"Nachspiel" für blauen Ball: Kritik von Häupl
Wer ist schuld? Die Frage nach der Verantwortung für Eskalation bei der Akademikerball-Demo am vergangenen Freitag ist nach wie vor nicht geklärt. Geht es nach der Chefin der Grünen, soll sich das Parlament damit beschäftigen. Eva Glawischnig kündigte im Interview mit Armin Wolf in der ZiB 2 ein „Nachspiel“ im Nationalrat an.
Im Zentrum dessen steht auch Gerhard Pürstl, Polizeipräsident von Wien: Dieser habe eine „sehr merkwürdige Rolle“ gespielt, so Glawischnig. Es stelle sich die Frage, warum beim freitäglichen Einsatz nicht die frühere Strategie gewählt wurde: Es sei „eskaliert statt deeskaliert“ worden. Auch wieso das umfassende Vermummungsverbot erlassen und Journalisten der Zutritt verboten worden sei, will Glawischnig geklärt haben - wenn diese Fragen nicht alsbald beantwortet werden, sei Pürstl „rücktrittsreif“.
Dieser Meinung ist nicht nur ihr Parteikollege Peter Pilz, der bereits am Montag laut nach dem Rücktritt des Polizeipräsidenten gerufen hat – auch im Netz formiert sich ein gewisser Widerstand. Die Facebook-Seite „Wir fordern den Rücktritt von Polizeipräsident Pürstl“ hat es binnen zwei Tagen auf mehr als 7000 Unterstützer gebracht.
Häupl kritisiert Einsatz
Auch von der Sozialdemokratie kommt Schelte für den Einsatz. Wiens Bürgermeister Michael Häupl meinte, er wolle zwar nicht den besserwisserischen Experten spielen - aber: "Man wird schon darüber reden müssen, wie dieser Polizeieinsatz in der Tat durchgeführt wurde", sagte er am Dienstag in einer Pressekonferenz. Dieser hätte anders ablaufen müssen, um die Ausschreitungen zu verhindern.
An den Polizisten selbst sei es nicht gelegen - diese hätten ja etwa bei der Fußballeuropameisterschaft 2008 bewiesen, was sie können. Es sei mehr fehlende Planung gewesen: Im Vorfeld des heurigen Akademikerballs habe man ja bereits gewusst, "dass insbesondere aus Deutschland Anarchistentrupps kommen", betonte Häupl.
„Mir wäre es recht, wenn der Ball nicht mehr dort stattfinden würde“
Außerdem hat sich Häupl am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag gegen die Fortführung des Akademikerballs in der Hofburg ausgesprochen. „Mir wäre es recht, wenn der Ball nicht mehr dort stattfinden würde“, sagte Häupl. Allerdings gibt es gültige Verträge mit der Hofburg-Betreibergesellschaft. Ob er nun versuche, im Hintergrund auf die Hofburg-Betreibergesellschaft einzuwirken, darüber wollte sich Häupl offiziell nicht äußern. Man werde aber reden müssen.
Auch der Wiener SP-Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny äußerte sich am Montag bei der Holocaust-Gedenkveranstaltung am Heldenplatz kritisch. Eine Gruppierung, die sich nicht ausreichend von rechtsextremem Gedankengut distanziere, müsse auch damit leben, "dass man ihnen repräsentative Orte nicht anbietet".
Die Hofburg Betreibergesellschaft ist sich da übrigens noch nicht sicher - man will sich zur Zukunft des Balls noch nicht festlegen: „Es wird Gespräche mit dem Veranstalter geben“, heißt es zum KURIER.
Gewaltimport
Des Weiteren führte Häupl aus, dass an besagtem Abend 200 Vermummte 2.000 Polizisten gegenübergestanden seien. "Ich will jetzt nicht banal rechnen, dass auf einen vermummten Anarchisten zehn Polizisten kommen, aber ich denke, dass man mit der Anzahl von Polizisten durchaus den Einsatz so gestalten hätte müssen, dass es nicht zu diesen Gewalttaten in der Wiener Innenstadt kommt", stellte der Bürgermeister klar. Man müsse hinterfragen: "Warum hat man die (Vermummten, Anm.) herumlaufen lassen und sich mit friedlichen Demonstranten vermischen lassen?"
Er betonte, dass Gewalt grundsätzlich in einer Demokratie nicht argumentierbar, nicht rechtfertigbar und nicht akzeptierbar sei. "Vor diesem Hintergrund ist der anarchistische Gewaltimport, der zerstörend durch die Stadt gezogen ist, aufs Schärfste zu verurteilen", unterstrich er. Jüngsten Rücktrittsaufforderungen an Wiens Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl schließe er sich aber - anders als die Sozialistische Jugend - nicht an.
Datenerhebung als "Skandal"
Die SJ nennt es nämlich einen „Skandal“, dass Pürstl angekündigt hat, Daten von verletzten Personen erheben zu wollen – dies erleichtere die Nachverfolgung der Straftäter, meinte der Polizeipräsident. Solche Praktiken erinnerten an einen Polizeistaat - und Pürstl müsse zurücktreten, meinen deshalb SJ und VSStÖ unisono.
Was die von der Polizei angestrebte Datenerhebung über die Rettung angeht, sieht der Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk aber ohnehin nicht beonders viel Möglichkeiten: Ein solches Begehr sei nur der Staatsanwaltschaft möglich, sofern ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde und ein konkreter Verdacht gegen eine konkrete Person vorliege.Die Polizei dürfe Sanitäter oder Ärzte laut Sicherheitspolizeigesetz lediglich befragen, sagte Funk - etwa, indem sie den Rettungskräften Fotos von Personen vorhält. "Aber dieser Befragungsmöglichkeit steht keine Verpflichtung gegenüber, hier Auskunft zu geben", so Funk.
Rückendeckung von der ÖVP
Pürstl weist die Kritik zurück – bereits am Sonntag hatte er das Vorgehen der Exekutive in der Sendung Im Zentrum verteidigt. Am Montag musste er zudem ausrücken, um das von der FPÖ angedeutete Gerücht, er sei Mitglied der schlagenden Burschenschaft "Ghibellinia", zu entkräften. "Mir war bis zum heutigen Tag die Burschenschaft Ghibellinia kein Begriff. Ich war und bin kein Mitglied in dieser Verbindung.“ Nachsatz: „Dies hat mich jedoch niemals daran gehindert, Freundschaften mit Personen verschiedener politischer Anschauungen zu pflegen.“
Rückendeckung bekommt Pürstl übrigens von der ÖVP: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bezeichnete den Einsatz als "vorbildlich" - den Einsatzbericht erwarte sie in den nächsten Tagen. Auch für Landesparteichef Manfred Juraczka seien Kritik und Rücktrittsaufforderungen „nicht nachvollziehbar“. Er bedankte sich zugleich „ausdrücklich bei Gerhard Pürstl und der gesamten Wiener Polizei, die durch ihr entschlossenes Vorgehen noch größere Schäden verhindert haben“. Juraczka vermutet dahinter ein Ablenkungsmanöver: Die Grünen wollten durch die „Angriffe“ auf Pürstl offensichtlich „von den eigenen Verfehlungen“ ablenken.
"Keine Differenzen" mit den Jungen
In dieser Causa - den parteiinternen Querelen um den Ball - gab sich Glawischnig versöhnlich. Es geben mit den Jungen Grünen "überhaupt keine Differenz mehr", sagte sie - vormittags hatte die Bundessprecherin ihrem Nachwuchs noch mit Rauswurf gedroht, weil auf ihrer (Demo-Gegnern zur Verfügung gestellten) Homepage der Slogan "Unseren Hass den könnt ihr haben!" zu lesen war. Eine Kooperation mit gewaltbereiten Gruppen schloss die Grünen-Chefin aus - und zu diesen zählt für sie auch der Schwarze Block.
FPÖ klagt Grün-Funktionäre
Von anderer Seite bahnt sich allerdings ein juristisches Nachspiel für die Jungen Grünen an: Die FPÖ bereitet laut Generalsekretär Kickl mehrere Klagen gegen Grün-Funktionäre vor - wegen "Anstiftung zum Landfriedensbruch". Konkret nannte Kickl die frühere grüne ÖH-Chefin Janine Wulz sowie Ex-Nationalratsmandatar Karl Öllinger, die die Seite stopptdierechten.at unterhält.