Nichts zu lachen mit Faymann und Spindelegger
Von Evelyn Peternel
Es war die letzte Pressestunde dieses Jahres: Schon im KURIER-Interview (siehe unten) sprachen die Werner Faymann und Michael Spindelegger über ihre Pläne der neuen Regierung - jetzt befragten Fritz Dittelbacher (ORF) und Eva Weissenberger (Kleine Zeitung) das neue alte Koalition-Duo über das, was uns die nächsten fünf Jahre bringen sollen.
Diese neue Einigkeit ist es auch, die viele irritiere, meinen die beiden Fragesteller. Schließlich sei in den vergangenen Wochen mehr Dissens spürbar gewesen, gerade von Seiten des Juniorpartners. „Ich habe nie den Plan B im Hinterkopf gehabt“, sagt Spindelegger angesichts des Verdachts, dass er – wie einst Wolfgang Schüssel – parallel mit der FPÖ verhandelt habe.
Das Budgetloch, schon fast vergessen
Ob er künftig - als Finanzminister – auch so fröhlich mit positiven Prognosen Budgets erstellen werde wie damals? „Wir haben immer die aktuellen Wirtschaftsprognosen zugrunde gelegt, das bleibt auch so“, sagt er zu dem Vorwurf, man habe mit geschönten Zahlen hantiert. Denn: „Alle drei Monate ändert sich‘s, das darf man nicht vergessen.“
Faymanns Meinung zum Budgetloch ist eine konkretere: Ziel sei das Nulldefizit bis 2016. „Jeder Euro, den wir für Staatschulden-Zinsen ausgeben, ist ein Euro zu viel“, dreht der SP-Chef eine Kreisky-Aussage um. Waren ihm noch ein paar Milliarden Schilling Schulden lieber als ein paar hunderttausend Arbeitslose, hält es Faymann jetzt eher mit den Sparefrohs.
Das Abenteuer Hypo
In einem Fall wird das Sparen allerdings schwierig – bei der Hypo nämlich. Ob man deshalb eine Bad Bank schaffen werde? „Morgen werd ich mich als erstes um diese Frage kümmern“, sagt Spindelegger, auf die Angelobung morgen verweisend. Und er verweist auch – beinahe gebetsmühlenartig – darauf, dass es ja eine Task Force für die Hypo gäbe, die wisse, was sie tue.
Wie versprochen, so gebrochen
Übrig bliebe jedenfalls ein Loch im Staatshaushalt – und „das, was an Lücke da ist, muss durch Steuern geschlossen werden“, sagt der künftige Finanzminister. Dass er selbst vor der Wahl im Mai noch in einem Interview versprochen habe, mit ihm es gebe keine Steuererhöhung, findet er nicht weiter tragisch: Wenn die Wirtschaftsdaten so seien, wie sie momentan vorlägen, müsse man halt Maßnahmen treffen. „Meine Aussagen sind größtmöglich eingehalten worden. Aber man kann nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.“
Überall Enttäuschung
Auch die SP hat anderes gehalten als versprochen wurde – eine Steuersenkung etwa. Dazu, dass die nun auf die lange Bank geschoben wurde, sagt Faymann: „Zur Stunde kann ich seriöserweise kein Datum dazu sagen.“ Die Enttäuschung der Wähler kann er zum Teil nachvollziehen – die Enttäuschung wäre aber umso größer, wenn man gar keine Einigung gefunden hätte, ist sich der neue Kanzler sicher.
Die Enttäuschung über die Abschaffung des Wissenschaftsressort verstehen allerdings beide nicht. Spindelegger bemüht dafür gar Sebastian Kurz als Vergleichsobjekt: Der 24-jährige „Schnösel aus Wien“ sei ihm vor fünf Jahren angelastet worden, jetzt sei es halt die Wissenschaftsressort-Entscheidung, sagt Spindelegger. Mittlerweile habe man gesehen, wie Sebastian Kurz sich positiv entwickelt habe; dies werde auch in puncto Ressortsneuverteilung so sein. Er wolle mit den Rektoren noch extra darüber sprechen, dass die „Entscheidung keine Abwertung, sondern eine Aufwertung der Wissenschaft“ sei. Und zum ehemaligen Ressortchef Töchterle, der seinen Unmut über diese Entscheidung ebenso wie die Rektoren öffentlich kundtat, meint er lapidar: „Persönliche Betroffenheit verstehe ich.“
Holterdipolter-Bestellungen
Dass dieser erst am Tag der Präsentation erfahren habe, dass sein Ministerium künftig nicht mehr existieren werde, wird dem VP-Chef auch angelastet – ebenso wie die anderen Personalentscheidungen, die „holterdipolter“ wirken würden, wie Dittelbacher sagt. „Das sind oft kurzfristige Entscheidungen, das kann man nicht mit jedem besprechen“, argumentiert Spindelegger.
Schon länger gemutmaßt wurde darüber, dass Sebastian Kurz Spindeleggers Nachfolger im Außenamt werde – aber auch hier regt sich Widerstand. Dies kann der VP-Chef gar nicht nachvollziehen: „Es wurde die Verlässlichkeit Österreichs immer hochgehalten. Auch Kurz wird das tun.“
Und die Kritik seines Vorgängers Erhard Busek, dass gar nicht Kurz das Problem sei, sondern die generell fehlende Außenpolitik? „Was der Erhard Busek nicht alles sagt. Das rührt mich nicht besonders.“
Die neuen alten Köpfe in der Regierung
SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann muss sich viel Kritik am Koalitionspakt anhören, verteidigt ihn aber im KURIER-Interview: Koalieren heißt Kompromisse eingehen. Auch ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger wird von den Länderorganisationen kritisiert, und auch er steht hinter seinen Personalentscheidungen.
KURIER: Herr Bundeskanzler, als ehemaliger SJ-Chef von Wien können Sie sich ja in junge Menschen gut hineindenken. Wie hätte denn der SJ-Chef Faymann auf dieses Koalitionsabkommen reagiert?
Werner Faymann: Das ist eine unfaire Frage, weil es natürlich das Recht der Jungen ist, anders und eigenständig zu entscheiden. Daher respektiere ich, wie die Sozialistische Jugend entscheidet. Ich kann nur sagen: Die Gewerkschaftsjugend und die Junge Generation der SPÖ haben dafür gestimmt.
Welche Argumente der Jungen verstehen Sie am ehesten?
Gerade junge Leute wollen immer wesentlich mehr Gedankengut lesen, als realpolitisch möglich ist, in ein Arbeitsprogramm zu schreiben. Am liebsten wäre es allen, dass dasselbe, was in einem Wahlprogramm steht, auch im Regierungsprogramm abgebildet wird. Das geht aber nur mit einer absoluten Mehrheit.
In der SPÖ grüßt man sich mit „Freundschaft“. Geht das mit dem steirischen Landeshauptmann Franz Voves auch noch?
Er hat gesagt, er geht aus persönlichen Gründen. In einer langen Diskussion, in der er keinen einzigen politischen Grund genannt hat, warum er seine Bundesfunktion nicht mehr ausüben will. Franz Voves hat kein einziges Argument gegen das Regierungsprogramm gebracht und sich aus persönlichen Gründen enthalten.
Ist es nicht symptomatisch für das Regierungsprogramm von der Bildung bis zur Steuer und anderen Kapiteln, dass der eine dem anderen nichts gegönnt hat? Und im Zweifel macht man dann gar nichts.
Das ist unfair, weil so viele Programmpunkte das Gute und Richtige von beiden Parteien darstellen. Das beginnt bei vielen sozialen Absicherungen, insbesondere bei der Pflege und Gesundheit. Geht weiter zu echten Reformen im öffentlichen Dienst und führt zu anderen wesentlichen Fragen der Finanzen. Entscheidend ist: Wie stabil sind unsere Finanzen, damit wir Geld für Bildung, Geld für Forschung haben. Diese Punkte zusammengerechnet, stellen ein sehr gutes Programm dar.
Ihnen wird jetzt vor allem Ihr Wahlversprechen von der Vermögenssteuer vorgehalten.
Das war kein Wahlversprechen, und das beginnt bei der absichtlich falschen Verwendung dieses Begriffes.
Ist es mehr eine Verwendungszusage gewesen?
Was ich in ein Wahlprogramm schreibe, dafür setze ich mich ein. Aber dann bin ich gefragt worden, was ist deine Bedingung? Eine Bedingung wäre ein Wahlversprechen gewesen. Aber ich habe gesagt, ich stelle keine Bedingungen, weil ich erwarte, dass ich eine Koalition zu bilden habe und nicht mit absoluter Mehrheit regiere. Nochmals: Ich habe nie gesagt, ich verspreche eine Vermögenssteuer. Aber was ich verspreche, ist, dass ich mich auch in Zukunft für vermögensbezogene Steuern einsetzen werde.
Wie genau?
Auch in der vergangenen Legislaturperiode haben wir hier annähernd drei Milliarden Euro erzielt – von der Wertpapierzuwachssteuer bis zum Solidarbeitrag. Wir haben viele Änderungen vorgenommen, jetzt etwa auch mit der Gruppenbesteuerung, um ein Stück von dem Weg zu gehen: Reich und arm dürfen nicht auseinanderklaffen, wie das ohne Gegensteuerung passieren würde.
Das Vermögen ist in Österreich ungleich verteilt, nach Meinung vieler auch ungerecht.
Wir sind in Österreich eine Gesellschaft, die um vieles gerechter ist, als in Ländern, wo es unseren sozialen Ausgleich nicht gibt. Aber auch wenn wir so ein Vorbild sind, muss ich sagen: Ja, die Kluft ist größer geworden und damit wird ein Sozialdemokrat nie zufrieden sein.
Die Koalition steht. Haben Sie jetzt Bedingungen? Was muss für Sie umgesetzt werden von diesem recht unverbindlichen Programm?
Es ist kein unverbindliches Programm. Alle Punkte beispielsweise im Steuerbereich, von der Gruppenbesteuerung bis zum Solidarbeitrag, sind so umzusetzen. Und das gilt auch für alle anderen Punkte, wo wir gemeinsam sparen müssen, damit wir Steuergelder nicht verschwenden für erhöhte Zinsen bei Staatsanleihen. Das wäre die ungerechteste Verteilung.
Bei den Pensionen soll das Antrittsalter steigen. Wenn das nicht gelingt, kann es zu Pensionskürzungen kommen?
Wenn man ein Ziel ansteuert und man sieht, es sind Unwägbarkeiten auf diesem Weg, dann muss man aus allen denkbaren Möglichkeiten auswählen, um dieses Ziel zu erreichen. Wir werden aber bei keinem Problem in den nächsten fünf Jahren im Regierungsprogramm nachblättern können wie in einem Rezeptbuch.
Also wird jedes Mal heftig gestritten werden.
Eine Regierung muss ein Team sein. Das verstehe ich unter neuem Regieren. Mit Teamgeist werden solche Fragen gelöst. Es können ja in jedem Bereich unvorhergesehene Probleme auftauchen. Es könnte sich die Konjunktur aber auch besser als erwartet entwickeln, dann tun wir uns leichter, wenn der Spielraum steigt. Ich werde jedenfalls alles tun, um die Teamfähigkeit zu erhöhen.
Also steht über dieser Regierung das Wort Team, aber auch das Prinzip Hoffnung.
Das Prinzip Durchsetzung. In einem Land, das bei der Wirtschaftskraft pro Kopf den zweiten Platz in Europa hat, ist die Verantwortung groß, dass das so bleibt. Und dafür muss man viel tun.
Bei Sophie Karmasin hat man das Gefühl, dass die ÖVP jemanden gegen die Neos positioniert. Das sieht man bei der SPÖ nicht. Haben Sie keine Angst, dass sich links Ihrer Partei eine starke Gruppierung bilden könnte?
Nein, wenn man eine aufrechte Politik macht, wo die Menschen spüren, dass einem Armutsbekämpfung und Fairness zentrale Anliegen sind, dann nicht.
Jetzt wandern die Unzufriedenen zu Strache ab, er führt in vielen Umfragen.
Wenn Menschen enttäuscht sind, dann machen sie oft die Politik im Allgemeinen verantwortlich. Die Hetze der FPÖ hat jedoch überhaupt nur eine Funktion. Sie versucht die Pauschal-Abqualifizierung sprachlich zum Höhepunkt zu bringen.
Eine Frage zum Team: Man hat das Gefühl, Sie brauchen eine Komfortzone um sich herum und haben daher mit einer Ausnahme keine Leute ausgetauscht.
Ich hatte dazu auch keinen Grund. Die Leute, die gut gearbeitet haben, haben weiter mein Vertrauen. Mein Prinzip ist: Wer gut ist, hinter dem steht der Chef.
Und die 32-jährige Juristin Sonja Steßl? Sie hat in einem Unternehmen gearbeitet, sie sitzt seit einiger Zeit im Parlament. Aber trauen Sie Frau Steßl zu, im Rat der EU-Finanzminister, etwa neben Wolfgang Schäuble, hochkomplizierte Finanzthemen zu diskutieren?
Ich traue das einer jungen, engagierten und gescheiten Frau zu. Aber zur Klarstellung: Neben Herrn Schäuble sitzt unser Herr Finanzminister Spindelegger. Sonja Steßl hat eine Stellvertreterrolle als Staatssekretärin.
Verstehen Sie die Professoren, die jetzt protestieren, dass es kein eigenes Wissenschaftsministerium mehr gibt?
Ich verstehe auch die Künstler, die protestieren, dass es kein eigenes Kunstministerium gibt. Ich kann aber meinen Respekt und meine Wertschätzung gegenüber der Kunst und Kultur in unserem Land nicht mit einem Ministerium ausdrücken, sonst bräuchte ich 30 Ministerien.
Sie haben Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll vor einer Woche getroffen. Danach ging es mit der Regierungsbildung sehr schnell. Wenn man also mit der ÖVP einen Deal machen will, muss man mit Pröll reden.
Das ist unfair, weil ich mit Michael Spindelegger wirklich sehr viele Stunden und Gespräche hatte. Dass uns Erwin Pröll und Michael Häupl und viele politisch Verantwortliche bei den Verhandlungen unterstützt haben, hat uns gutgetan. Aber vereinbart haben es wir beide.
Hat Österreich jetzt einen unabhängigen Justizminister?
Ja. Wolfgang Brandstetter ist meiner Meinung nach hoch kompetent, vom Fach und persönlich integer.
Und Sie haben sich bei ihm auch gut aufgehoben gefühlt in der Inseratenaffäre?
Mein Fall war ein leichter. Aber ja, ich schätze ihn auch persönlich.
KURIER: Herr Vizekanzler, ich lese, Sie stehen auf der Watchlist der steirischen ÖVP ...
Michael Spindelegger: Die Steiermark lebt Reformen vor. Ich hoffe, auch die Steirer überzeugen zu können, dass diese neue Regierung etwas zustande bringt. Aber ich bitte auch um Verständnis. Ich muss mir mein Team selber zusammenstellen.
Ist der Unmut allein durch die Personalentscheidungen begründet?
Ich bin überzeugt davon, dass die Regierungsmannschaft, wie ich sie präsentiert habe, für Österreich etwas weiterbringt.
Haben Sie im Parteivorstand die Vertrauensfrage gestellt?
Ich habe erklärt, warum ich diese Persönlichkeiten nominiert habe. Ich habe dort aber nicht gedroht.
Wie werden Sie in den nächsten Tagen versuchen, die Länder zu beruhigen?
Ich werde versuchen, künftig einen Tag pro Woche in den Ländern zu verbringen. Ich denke, dass sich viele derzeit noch nicht detailliert mit dem Inhalt des Paktes und mit den Personalentscheidungen auseinandergesetzt haben. Und ich habe heute auch viele positive Zuschriften erhalten, die etwa sagen, das ist ein tolles Team.
Für Unmut hat vor allem das Aus für Wissenschaftsminister Töchterle gesorgt. Er selbst spricht von „schlechter Symbolik“, die Rektoren rufen den Bundespräsidenten auf, diese Regierung nicht anzugeloben.
Meine Absicht war, rund um das Zukunftsthema Forschung zwei Ministerien unter einen Hut zu bringen. Bisher wurde die angewandte Forschung im Wirtschaftsministerium betreut, die Grundlagenforschung im Wissenschaftsministerium. Beides gehört aus meiner Sicht zusammen. Es wird ja kein Ministerium aufgelöst, sondern die zuständigen Persönlichkeiten erhalten einfach einen neuen Minister. Aus meiner Sicht ist das eine Aufwertung, wenn rund um die Forschung andere Agenden angesiedelt werden.
Frau Karmasin ist als Familienministerin ebenfalls neu in Ihrer Regierung. Sie ist jung, weiblich und Unternehmerin. Ist sie ein Signal Richtung Polit-Konkurrenz Neos?
Sophie Karmasin ist ein Signal für die Familien. Im Zentrum des heutigen Lebens steht, wie man Beruf und Familie vereinbaren kann. Ich glaube, dass sie viele Impulse setzen wird.
Zum Regierungsprogramm: Die neue KURIER-Umfrage zeigt, dass die Bevölkerung sehr unzufrieden ist mit der Koalition. Die Mehrheit der Befragten glaubt nicht an eine Steuerentlastung oder dass es gelingt das Pensionsantrittsalter anzuheben. Was antworten Sie den Skeptikern?
Das sehe ich als Auftrag. Wir müssen die Bevölkerung durch unsere Arbeit überzeugen. Das heißt auch viel erklären und gut zusammenarbeiten und gemeinsam Projekte umsetzen.
Thema Schule: Die ÖVP hat die Ganztagsschule als Zwangstagsschule abqualifiziert. Jetzt wird die Ganztagsschule finanziell sehr stark unterstützt.
Es wird am Schulstandort entschieden, ob es einen verschränkten Unterricht gibt oder ob es am Vormittag Unterricht und am Nachmittag Betreuung gibt, wo nicht alle Kinder in der Schule sein müssen. Ich sage, wir müssen offen sein für beides. Damit haben wir einen sehr pragmatischen Weg gewählt– immer mit Wahlfreiheit der Eltern.
Aber soll es ein deutlich größeres Angebot an Plätzen geben?
Es muss ein deutlich höheres Angebot geben, weil arbeitende Eltern nur dann ein gutes Gewissen haben, wenn sie wissen, dass die Kinder am Nachmittag gut betreut werden.
Kommen wir zu Ihrer Funktion als Finanzminister: Sie haben sich für 2016 ein ausgeglichenes Budget vorgenommen. Experten sagen, das wird sich mit den Maßnahmen im Regierungspakt wohl nicht ausgehen.
Es geht um ein strukturelles Nulldefizit, das heißt, mit einem Budgetdefizit von 0,45 Prozent ist das Ziel erreicht. Das ist ehrgeizig, aber wir haben Maßnahmen, wie wir das erreichen können, etwa bei Verwaltung, Doppelgleisigkeiten und Pensionen.
Die meisten Offensivmaßnahmen im Koalitionspakt stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Heißt das, wir können uns diese Ideen ohnehin nicht leisten?
Viele Punkte, wie etwa der Ausbau der Ganztagsbetreuung und die Forschungsmittel, werden auf alle Fälle finanziert. Wir haben bei der Erstellung aber auch sehr breite Kreise einbezogen, die Ideen entwickelt haben.
Niemand wird den Koalitionspakt als großen Wurf bezeichnen, oder?
Wenn wir es schaffen, 2016 ein strukturelles Nulldefizit zu erreichen und das auch zu halten, dann ist das ein großer Wurf. Das haben wir noch nie gehabt in Österreich. Zum anderen: Wenn wir es schaffen, dass das Pensionsantrittsalter stärker steigt als die Lebenserwartung, ist das auch eine nie dagewesene Trendumkehr.
Die Erreichung des Nulldefizits klappt nur durch Steuererhöhungen, von denen die ÖVP vor der Wahl nichts wissen wollte.
Im Koalitionspakt finden sie weder Vermögens-, Erbschafts- noch Schenkungssteuer. Aber wir hätten das Budget 2014 nicht aufstellen können, wenn wir nicht da und dort Steuerlücken geschlossen, Indexanpassungen vorgenommen oder andere Maßnahmen, wie höhere Alkohol- und Tabaksteuern beschlossen hätten.
Die Wirtschaft ist enttäuscht. Die Entlastung des Faktors Arbeit funktioniere wieder nicht.
Wir haben vorgesehen, die Lohnnebenkosten um 200 Millionen zu senken. Das ist zum ersten Mal ein Schritt Richtung Senkung.
Finanzministerin Fekter hat gesagt, unser Steuersystem ist „ungerecht und leistungsfeindlich.“ Das bleibt also.
Wir werden, wenn es sich finanziell machen lässt, eine Steuerreform angehen. Wir haben derzeit einen Spardruck, wir brauchen 2016 ein strukturelles Nulldefizit. Das ist das Wichtigste für die Republik. Dass die Trendumkehr geschafft wird und wir nachhaltig ein ausgeglichenes Budget haben. Da muss man auch Opfer bringen.
Ist nicht eine Erbschaftssteuer gerechter, um die Einkommensteuer zu senken?
Nein. Was man sich erarbeitet hat, soll nicht doppelt besteuert werden.
Die Hypo wird die Steuerzahler noch viel Geld kosten. Schließen Sie eine Insolvenz aus?
Ich halte mich an den Rat der Experten. Eine Pleite ist uns nicht vorgeschlagen worden, sondern die Aufstellung eines Fonds, der sich an der Hypo beteiligt.
Im Koalitionspakt findet sich ein „Solidarbeitrag“. Heißt das, dass Pensionen gekürzt werden, wenn das Pensionsantrittsalter nicht wie geplant steigt?
Wir werden alle sechs Monate die Ziele überprüfen. Dann könnten mehrere Maßnehmen in Kraft treten.
Würden dann kurzfristig Pensionen gesenkt?
Ich gehe davon aus, dass unsere Maßnahmen halten werden. Aber im Falle, dass das nicht eintritt, müssten wir vieles andenken: moderate Pensionserhöhungen, es würden Zu- und Abschläge geändert oder das gesetzliche Pensionsalter könnte steigen.
Über die Maßnahmen ist man sich noch nicht einig. Da ist ja Streit programmiert.
Man muss ja den Grund für die Zielverfehlung prüfen. Mir war wichtig, dass die Maßnahmen aufgezählt werden, damit niemand glaubt, wir würden nicht auch unangenehme Dinge setzen.
Nicht nur die Pensionen, auch die Privatisierungen werden wohl ein Streitpunkt sein.
Ich möchte nicht privatisieren, um des Privatisierens willen. Ich will dann privatisieren, wenn der richtige Zeitpunkt da ist, um einen guten Preis für die Republik zu erzielen. Und ich möchte die Mittel für Zukunftsinvestitionen verwenden.
Soll das nicht auch für manche Ländergesellschaften gelten?
Das ist Angelegenheit der Länder. Da will ich vom Bund aus keine Vorgabe machen.
Zu den Minister-Rochaden, viele Bürger wundern sich: Kann jeder Politiker alles? Kann man so einfach Finanzminister werden?
Natürlich braucht man Erfahrung in der Führung eines Ressorts. Ich habe fünf Jahre das Außenministerium geführt. Ich war zweieinhalb Jahre der Teamkapitän des ÖVP-Teams in der Regierung. Man kann mir zutrauen, dass ich als Minister genug Erfahrung habe, um dieses Haus zu führen.
Die neuen und alten Köpfe in der Regierung: