Politik/Inland

ÖVP schießt sich bereits auf Christian Kern ein

Keine Neuwahlen. So lautet der Tenor nach dem gestrigen ÖVP-Bundesvorstand in Salzburg. Nach dem Rückritt von Werner Faymann als Bundeskanzler und SPÖ-Chef baut die Volkspartei jedoch deutlich Druck auf. Im Ö1-"Morgenjournal" verweist ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka auf die Kernforderungen seiner Partei, die man mit dem künftigen Obmann des Koalitionspartners besprechen will:

  • Die neue, strenge Asyllinie inklusive der Obergrenze dürfe nicht aufgeweicht werden, es gebe zu viele unterschiedliche Meinungen innerhalb der SPÖ.
  • Die ÖVP will eine gemeinsame Linie in der Frage der Mindestsicherung.
  • Drittens fordert sie einen Wirtschaftspakt, um die Standortqualität Österreichs zu verbessern.

Die SPÖ will sich von der ÖVP jedoch keine Punkte - etwa in der Flüchtlingspolitik - diktieren lassen. Man werde der ÖVP auch eigene Wünsche entgegenhalten, sagte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder bereits am Dienstagabend. "Ich möchte es nicht so interpretiert sehen, dass das diktiert wird (...), weil das wäre der Stil des Wolfgang Schüssel und den wollen wir auf keinen Fall."

Von Kernforderungen zu Kern

Obwohl die Frage, wer künftig die Regierung und die SPÖ führen soll, noch nicht beantworten ist, schießt sich Klubchef Lopatka schon auf einen der Favoriten ein. "Man muss sich die Fakten ansehen. Faktum ist: Als 2010 Christian Kern ÖBB-Chef geworden ist, hat er einen Zuschussbedarf gehabt von 3,7 Milliarden für die österreichischen Bundesbahnen, mittlerweile ist der Zuschussbedarf über fünf Milliarden. Er war ein sehr teurer Manager."

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Lopatka weiter: "Ich will nur sagen, dass Kern höhere Gehaltsabschlüsse gemacht hat als im öffentlichen Dienst, dass er Arbeitszeiten reduziert hat." Wenn man in der Privatwirtschaft einen Betrieb stärken möchte, mache man eigentlich das Gegenteil davon, sagte der Klubobmann der Schwarzen. "Nämlich nicht überzogenen Gehaltsabschlüsse, nicht die Arbeitszeiten verkürzen."

Lopatka stört es, wenn an den Fakten vorbeigegangen wird und man sich bloß oberflächlich auf die Kommunikation beschränkt. "Es geht um mehr als nur um Kommunikation", erklärt er. Die ÖVP werde sich auf jedenfall die Fakten genau ansehen, und das eben nicht nur bei den Kernforderungen.

ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat sich am Dienstagabend etwas skeptisch gezeigt, ob ein Quereinsteiger ohne Regierungserfahrung sofort das Amt des Bundeskanzlers ohne weiteres ausüben kann. "Daher wollen wir uns ansehen, wer das ist, und für was er steht", sagte der Vizekanzler in der "ZiB2" des ORF zu der anstehenden Personalentscheidung beim Koalitionspartner SPÖ.

"Ich glaube, dass es für einen Quereinsteiger nicht so einfach ist."


Mitterlehner gab zu bedenken, dass es beim Amt des Kanzlers um eine "andere Qualität" gehe als etwa bei einem Ministeramt. In den letzten 30 Jahren habe der Bundeskanzler zuvor stets Regierungsverantwortung inne gehabt, bevor er dieses Amt bekleidete. "Ich glaube, dass es für einen Quereinsteiger nicht so einfach ist", dass man das "von heute auf morgen" machen könne, so Mitterlehner. Denn ein Quereinsteiger habe ja etwa "das Regierungsprogramm nicht mitverhandelt".

Daher wolle sich seine Partei die Entscheidung der SPÖ ansehen - und die Standpunkte der vorgeschlagenen Person: "Das wollen wir mit dem neuen Kandidaten besprechen".

Inhaltliche Frage sie die entscheidende

Auf die Frage, ob er den wohl aussichtsreichsten Kandidaten - ÖBB-Chef Christian Kern und Medienmanager Gerhard Zeiler - ihre Qualifikation abspreche, wollte Mitterlehner nicht direkt antworten. "Ich würde mir einmal die Entscheidung anschauen und das dann bewerten. Es geht weniger darum, dass wir die Person infrage stellen. Ich glaube aber doch, dass das ein sehr anspruchsvoller Job ist, hier sozusagen aus dem Nichts einzusteigen in die Regierungsspitzenfunktion, das muss sich jeder selber vornehmen und das bewerten."

Die ÖVP wolle sich die Entscheidungen "einmal anschauen und uns mit Inhalten auseinandersetzen", sagte Mitterlehner. Seine Partei wolle wissen, "was der oder die Neue bringt". Denn die inhaltliche Frage sei "die entscheidende", betonte der Vizekanzler. "Da steht uns schon zu, das jetzt ins Spiel zu bringen", sprach Mitterlehner seine Forderungen - etwa die Fortführung des eingeschlagenen strikteren Kurses in der Flüchtlingsfrage - an.

"Sagt uns jetzt der neue Kanzler, er möchte eine ganz andere Linie haben, ist das für uns sicher ein Grund für Beratungen."


Sollte der neue SPÖ-Chef von diesem Kurs abweichen, würde das Gesprächsbedarf ergeben: "Sagt uns jetzt der neue Kanzler, er möchte eine ganz andere Linie haben, ist das für uns sicher ein Grund für Beratungen. Hier gibt es wenig Verrückbares aus unserer Sicht, wenig Bewegliches", betonte Mitterlehner.