Parteien-Hickhack nach dem Akademikerball

Parteien-Hickhack nach dem Akademikerball
Die FPÖ beklagt grüne Hetzerei, die Grünen wiederum wollen den Rücktritt des Polizeipräsidenten. Und Eva Glawischnig droht dem grünen Nachwuchs mit Rauswurf.

Kein Ende im Streit um den Akademikerball: Vor allem Grüne und FP liegen sich wegen der umstrittenen Veranstaltung in der Hofburg in den Haaren. Die FPÖ beklagt vor allem, dass die Grünen ihren Gutteil an dem Chaos beigetragen hätten: Durch das Betreiben der "nowkr"-Seite hätten die jungen Grünen gegen die Veranstaltung und die FP an sich "gehetzt" und so auch "deutsche Chaoten nach Wien gebracht" - die Randale in der Wiener Innenstadt forderte bekanntlich mehr als 20 Verletzte, der Schaden beträgt eine Million Euro.

Während der Im Zentrum-Diskussion am Sonntagabend (siehe unten) ließ FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky deshalb per Twitter wissen, dass er eine Strafanzeige wegen Verhetzung sowie Musterklagen auf Schadenersatz gegen die Grünen überlege. Wie die Zeitung Österreich berichtet, soll es sich um eine Klage gegen die Jungen Grünen handeln: Die Blauen werfen ihnen "Beitragstäterschaft" vor und erheben Anspruch auf Schadenersatz.

Die "nowkr"-Homepage ist tatsächlich auf die Jungen Grünen angemeldet - diese hatten sich am Wochenende allerdings mit einem Text auf eben dieser Seite von den Angriffen in der Wiener Innenstadt distanziert. Die Domain werde von der Nachwuchsorganisation unterhalten, man habe redaktionell keinen Einfluss und sei nicht für die Erstellung der Inhalte verantwortlich, hieß es da. Die Homepage sei als eine Open-Campaign-Plattform und als reine Informationsseite rund um die Proteste gedacht gewesen - dies ist den Blauen allerdings zu wenig.

Glawischnig droht dem Nachwuchs

Parteien-Hickhack nach dem Akademikerball
APA16665838-2 - 27012014 - MAUERBACH - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Grünen-Chefin Eva Glawischnig am Montag, 27. Jänner 2014, anl. der Jahresauftaktklausur der Grünen in Mauerbach (Niederösterreich). APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig nahm ihren Parteinachwuchs in die Pflicht: Sie verlangte im Rahmen der Jahresauftaktklausur in Mauerbach eine "Garantie-Erklärung", in der sich die Jungen Grünen von allen Gruppen, die vor Gewalt nicht zurückschrecken, distanzieren. Auch die Verpflichtung, dass künftig niemand mehr auf einer ihrer Homepages etwas posten kann, ohne dass sie die Kontrolle darüber behalten, forderte sie. Andernfalls würden sie nicht mehr als grüne Jugendorganisation benannt - eine Rauswurfdrohung also.Der Eklat wurde schließlich noch abgewendet.

Die Gewalt der Demonstranten bezeichnete Glawischnig als "absolutes Desaster". "Ich habe absolut null Verständnis für jemanden, der das nicht gewaltfrei macht", erklärte sie. Gewalt sei "absolut daneben" und schade den berechtigten Anliegen der friedlichen Demonstranten. Das wiederholte die Grüne Frontfrau auch in der ZiB2 am Montag.

Einlenken bei den Jungen Grünen

Die Jugendorganisation der Partei hat nach anfänglichem Dagegenhalten eingelenkt. Anfangs hatte Bundessprecher Cengiz Kulac die geforderte Garantieerklärung abgelehnt und Glawischnig via derstandard.at "schlechten politischen Stil" attestiert; am Montagnachmittag erzielten Glawischnig und Kulac dann doch noch Einvernehmen. Die Drohung, der Organisation den Status als grüne Jugendorganisation zu entziehen, sei damit "momentan hinfällig", erklärte ein Sprecher der Parteichefin auf APA-Anfrage.

Pilz fordert Rücktritt von Pürstl

Der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz, forderte am Montag indessen den Rücktritt des Wiener Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl. Dieser hatte den Polizeieinsatz in der ORF-Sendung Im Zentrum am Sonntag als "riesigen Erfolg" bezeichnet (siehe unten). Pilz sieht das anders: Für ihn habe Pürstl klargemacht, dass er "mit verfassungswidrigen Verboten auf polizeiliche Eskalation setzt", "dazu unschuldige Opfer in Kauf nimmt", "dazu die Pressefreiheit einschränkt und schließlich noch Polizeiopfer bis in Rettungswagen und Spitäler verfolgen will", so Pilz.

Als unglaublich bezeichnete Pilz nämlich vor allem die von Pürstl angekündigte Praxis der Polizei, bei Rettung und Ärzten Nachforschungen zu medizinisch versorgten Kundgebungsteilnehmern einzuholen, auch wenn dies rechtlich nicht gedeckt sei. Pürstl hatte in der Sendung gemeint: "Das ist nämlich gut, wenn sie (die Demonstranten, Anm.) bei der Rettung waren, da gibt's nämlich Daten, da können wir sie ausforschen und dann werden wir einmal schauen, welche Beteiligung sie gehabt haben." Der Grüne will nun durch parlamentarische Anfragen eruieren, wie oft so etwas in den vergangenen Jahren passiert sei; auch Sozialistische Jugend und VSStÖ kritisierten Pürstls Aussagen scharf.

Laut stellvertretendem Chefarzt der Wiener Berufsrettung, Franz Mikulcik, gebe es hingegen keinen automatischen Datenabgleich zwischen der Wiener Berufsrettung und anderen Behörden: "Die anfordernde Behörde muss eine entsprechende Rechtsgrundlage liefern. Die wird von uns geprüft." Eine entsprechende Anfrage der Wiener Polizei gebe es derzeit nicht, betonte Mikulcik. Solche Anfragen seien grundsätzlich relativ häufig, etwa bei Körperverletzungen. "Es ist nicht so, dass der Zettel automatisch hinüberwandert."

VP: "Schande für die Grünen"

Parteien-Hickhack nach dem Akademikerball
"Ich spüre das ganz stark und habe auch schon mit meinem SPÖ-Gegenüber Norbert Darabos telefoniert" - ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel über das neue Miteinander in der Großen Koalition.
Die ÖVP hingegen hat wiederum die Grünen angegriffen: Generalsekretär Gernot Blümel fand es bemerkenswert, dass gerade die Grünen, die immer und überall sofort „Skandal“ schreien würden, diese Seite betrieben. „Verletzte Menschen, zertrümmerte Scheiben, zerstörtes Eigentum – das ist das Ergebnis! Das ist ein wirklicher Skandal, eine Schande für die Grünen und nicht zu akzeptieren“, erklärte Blümel in einer Aussendung. Er forderte klare Worte von der „Grünen Bundesführung“.

Bilder: Randale in der Wiener Innenstadt

Ein Foto, das auf Twitter geteilt wurde, hat die Debatte ausgelöst: Heinz Faßmann, Vizekrektor der Uni Wien, als Mitglied des Ehrenkomitees des blauen Balls - die Empörung war groß, die Fragezeichen ebenso.

Mit Montag hat es gedauert, bis die Sache schlussendlich geklärt war: Faßmann, war "irrtümlich" Mitglied im Ehrenkomitee, so die schriftlichen Stellungnahme der Universität habe er offenbar die Zusage erteilt, da als Veranstalter des Balles ein "Verein für Wissenschaft, Forschung, Kultur und Menschenrechte" angegeben war.

Die Hochschule teilte mit, dass "irrtümlicher Weise" eine positive Rückmeldung an das Organisationsbüro des Balles ging - siehe Foto.

Darin erklärt sich Faßmann damit einverstanden, Mitglied im "Akademischen Ehrenkomitee" des 2. Wiener Akademikerballes zu sein. Als Organisator ist der Wiener Akademikerball Ballausschuss Verein für Wissenschaft, Forschung, Kultur und Menschenrechte angegeben. Die Frage, ob Faßmann Mitglied des Ehrenkomitees war, wurde am Wochenende auf Twitter diskutiert.

Rechtliche Schritte

Faßmann schloss eine akademische Legitimation der Veranstaltung durch seine Person stets aus. Er habe umgehend seine Einverständniserklärung zurückgezogen und behalte sich rechtliche Schritte vor, erklärte er am Montag in der Stellungnahme. "Ich bedaure, dass dieser Irrtum geschehen ist." Es sei nie seine Intention gewesen, Mitglied des Komitees zu sein, so Fassmann weiter: "Ich kann ausschließen, dass ich jemals wieder eine positive Rückmeldung an die Veranstalter dieses Balles geben werden."

Polizei, Veranstalter, Demonstranten: Zwei Tage nach den gewalttätigen Demos gegen den Akademikerball der FPÖ Wien müssen alle Beteiligten nach wie vor harsche Kritik einstecken. Die Polizei habe viel zu hart durchgegriffen, beklagen die einen. Warum die Öffentlichkeit eine Million Euro für die Sicherheit eines fragwürdigen Rechtswalzers zahlen müsse, fragen sich die anderen. Auch die Demonstranten müssen sich für verletzte Polizisten, einen beträchtlichen Sachschaden in der City und bedenkliche Slogans (siehe Bericht unten) rechtfertigen. Wer nun wirklich schuld ist, ließ sich aber auch in der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" am Sonntagabend nicht klären.

Demo-Mitorganisatorin Natascha Strobl von der "Offensive gegen Rechts" kritisierte in der Sendung die "Eskalationsstrategie der Polizei und die Hetzkampagne der FPÖ", die dazu geführt habe, dass die großteils friedlichen Proteste in Gewalt umschlugen. Der grüne Nationalratsabgeordnete Albert Steinhauser übte ebenfalls Kritik an den Einsatzbehörden: "Es wird versucht, alle Demonstranten als gewaltbereit darzustellen. Das ist schlicht nicht der Fall". Er forderte stattdessen die Polizei auf, ihre Einsatztaktik zu hinterfragen und von einer unabhängigen Stelle überprüfen zu lassen.

Pürstl: "Riesiger Erfolg"

Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl will sich die Schuld aber nicht in die Schuhe schieben lassen: "Es war mit schweren Ausschreitungen zu rechnen, daher musste die Polizei alles dafür tun, Sicherheit und Ordnung zu bewahren". Warum die Krawalle und der enorme Sachschaden nicht verhindert werden konnten? "Wir hatten es heuer mit einer neuen Form der Gewalt zu tun. Wir haben nicht damit gerechnet, dass diese gewaltbereite Gruppe von 100 bis 200 Personen unbeteiligte Geschäfte und Personen attackiert". Priorität sei gewesen, die Ballbesucher vor Angriffen zu schützen. Dies sei nicht zuletzt dank des umfangreichen Platzverbots gelungen. Pürstl sprach in diesem Zusammenhang sogar von einem "riesigen Erfolg". Die Situation habe innerhalb kurzer Zeit beruhigt werden können.

Vorwürfe von Strobl, wonach es ein "nie dagewesenes Ausmaß an Polizeigewalt" gegeben habe, ließ Pürstl nicht gelten: "Wer sich mit Hunden ins Bett legt, darf sich nicht wundern, wenn er mit Flöhen aufwacht". Die Polizei wollte auch jene Demonstranten dingfest machen, "die die Mauer für Kriminelle gemacht haben und mit dem Strom mitgeschwommen sind", erklärte Pürstl. Die Ermittlungen seien nach wie vor im Gange, man werde die gesammelten Daten nun auswerten und auch bei der Rettung nachfragen, kündigte der Polizeipräsident an. Der Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken sei jedenfalls gerechtfertigt, wenn Polizisten angegriffen werden.

"Geist von gestern"

Franz C. Bauer, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp, warf der Polizei erneut Zensur vor. Akkreditierte Journalisten durften den abgesperrten Bereich am Freitag nämlich nur zwischen 20.15 und 20.45 Uhr und in Begleitung eines Pressesprechers der Polizei betreten. Bei dem Ball habe es sich um ein "Vernetzungstreffen von Rechtsextremen" gehandelt, daher wäre das öffentliche Interesse in den Vordergrund zu stellen gewesen. Der KZ-Überlebende Rudolf Sarközi sagte, ihn schmerze "der Geist von gestern", den dieser Ball umgebe.

FPÖ-Europamandatar Andreas Mölzer, selbst Ballbesucher, wies diese Darstellung zurück. Er sprach von einer "klassischen Täter-Opfer-Umkehr". Es seien nicht die friedlichen Ballveranstalter, sondern die Jungen Grünen gewesen, die den gewaltbereiten "Schwarzen Block" nach Wien eingeladen hätten. Die Burschenschafter seien mittlerweile zu "Bürgern 2. Klasse" degradiert worden. Er bedauerte auch, dass die Polizei nun die Leidtragende sei. Die Innenstadt habe einem "Kriegsschauplatz" geglichen, sagte Mölzer. Er legte den Demonstranten zum Schluss nahe, "andersdenkende Menschen zu akzeptieren".

ORF-"Im Zentrum"

Twitter-Debatte

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