Politik/Inland

Kronzeugen schneller straffrei?

Er wird im Anzug kommen; er wird im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts nach vorne gehen, in den Zeugenstand; und dort wird Ex-Telekom-Manager Gernot Schieszler berichten, wie ihm Lobbyist Peter Hochegger vor Jahren erzählte, was es die Telekom kostet, wenn der Infrastrukturminister eine für sie genehme Verordnung erlässt.

So ist es geplant am 6. August, dem nächsten spannenden Verhandlungstag im Telekom-Prozess.

Eine Million Euro soll Hochegger als Limit genannt haben, Schieszler hat das mehrfach zur Polizei gesagt, er soll es vor Gericht wiederholen.

Sonder-Status

Der 43-Jährige genießt Sonder-Status: Er ist der bislang erste und einzige Straftäter, den die Justiz als Kronzeuge akzeptiert.

Seit 2011 existiert die gleichnamige Regelung, die Tätern und Justiz neue Möglichkeiten gibt: Wer als Insider bei großen Kriminalfällen (Sexual- und Todes-Delikte ausgenommen) mit neuen Informationen aufwartet, gesteht und maßgeblich zur Aufklärung beiträgt, kann sich nicht die Geld- aber zumindest eine Haftstrafe ersparen.

Für Österreich ist das revolutionär. Wurden Kriminelle bislang ausnahmslos verfolgt und bestraft, darf die Justiz nun mit ihnen verhandeln.

Moser übt Kritik

Die Grüne Gabi Moser nahm Schieszler gestern zum Anlass, Kritik zu üben. „Die Situation möglicher Kronzeugen muss sich verbessern“, sagte Moser, und damit meint sie vor allem, dass der 43-Jährige zwei Jahre warten musste, bis die Justiz ihn zum Kronzeuge machte.

„Es muss schneller klar sein, wer den Status erhält. Sonst haben Informanten zu wenige Anreize.“

Dass die Regelung funktioniert, davon ist man intern überzeugt. „Bei Korruptionsfällen gibt es oft keine andere Möglichkeit der Aufklärung als einen Insider“, sagt Gerhard Jarosch (Wiener Staatsanwaltschaft).

"Die Regel hat noch Schwächen"

Und was meint der Betroffene? „Die Regel hat noch Schwächen“, sagt Schieszler-Anwalt Stefan Prochaska. Insbesondere die Rolle der Anwälte müsse man überarbeiten. Prochaska bringt ein Beispiel: „Wenn mich ein Mandant bittet: ,Fragen Sie anonym nach, ob ich Chancen auf den Kronzeugen habe‘, dann ist das derzeit formal möglich.“ Warum? „Ein streng nach Gesetz agierender Staatsanwalt muss fragen: Vertreten Sie überhaupt jemanden, Herr Prochaska? Und wenn ja wen? Spätestens hier ist das Gespräch zu Ende – allein die Namensnennung des Mandanten könnte Ermittlungen auslösen und ihn somit belasten.“

Im Ministerium gab man sich gestern zu allfälligen Reformen zurückhaltend. „Die Kronzeugenregelung ist bis 2016 befristet“, sagt ein Sprecher von Ressortchefin Beatrix Karl. Davor werde zeitgerecht evaluiert. „Grundsätzlich sind Änderungen aber denkbar.“

Der orange Ex-Wahlkampfmanager sagt am Dienstag: „Es war mir egal, woher das Geld kommt.“ Der Chef der Werbefirma, der den BZÖ-Werbe-Deal an Land zieht, stellt dafür falsche Rechnungen aus: „Ich wollte nicht darauf (auf den Ausgaben für Werbeleistungen) sitzen bleiben. Ich habe akzeptiert, dass ich das so abwickeln musste.“ So heißt, laut Staatsanwalt: Das BZÖ bestellt beim angeklagten Werbe-Unternehmer PR-Konzepte und Inserate. Die Rechnung schickt dieser an die Telekom, getarnt als Forderung für eine Studie über die Glücksspiels-Branche – oder andere Scheinprojekte. Die Telekom zahlt und zahlt und zahlt ...

Rund 1 Million Euro floss so zwischen Haiders Saubermännern a.D. und dem teilstaatlichen Konzern. Die, derer die Justiz bisher habhaft werden konnte, sitzen jetzt auf der Anklagebank. Dort steht aber mehr als ein weiteres dunkles Kapitel der Ära Haider zur Verhandlung. Denn zu verdanken hat die Justiz auch diesen Prozess einem erstmaligen Experiment. Die Anklage fußt auf dem Insider-Wissen des Ex-Telekom-Bosses Gernot Schieszler. Dieser löste damit einen Prozessreigen aus, der schon zu Haft-Urteilen führte. Weil er auspackte, kauft er sich selber als erster Kronzeuge von jeder Straf-Anklage als Mittäter frei.

Ein Deal wie dieser hinterlässt immer einen Hautgout. Nase rümpfen bleibt hier aber ein nicht leistbarer Luxus. Wer beim illegalen Geben und Nehmen mitmacht, konnte bisher sorglos davon ausgehen, dass alle Mittäter aus Selbstschutz für immer schweigen. Österreich braucht aber mehr Mittäter, die zu „Verrätern“ werden. Gegen schamlose Geldgier hilft nur nackte Angst: Der Kronzeuge von gestern ist die beste Schutzimpfung gegen den Korruptionisten von morgen.