ÖVP will Kopftuchverbot ausweiten
Die ÖVP widmet einen Teil ihres Wahlprogramms dem Thema "Religion in der Schule". Die Vorschläge betreffen vor allem den islamischen Religionsunterricht und muslimische Schüler. So fordert die ÖVP - laut einem am Freitag veröffentlichten Papier - die Ausweitung des Kopftuchverbots auf Unterstufe und Lehrerinnen.
Die geplatzte türkis-blaue Regierung hat bereits zwei Kopftuch-Verbote eingeführt: Im November 2018 wurde es für Kindergartenkinder, im Mai 2019 für Volksschülerinnen beschlossen. Da in den Schulen die jüdische Kippa und die Patka der Sikhs ausgenommen wurden, wurde von vielen Seiten Diskriminierung beklagt. Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat angekündigt, das (nur von ÖVP und FPÖ mitgetragene) Gesetz vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu bringen.
Türkise: Auch Verbot für Lehrerinnen
Die ÖVP will aber auch das Kopftuch an der Unterstufe verbieten. Denn erst mit 14 Jahren seien die Mädchen religionsmündig und könnten selbst entscheiden. Lehrerinnen soll es ebenfalls untersagt werden - weil sie, wenn sie Kopftuch tragen, "implizit die Neutralität des Staates untergraben und ein Gesellschaftssystem propagieren, in dem die Frau nicht dieselbe Stellung hat wie in unserer westlichen, aufgeklärten Gesellschaft".
Ex-Minister und Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel sieht "große integrationspolitische Herausforderungen in Österreich - vor allem in der Bundeshauptstadt". In der Schule sollte ein moderner, wesentlich orientierter Islam gelehrt werden. Deshalb will die ÖVP die Unterrichtsmaterialien und die islamischen Privatschulen stärker kontrollieren und Religionslehrer nur noch an Pädagogischen Hochschulen ausgebildet haben.
Ethikunterricht bleibt ÖVP-Projekt
Auch ein im März auf Schiene gebrachtes, wegen "Ibizagate" aber nicht mehr umgesetztes türkis-blaues Vorhaben hat die ÖVP in das Schul-Religions-Kapitel ihres Wahlprogramms aufgenommen: den Ethikunterricht für Schüler, die sich von Religion abmelden.
Pilz und Nepp sehen Ablenkungsmanöver
FPÖ und Liste Jetzt waren sich am Freitag darüber einig, dass die ÖVP-Forderung nach einer Ausweitung des Kopftuchverbotes ein "billiges Ablenkungsmanöver von der ÖVP-Spendenaffären ist". Auch zur inhaltlichen Frage selbst äußerten sich der Listengründer Peter Pilz und der designierte FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp ähnlich.
Pilz zeigte sich bereit, über die Durchsetzung der Trennung von Religion und Staat zu reden. Er weist darauf hin, dass die Zunahme religiöser Symbole insbesondere an den Schulen zur Zunahme an Konflikten führt. "Wir wollen eine Schule, in der alles getan wird, damit religiöse Konflikte ferngehalten werden." Nepp bezeichnete das Kopftuchverbot als langjährige freiheitliche Forderung, mit der die ÖVP nun auf Wählerfang gehe.
Bei SPÖ, NEOS und der Islamischen Glaubensgemeinschaft hat der ÖVP-Vorstoß heftige Kritik ausgelöst. IGGÖ-Präsident Ümit Vural reagierte mit "Bedauern und Besorgnis". Die Muslime in Österreich seien als politische Zielscheibe einiges gewohnt und der aktuelle Wahlkampf scheine wieder in diese Richtung zu gehen.
Die IGGÖ sei gegen Verbote. Das Kopftuch sei Teil der muslimischen Religion. Die Politik würde aber Maßnahmen setzen, um "Schritt für Schritt das Leben der Muslime zu erschweren". Er appellierte an die Verantwortlichen, "keinen Wahlkampf auf dem Rücken der muslimischen Frauen zu machen".
SPÖ: Ablenkungsmanöver
Als "typisches Ablenkungsmanöver Marke ÖVP" bezeichnete SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda die türkise Forderung nach einer Ausweitung des Kopftuchverbots. "Die ÖVP steckt mitten in einem Spendenskandalsumpf und versucht jetzt mit einer durchsichtigen Debatte ums Kopftuch davon abzulenken. Wenn es um ernsthafte Vorschläge geht, dann muss unter Einbeziehung der Religionsgemeinschaften, der Bundesländer, Experten und Praktiker eine breite Diskussion geführt werden. Für eine Wahlkampf-Nebelgranate der ÖVP stehen wir nicht zur Verfügung", sagte Drozda.
Der SPÖ-Bundesgeschäftsführer stellte klar, dass sich die SPÖ einer ernsthaften Debatte rund um ein Kopftuchverbot nicht verschließen werde, man wolle aber das Urteil des Verfassungsgerichtshofs über die unter Türkis-Blau beschlossene Regelung abwarten. Die ÖVP forciere die Kopftuchdebatte nun im Wahlkampf, weil diese "vermeintlich politisches Kleingeld für Türkis" bringe. Die SPÖ wird sich an diesem "durchsichtigen Manöver nicht beteiligen", erklärte Drozda.
Neos: Populismus
Der stellvertretende NEOS-Chef Niki Scherak gab sich zum ÖVP-Vorstoß skeptisch. Für ihn handelt es sich beim Kopftuchverbot um eine "populistische Einzelmaßnahme" im Wahlkampf, die zudem "verfassungsrechtlich bedenklich" sei. Scherak plädierte stattdessen für ein Paket von Integrationsmaßnahmen. "Und täglich grüßt das türkise Wahlkampfgetöse - schön populistisch und durchsichtig", ärgerte sich auch NEOS-Bildungssprecher Douglas Hoyos. "Zu glauben, dass mit einem Kopftuchverbot allein alles gut und das Thema Integration abgehakt wäre, ist naiv. Nur leider kapiert die ÖVP das in ihrer Kurzsichtigkeit nicht und setzt lieber auf Symbolpolitik und Wahlkampfgags", so Hoyos.