Politik/Inland

Die Neo-Konservativen auf dem Vormarsch

Die Wiener ÖVP hat am Samstag den 34-jährigen Gernot Blümel mit 94,8 Prozent der Delegiertenstimmen zu ihrem Obmann gewählt.

Eigentlich könnte man es bei dieser dürren Mitteilung belassen, ist doch die ÖVP-Wien zu einem Grüppchen mit nur noch neun Prozent Wähleranteil geschrumpelt.

Doch Blümels Wahl hat Relevanz. Sie stellt eine Zwischenetappe dar auf dem Marsch einer Gruppe junger Neokonservativer an die Macht. Nicht nur in Wien, sondern bundesweit. Das wird auch ÖVP-intern so gesehen – sonst hätten nicht politische Schwergewichte wie Wolfgang Schüssel, Gio Hahn, Erwin Pröll und ein halbes Dutzend Minister gestern den Wiener Statdtparteitag mit ihrer Anwesenheit geadelt.

"Du bist einer, der eine Zukunft hat", sagte denn auch Pröll bei seinem Parteitagsauftritt. Und Pröll redete der Wiener ÖVP ins Gewissen, ihren neuen Obmann auch noch zu unterstützen, wenn "der Parteitags-Applaus verklungen" ist: "Wer in Blümels Alter ein derartiges Projekt übernimmt, verdient Respekt und Unterstützung."

Kurz' Weggefährte

Blümel ist ein enger Weggefährte von Sebastian Kurz und damit Teil eines dichten Netzwerks der Jungen ÖVP, das sich über Schlüsselpositionen in Landesparteien und Schaltstellen in Ministerien bis hin zur politischen Akademie spannt. Zu dem Netzwerk gehören neben dem Außenminister auch Staatssekretär Harald Mahrer und EU-Delegationsleiterin Elisabeth Köstinger. Blümel ist der Erste aus der Gruppe, der Chef ist und nun eine eigene Landespartei als Machtbasis hat. Blümel hat sich zur Aufgabe gestellt, die Wiener ÖVP zu einem Role Model in der ÖVP zu machen und eine neokonservative Politik zu formulieren, die städtetauglich und breitenwirksam sein soll.

Und wenn Blümel eine Aufgabe vor sich sieht, nimmt er sie ernst. Das wurde ihm als Lehrer-Kind von Klein auf beigebracht. "Jeder hat seine Aufgabe zu machen, die Eltern die Arbeit, die Kinder die Schule", sagten die Eltern.

Und da mit Pflichtschullehrer-Gehalt und vier Kindern die Kasse im Hause Blümel knapp war, lautete der zweite Merksatz in Blümels Leben: "Wer Erfolg haben will, muss dafür arbeiten."

Doch was bei den Eltern noch selbstverständlich war – dass Arbeit Erfolg bringt – ist in der Generation Praktikum längst kein Automatismus mehr. Befristete Verträge, Gratis-Arbeit, damit irgend etwas im Lebenslauf steht, und ein harter Konkurrenzkampf um Jobs – das ist der sozio-ökonomische Hintergrund, vor dem diese Jungen ihre Politik formulieren.

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"Das ist nicht gerecht"

Der Mittelstand fühlt sich bedroht, der Staat mit seinen oft weltfremden Regeln erscheint mehr als Hemmnis denn als Hilfe. So sagt Blümel in seiner Parteitagsrede: "Haben wir zu wenige Arbeitszeitgesetze? Zu wenige Sozialleistungen? Zu wenige Arbeitsinspektorate? Wohl kaum. Die soziale Frage unserer Zeit ist die Ausbeutung des Mittelstands. Die soziale Frage unserer ist Zeit ist die Verzweiflung jener gesetzestreuen Arbeitnehmer und Unternehmer, die auf der einen Seite internationale Konzerne sehen, die kaum Steuern zahlen und auf der anderen Seite Leute sehen, die noch nie einen Cent Steuern in Österreich gezahlt haben und trotzdem über 800Euro fürs Nichtstun bekommen. Die braven Steuerzahler fühlen sich als die Deppen der Nation. Das ist nicht gerecht."

Wien beschreibt Blümel als Stadt der Widersprüche: "Modern und wandelbar. Provinziell und altmodisch."

Solche Widersprüchlichkeit könnte man auch den schwarzen Neo-Kons nachsagen. "Progressiven Konservativismus", nennt Blümel den Mix aus Law & Order, konservativen Werten und linken Innovationen wie Political Correctness und Quoten-Feminismus. So hat Blümel hat eine Reißverschlusspflicht in der Wiener ÖVP eingeführt, "weil es ohne Frauen-Quoten nicht geht". Politische Korrektheit hält er für unerlässlich, um "keinen Menschen herab zu würdigen".

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bringt Wahlkampfstimmung in den Parteitag. "Griss verwechselt das Amt, die Hofburg ist kein Regierungsamt. Und Van der Bellen wurde in Wien mit Vorzugsstimmen gewählt, hat dann aber das Mandat nicht angenommen. Was, wenn er das auch in der Hofburg macht? ", ätzt Mitterlehner.

Auch die Wiener Stadtregierung bekommt ihr Fett ab. "Jedes Bundesland hat seine Tourismus-Regeln, nur Wien sperrt am Sonntag zu." Gleichzeitig sei Wien ein ständiger negativer Ausreißer bei der Arbeitslosigkeit.