Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

Sophie Karmasin wird Familienministerin.
Der KURIER nahm die Neuen in der Regierung unter die Lupe. Bundespräsident Fischer lud heute zum Empfang.

Die Bestellung verlief turbulent, die Kandidaten waren zum Teil mehr als überraschend: Nachdem sich der Bundesparteivorstand der ÖVP Donnerstagabend in einer streckenweise mehr als lebhaften Diskussion auf drei neue Minister verständigen konnte, steht das rot-schwarze Ministerteam.

Die wohl bemerkenswerteste Entscheidung war, die Meinungsforscherin und TV-Kommentatorin Sophie Karmasin zur neuen Familienministerin zu machen.

Als Justizminister schickt Michael Spindelegger den Wiener Strafrechtler Wolfgang Brandstetter ins Rennen, Landwirtschaftsminister wurde – ebenfalls eher überraschend – der Tiroler Andrä Rupprechter.

„Neu“ ist aufgrund der Rochaden im schwarzen Ministerteam auch die Zuständigkeit des bisherigen Wirtschaftsministers Reinhold Mitterlehner – er bekommt das gesamte Wissenschaftsministerium hinzu, was in der Community gestern für erhebliche Aufregung sorgte.

Komplettiert wird der Reigen der Neuen durch die bereits am Mittwoch fixierten Staatssekretäre im Finanzressort Sonja Steßl (SPÖ) und Jochen Danninger (ÖVP).

Die Neo-Finanzminister Michael Spindelegger zugeordneten Staatssekretäre haben unterschiedliche Aufgaben: Steßl soll für die Sozialdemokraten die Geschehnisse im Finanzressort überwachen; Danninger macht, was er schon bisher als Büroleiter tat, nämlich: den mehrfach belasteten Spindelegger (Finanzminister, Vizekanzler, ÖVP-Parteichef) entlasten.

Die neuen und alten Köpfe in der Regierung:

Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

Michael Spindelegger präsentiert in der ÖVP-Zentra…
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VP-REGIERUNGSTEAM: KARMASIN
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

VP-REGIERUNGSTEAM: KARMASIN / SPINDELEGGER
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

Michael Spindelegger präsentiert in der ÖVP-Zentra…
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

VP-REGIERUNGSTEAM: RUPPRECHTER
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

LUXEMBOURG EU AGRICULTURE AND FISHERIES COUNCIL
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

Michael Spindelegger präsentiert in der ÖVP-Zentra…
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

THEMENBILD-PAKET NATIONALRATSABGEORDNETE: SONJA ST
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KABINETTSCHEF IM AUSSENMINISTERIUM JOCHEN DANNINGE
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

Austrian Finance Minister Fekter, Education Minist
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AKTION SPÖ FRAUEN ANL. INTERNATIONALER FRAUENTAG:
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

SPÖ-PRÄSIDIUMSSITZUNG: OSTERMAYER
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

KLUBSITZUNG SPÖ: FAYMANN / OSTERMAYER
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

MINISTERRAT: STÖGER
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Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

SITZUNG SPÖ-BUNDESPARTEIPRÄSIDIUM: BURES
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

FESTAKT BUNDESHEER:KLUG
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ÖVP-SOMMERFEST: SPINDELEGGER / KURZ
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ERSTE RUNDE DER BEAMTENGEHALTSVERHANDLUNGEN: FEKTE
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

Karl-Heinz Töchterle, Viktoria Spielmann Interview…
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Michael Spindelegger präsentiert in der ÖVP-Zentra…
Was von den neuen Ministern zu erwarten ist

Michael Spindelegger präsentiert in der ÖVP-Zentra…

Die Sache mit den Kameras, die muss Sophie Karmasin noch in den Griff bekommen, unbedingt sogar; sonst hat sie als Ministerin schlechte Karten.

Das Problem ist nämlich folgendes: Wann immer die designierte Familienministerin im Fernsehen live auf Sendung geht, plagt sie veritables Herzklopfen.

Sie leide bei Auftritten unter Stress, spüre eine Anspannung und schlafe danach oft schlecht, beichtete Karmasin – damals noch Meinungsforscherin – vor Kurzem der Krone. Entspannung bringe erst das Frühstück am nächsten Morgen, wenn ihre Kinder sagen „Mutti ist super“.

Selten zuvor hat die Nominierung einer ÖVP-Ministerin derart überrascht wie die der 46-jährigen Kommunikationsforscherin. Was aber ist ihre Agenda, was ihr politisches Ziel?

Darüber herrschte am Tag nach der Bekanntgabe der ÖVP-Personalentscheidung weitgehend Rätselraten. Die meisten Wegbegleiter haben zwar reichlich Lob für die Meinungsforscherin Sophie Karmasin übrig („Eine gute Verkäuferin und Präsentatorin“; „bei der Motiv-Forschung kann man ihr nichts vormachen“, etc.). Geschäftspartner beschreiben sie zudem als konzentriertes Gegenüber. „Treffen mit ihr laufen kurz und präzise ab, ohne viel Rundherum und Small Talk. Sie ist sehr um Professionalität bemüht“, erzählt ein Unternehmer.

Die Politikerin Sophie Karmasin ist für Bekannte, Insider und Branchenkollegen im Gegenzug aber nur schwer zu verorten, mehr noch: Überraschend häufig fällt der Satz: „Die Sophie ist eigentlich kein besonders politischer Mensch.“ Tatsache ist, dass sie schon als Meinungsforscherin und TV-Analystin auffällige Schwierigkeiten mit der nötigen Abgrenzung zu politischen Parteien zeigte.

Als exemplarisch gilt die Causa Christine Marek: Im Wahlkampf engagierte sich Karmasin ganz offen für die ÖVP-Politikerin, sie unterstützte Mareks Personen-Komitee. Das Problem war nur: Die Meinungsforscherin war gleichzeitig Analystin des staatlichen Rundfunks. Doch als ORF-Journalisten Karmasin auf die problematische Optik hinwiesen, antwortete die studierte Psychologin und Betriebswirtin achselzuckend, sie könne keinen Interessenkonflikt sehen.

Start-Nachteil

Objektiv betrachtet hat Karmasin zumindest ein wesentliches Problem, man könnte auch sagen: einen erheblichen Start-Nachteil. „Wie alle Quereinsteiger verfügt sie über keine Hausmacht in der Partei. Und das ist bei Konflikten oder wenn sie politisch heikle Ideen umsetzen will, zweifelsohne ein wesentliches Erschwernis“, sagt Meinungsforscher Peter Hajek über die Ex-Branchenkollegin.

Konkret bedeutet das in der Volkspartei: Wer sich nicht auf den Rückhalt eines Bundes (ÖAAB, Bauern, Wirtschaft, Senioren) oder einer gewichtigen Landespartei berufen kann, der oder die hat es bisweilen schwer, etwas durchzubringen – oder allfällige Regierungsumbildungen dann zu überleben. Man denke an die ÖVP-Quereinsteigerin im Justizressort, Claudia Bandion-Ortner.

Aber vielleicht ist die parteipolitische Unbelecktheit ja auch Karmasins größtes Plus. „Sophie ist nicht in den retardierten Partei-Ritualen gefangen“, sagt ein ehemaliger Arbeitskollege. „Sie sieht die Regierung von außen, hat einen frischen Blick. Vielleicht ist es genau das, was die Koalition jetzt dringend braucht.“

Offiziell sagt er noch nichts – wie sähe das denn aus, wenn ein Minister frank und frei über seine Pläne plaudert, noch ehe ihn der Bundespräsident angelobt hat?

Im Unterschied zu anderen Quereinsteigern ist bei Wolfgang Brandstetter, dem designierten Ressortchef im Justizministerium, aber schon jetzt klar, wohin die justizpolitische Reise geht bzw. gehen soll.

Denn der von Experten-Kollegen als umsichtig, bescheiden und kompetent beschriebene Wiener Strafrechtler ventiliert seit Jahren, was sich in der Justiz ändern muss.

Die wesentlichste Änderung, die der 56-Jährige zuletzt vorschlug, ist die ohnehin viel diskutierte Abschaffung des Weisungsrechts für den Justizminister.

Zur Erinnerung: Derzeit sind alle Staatsanwälte dem Ressort-Chef unterstellt. In letzter Instanz obliegt es also dem oder der Ressortchefin, zu entscheiden, ob und wie in Strafverfahren vorgegangen wird.

Im Alltag der Anklagebehörden spielt die Weisungskette meist keine große Rolle; wollen Minister Weisungen erteilen, so müssen sie dies schriftlich tun – was selten passiert.

Politischer Streit

Die „bloße Existenz“ des Weisungsrechts, so erklärte Brandstetter vor einem Jahr in einem Gastkommentar für den KURIER, verhindere aber, „dass die Justiz aus parteipolitischen Auseinandersetzungen verlässlich herausgehalten wird“.

Primäre Aufgabe des Justizministers sei, das Vertrauen in die unabhängige Justiz zu stärken – eben deshalb müsse das Weisungsrecht fallen.

Was aber geschieht mit jenen Einzelfällen, in denen der Ressort-Chef einen groben Schnitzer beheben will? In diesen – wenigen – Fällen soll er den Obersten Gerichtshof anrufen können. Den Vorwurf, der Minister würde Verfahren aktiv beeinflussen, Ermittlungen abdrehen oder forcieren, könnte man der Justiz damit ersparen.

Geht’s nach Brandstetter, wird der Ressortchef zum „Compliance Officer der Republik“.

Was bedeutet das konkret? In größeren Unternehmen kümmern sich „Compliance“-Beauftragte darum, dass ein Unternehmen (internationale) Anti-Korruptionsgesetze einhält. Das reicht von der Frage, ob und welche Geschenke Abteilungsleiter annehmen dürfen bis hin zur Frage, wie man an Ausschreibungen teilnimmt.

Compliance Officer sorgen also dafür, dass ein Unternehmen Regeln und Gesetze einhält – und genau das wünscht sich Brandstetter von der Justiz.

Freilich nicht, indem mit möglichst drakonischen Strafen gedroht wird, nein. Der Wiener Strafrechtler gilt als Verfechter eines umfassenden Präventionsgedankens. In den Worten Brandstetters klingt das so: „Eine Gesellschaft, die sich mehr mit Repression als mit Prävention beschäftigt, neigt zur Verrohung.“

Damit auch die westlichen Bundesländer in der Regierung vertreten sind, musste VP-Chef Spindelegger letztlich einen Tiroler nominieren. Mit Andrä Rupprechter, der für Spindelegger nur zweite Wahl für das Amt des Landwirtschaftsministers war, fanden sie dabei einen ausgewiesenen Agrarfachmann, der in Österreich und der EU nicht nur bestens vernetzt, sondern auch mit dem EU-Agrardossier bestens vertraut ist. Schließlich hat er viele der heute geltenden Regelungen seit 2007 mitverhandelt und mitgestaltet.

Als EU-Direktor für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im Europäischen Rat war Rupprechter von 2007 bis 2012 hauptverantwortlich für die Ratssitzungen der EU-Agrarminister. Jeder Vorschlag, jede Resolution und jedes Veto lief jahrelang über seinen Schreibtisch. Als schwierig gestalteten sich in seiner Amtszeit besonders die Proteste der Milchbauern wegen des niedrigen Milchpreises und das Agrarkapitel für die neue EU-Finanzperiode. Nützlich werden dem neuen Minister seine Kontakte von damals sein. Von der französischen Regierung wurde er sogar zum „Commandeur de l'Ordre du Mérite Agricole“ ernannt.

Ländliche Wurzeln

Rupprechter, Jahrgang 1962, stammt aus Brandenberg, gleich gegenüber von Alpbach, wo er seit 2004 jeden Sommer beim „Forum Alpbach“ zu Vorträgen über „Networking und Lobbying“ eingeladen wird. Als Tiroler ist er freilich Mitglied bei den Tiroler Schützen (Schützenkompanie Brandenberg), als passionierter Jäger auch Mitglied im Tiroler und niederösterreichischen Jagdverband. Eines seiner Lebensziele: „Einmal einen Kronensechzehnender zur Strecke zu bringen und einen Auerhahn in meinem Jagdrevier zu erlegen.“

Was politisch sicher bedeutender ist: Er ist auch Mitglied im Bauernbund. Dessen Präsident Jakob Auer fand daher nur lobende Worte: Rupprechter sei ein „profilierter Agrarexperte von europäischem Format und ausgewiesener Ressortkenner“, die „bäuerlichen Interessen“ wären bei ihm „bestens vertreten“.

Auch ÖVP-Europaabgeordnete Elisabeth Köstinger lobt: „Es hätte keine bessere Wahl geben können. Seine Nominierung ist ein Gewinn für die Regierungsmannschaft und ein Verlust für die EU.“ Besonders erfreulich findet Köstinger, dass ein Experte aus Brüssel in die Regierung einziehen werde. Rupprechter habe mit der „Implementierung des neues EU-Agrarsystems“ große Aufgaben vor sich, sie erwarte sich aber auch „neue Ideen“ vom neuen Minister.

Rupprechters Karriere startete im Kabinett von Franz Fischler 1989, im Ressort von Willi Molterer verhandelte er 1994 das Agrarkapitel für den EU-Beitritt Österreichs, für das er damals schon viel Lob einheimste. Danach wurde er Sektionschef, bis er 2007 nach Brüssel wechselte.

Problematisch für den Neo-Agrarminister könnte werden, dass er auch für Umwelt und Klima verantwortlich sein wird. Seinem Vorgänger Niki Berlakovich wurden nicht die Bauern zum Verhängnis, sondern das Umweltthema Bienen.

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