Politik/Inland

"Haben wir den Besten für den Job?"

Als Alois Stöger von der Spitze der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse an jene des Gesundheitsressorts wechselte, war das kein Aufreger. Immerhin wurde dem gelernten Maschinenschlosser zugeschrieben, die Kasse in seinem Bundesland saniert zu haben.

Seit aber bekannt ist, dass der Gesundheitsminister demnächst Chef im Infrastrukturministerium sein wird (er beerbt Doris Bures), fragen sich viele: Kann ein Politiker heute in Sachen ELGA und Gesundheitsreform firm sein – und morgen in puncto Koralmtunnel und Breitband-Ausbau? Welche Qualifikationen muss ein Minister haben? Wäre nicht ein Hearing angebracht, also eine öffentliche Anhörung?

Faymann: Ressortwechsel üblich

Werner Faymann argumentiert im Ö1-Morgenjournal, dass ein Regierungsmitglied, ein Abgeordneter und auch eine Nationalratspräsidentin mehr können müsse als Management und auch eine gewisse Erfahrung haben müsse. Fachkompetenz sei nicht unbedingt gefragt.

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Faktum ist, dass ein Ressortwechsel nichts Neues ist. ÖVP-Chef Michael Spindelegger etwa ging vom Außenamt ins Finanzressort, um Maria Fekter abzulösen. Diese war Innenministerin, ehe sie die Finanzagenden übernahm. Doris Bures wiederum war einst für Frauen und Beamte zuständig, dann für Infrastruktur – und alsbald wird die SPÖ-Politikerin Nationalratspräsidentin sein.

Dilettantisch

Sind derlei Jobrochaden ideal? "Die Frage darf nicht lauten: Kann er oder sie das? Die Frage muss doch lauten: Haben wir den Besten oder die Beste für den Job?", stellt Personalberater und Wirtschaftspsychologe Othmar Hill fest. Die Art und Weise, wie in der Politik Posten vergeben werden, bezeichnet er als "dilettantisch". Er meint damit, dass häufig entscheidend ist, aus welchem Bundesland jemand stammt oder welcher Vorfeld-Organisation er oder sie angehört. Hill spricht von "Opportunitätsbesetzungen". Das würde das Image der Politik "schädigen".

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Was zeichnet einen guten Minister aus? Hill: "Politische, fachliche und menschliche Kompetenz." Kommunikationsexperte Wolfgang Rosam befindet, primär gehe es "um politisches Talent, Durchsetzungskraft und Führungsstärke". Zusätzlich müsse ein guter Politiker ein "starkes fachliches Team um sich scharen". Ein "Positivbeispiel" sei Sebastian Kurz. "Der Außenminister macht einen exzellenten Job, obwohl er kein gelernter Diplomat ist. Er hört aber auf die besten Leute."

Für SPÖ-Klubchef Andreas Schieder ist "besonders wichtig", dass Politiker "integer sind und das Wohl der Menschen im Auge haben". Minister müssten auch "scheinbar Gegensätzliches vereinbaren können: Führungskompetenz und Teamfähigkeit, Durchsetzungskraft und Kompromissfähigkeit, Überblick und Detailwissen".

In der FPÖ heißt es, Managementfähigkeiten, soziale Intelligenz und Fachwissen seien eine Voraussetzung, um ein Ressort führen zu können.

Grünen-Chefin Eva Glawischnig findet "das ganze System der Ministerbestellung in Österreich absurd". Die Grünen fordern seit Langem ein öffentliches Hearing für potenzielle Minister im Parlament – wie in Brüssel (siehe unten). Die Neos können dem auch etwas abgewinnen.

Parteipolitisch

ÖVP-Chef Michael Spindelegger plädierte 2013 ebenfalls für eine Anhörung im Parlament, SPÖ-Kanzler Faymann war dagegen. Gestern hieß es in Spindeleggers Büro, an der Position habe sich nichts geändert. Die SPÖ will darüber in einer Enquete-Kommission diskutieren; die FPÖ kann sich Anhörungen im "Hauptausschuss des Nationalrates vorstellen". PR-Experte Rosam hält Hearings zwar prinzipiell für gut, aber derzeit für "nicht realisierbar. Dafür sind wir in Österreich nicht reif genug, wir agieren zu parteipolitisch."

Nicht nur in vielen westlichen Staaten, auch in der EU ist es üblich, vor hohen Postenbesetzungen öffentliche Hearings abzuhalten.

Der Ablauf ist in den EU-Verträgen genau geregelt: Zuerst bewerten die EU-Parlamentarier die designierten Mitglieder der Kommission auf Grundlage ihrer Lebensläufe, ihrer allgemeinen Befähigung, ihres europäischen Engagements und ihrer Unabhängigkeit.

Dreistündiges Hearing

Die Abgeordneten der jeweiligen Parlaments-Ausschüsse stellen dann schriftliche Fragen, die vorab beantwortet werden müssen. Dann folgt das eigentliche Hearing, bei dem die Kandidaten „gegrillt“ werden, wie das dreistündige Hearing im EU-Jargon genannt wird.

Die Furcht der designierten Kommissare vor den Hearings ist groß – auch Österreichs EU-Kommissar Gio Hahn gab zu, sich wochenlang vorbereitet zu haben. Für Hahn ging damals alles glatt.

Zwei Kandidaten konnten bisher in den Hearings nicht überzeugen und zogen ihre Kandidatur zurück, bevor das Parlament ein Veto aussprechen konnte: 2004 traf es den Italiener Rocco Buttiglione wegen abfälliger Äußerungen über Homosexuelle. 2009 die Bulgarin Rumjana Schelewa, die wegen Kritik an ihrem Fachwissen und wegen angeblich falscher Angaben über ihre Nebeneinkünfte die Reißleine ziehen musste.