Politik/Inland

PISA-Blues, alle paar Jahre wieder

Seit sechzehn Jahren erschüttert das Ergebnis des PISA-Tests, der alle drei Jahre durchgeführt wird, die österreichische Bildungspolitik. Die österreichischen Schüler sind gerade einmal Durchschnitt im OECD-Vergleich. Dazu kommt, das Bildungsarmut der Eltern in einem hohen Ausmaß an die Kinder weiter gegeben wird.

Falsche Reformen

Die Politiker erklären seit sechzehn Jahren, dass jetzt sofort reagiert werden muss, angesichts der schwachen Ergebnisse. In Österreich wurde zum Beispiel die Klassengröße reduziert, von maximal 30 Kinder auf 25 Kinder. Und eine Reform der Hauptschule wurde ausgearbeitet, mit Teamteaching und mehr Möglichkeiten für die Lehrer in den Neuen Mittelschulen. Gefruchtet hat das offensichtlich zu wenig.

"Unter der Erwartung"

"Die Ergebnisse für Österreich sind seit der ersten Testung unverändert", sagt Andreas Schleicher, seines Zeichens Bildungsforscher und OECD-Direktor für Bildung, damit hauptverantwortlich für den PISA-Test. "Für mich zeigt sich vor allem, dass Österreich weit unter dem Potenzial des Landes liegt. Es ist eines der wohlhabendsten Ländern der Welt, mit einer ausgezeichneten Ausgangslage. Doch die Ergebnisse sind nur sehr mittelmäßig. Da kann und sollte man sich doch viel mehr erwarten."

Schwache Schüler

Schleicher nennt ein Beispiel: "Es gibt zu viele Schüler, die in Österreich offenbar aus dem Raster fallen, nämlich Schüler aus sozial ungünstigen Verhältnissen. Es gibt aber viele Länder, die uns zeigen, dass auch sozial benachteiligte Schüler sehr gute Leistungen erbringen können. Jene zehn Prozent der Schüler in Vietnam, um ein Beispiel zu nennen, die sozial besonders benachteiligt sind, können sich immer noch mit einem durchschnittlichen österreichischen Schüler messen. Da kann man sich doch mehr erwarten."

Auch die Maßnahme, die Klassengröße herabzusetzen, sei nicht durchdacht gewesen, findet der Bildungsexperte. "Da wurde ja viel Geld in die Hand genommen. Wie sich international zeigt, investieren andere Staaten lieber mehr Geld in die Qualität des Unterrichts, statt in kleinere Klassen."

Klassengröße

Die Wiener Bildungsforscherin Christiane Spiel wundert sich ebenfalls über jene Reformen, die im letzten Jahrzehnt verabschiedet wurden: "Die Studien zeigen klar, dass eine geringe Reduktion der Klassengröße nichts bringt, jedoch teuer ist; die Art des Unterrichtens bleibt zumeist gleich. Statt mit der Gießkanne hier zu reformieren, wäre es besser gewesen, gezielt zu unterstützen. Es war natürlich ein großer und auch verständlicher Wunsch der Lehrer und der Lehrergewerkschaft, weil das Arbeiten dann etwas angenehmer wird. Der Unterricht wurde damit aber nicht verändert."

Noch schärfer ist die Kritik am Umbau der Hauptschulen in Neue Mittelschulen. Spiel: "Das ist ein klassisches, eigentlich prototypisches Beispiel einer guten Idee, die nicht gut umgesetzt wurde. Es hat keine entsprechende Implementierungsstrategie gegeben, die auch berücksichtigt hat, wo Unsicherheiten, wo Widerstände sein werden und wie man mit diesen umgehen kann."

Machtloser Bund

Das habe etwa damit zu tun, dass eine engere Kooperation von Landes- und Bundesschulen geplant war, doch es keine Möglichkeit gab, die AHS-Lehrer zwingen zu können, da mitzumachen. "Der Bund hatte gar keine Macht, das zu tun, daher haben auch nur sehr wenige Gymnasien mitgemacht. Bis heute gibt es die gewünschte Zusammenarbeit von AHS und NMS-Lehrern nicht. Da gab es zu viele Ressentiments, die nicht beseitigt wurden."

Die Frage sei auch, analysiert die Expertin, "ob wir die richtigen Reformen gemacht haben. Man kann ja nicht mit politischen Reformen einen Einfluss auf die Arbeit im Klassenzimmer haben, wo alles passiert. Ein Gesetz, das alle zum besseren Unterricht verpflichtet, und dann auch funktioniert, kann es eben leider nicht geben."

Die Uni-Professorin lobt aber auch Reformen. "Immerhin ist die neue Lehrerausbildung jetzt auf dem Weg. Sie werden jetzt auf Masterniveau sechs Jahre lang ausgebildet. Das war ein wichtiger politischer Schritt in Richtung Lösung des Problems. Die Schwierigkeit ist aber, dass es sehr lange braucht, bis diese Reform wirkt. Jetzt sind Studenten gerade das erste Jahr in der neuen Ausbildung."

Ergebnisverantwortlichkeit

Und: "Ergebnisverantwortlichkeit" – dieses sperrige Wort sieht Spiel als wichtige Lösung an. "Ein Lehrer kann in seine Klasse gehen und sich als Ziel setzen, dass die Kinder am Ende der Stunde addieren können. Oder er geht in die Klasse, lehrt das Addieren, und kümmert sich nicht, ob die Kinder das wirklich begriffen haben. Wir sollten nur Lehrer der ersten Art haben."

Und was sagt die Praktikerin? Andrea Walach ist Direktorin einer NMS in Wien mit einem hohen Migrantenanteil. Sie sagt zum PISA-Ergebnis, dass "dringend Handlungsbedarf besteht". Das größte Problem ist derzeit laut Walach, dass die Schüler so große Leistungsunterschiede haben, was ein gezieltes Lehren und Lernen unmöglich macht. "Dieser Unterschied beträgt mitunter zwei Jahre, das heißt, ich habe Kinder in der ersten Klasse, die auf dem Niveau der vierten Klasse Volksschule sind, und Kinder, die eigentlich schon in die nächst höhere Klasse aufsteigen könnten."

"Was wir brauchen, ist ein Kurssystem mit kleinen Gruppen, in dem die Kinder nach ihren Bedürfnissen gefördert werden können", erklärt Direktorin Walach. Und: "Man soll den Schulen mehr Spielraum geben. Die Lehrer wissen am besten, was zu tun wäre. Die Reform in Richtung Autonomie könnte da schon etwas bringen."