu zwingen", so Schöpfer.
Auch die Asylkoordination "verurteilte" den Plan der Regierung, den Lehrlingserlass außer Kraft zu setzen, "aufs Schärfste". Diese Maßnahme sei ein weiterer Schritt zur nachhaltigen Desintegration von jungen Flüchtlingen. "Sie werden so - auch nach Zuerkennung eines Schutzstatus - auf Niedriglohnsektoren festgenagelt, wo sie gezwungen werden, zu schlechten Bedingungen zu arbeiten und so unfreiwillig zu Lohndumping beitragen".
Darüber hinaus übte SOS Mitmensch scharfe Kritik: "Eine solche Zugangsblockade würde Integration torpedieren und die Chancen junger Menschen vernichten." Wer den Zugang zur Lehre versperre, öffne "das Tor zu tiefer Leere". Es drohe "ein Rückfall in die integrationspolitische Steinzeit", meinte Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch.
Die Wirtschaftskammer fordert einen humanen Umgang mit Asylwerbern und die Ausweitung der Rot-Weiss-Rot-Card: „Wichtig ist eine klare Regelung, die sauber zwischen Asyl und qualifizierter Zuwanderung unterscheidet. Dabei tritt die Wirtschaftskammer für einen eigenen Niederlassungstitel zur Absolvierung einer Ausbildung für Lehrlinge aus Drittstaaten, als auch eine Verbesserung und Ausweitung der Rot-Weiss-Rot Card ein." Die Wirtschaftskammer plädiere "im Sinne unserer Betriebe, für Asylwerbende, die einen Lehrplatz inne haben, für eine humane und pragmatische Herangehensweise, die sich an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiert.“
Christoph Pinter, der Leiter des UNHCR Österreich, äußert Bedauern: "Für viele junge Asylsuchende würde das bedeuten, dass sie oft jahrelang untätig herumsitzen müssen, anstatt in Österreich etwas Sinnvolles zu tun und dabei etwas zu lernen", sagte , am Montag in einer Aussendung. Zugang zu Bildung und Ausbildung seien sowohl für die jungen Menschen, als auch für die gesamte Gesellschaft eine Investition in die Zukunft, so Pinter weiter. Aus Sicht des UNHCR ist die geplante Änderung "ein Schritt in die falsche Richtung".
Kritik kam auch aus der evangelischen Kirche in Österreich. Olivier Dantine, Superintendent der Diözese Salzburg-Tirol, schrieb auf Facebook: "Eine Ideologie, die Stimmung gegen Asylwerber macht, hat Menschlichkeit und Vernunft ausgestochen. Es geht offenbar nur noch darum, Integration zu verhindern."