Politik/Inland

Vier von zehn FPÖ-Wählern wollen "Vereinigte Staaten von Europa"

Mehr Europa, weniger Nationalstaat und irgendwann einmal sogar Vereinigte Staaten von Europa – das sind dem aktuellen „Demokratieradar“ zufolge die Wünsche einer Mehrheit der Österreicher für die Zukunft. An der repräsentativen Befragung haben 4500 Bürgerinnen und Bürger teilgenommen.

Abgefragt wurde dabei einerseits die Zustimmung zu die Europäische Union betreffenden Aussagen bzw. Szenarien und andererseits die nationale Parteipräferenz der Befragten sprich, wen sie wählen würden, wenn am Sonntag Nationalratswahl wäre.

Und die Ergebnisse sind zum Teil durchaus überraschend: So stimmen 56 Prozent der Österreicher der Aussage „Ich würde mir wünschen, dass es in Zukunft einmal eine Art Vereinigte Staaten von Europa gibt“ sehr oder eher zu. Die höchste Zustimmung gibt es dabei mit beinahe drei Viertel von Grün-Sympathisanten. Aber auch unter jenen mit FPÖ-Nähe sind es immerhin noch 39 Prozent, die sich eine stärkere europäische Integration wünschen.

 

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Studienautorin „sehr überrascht"

Von der deutlichen Zustimmung zu den „Vereinigten Staaten von Europa" ist selbst Katrin Praprotnik, Politikwissenschafterin an der Donau-Universität Krems und Co-Autorin der Studie, "sehr überrascht", wie sie zum KURIER sagt. Gleichzeitig relativiert sie aber auch: Weder wäre in der Fragestellung genauer spezifiziert, wie diese Vereinigten Staaten aussehen sollen, noch, wann es so weit sein soll.

Es sei „eine Zukunftsvision, die wir abgefragt haben", sagt Praprotnik, und diese ließe „für den Einzelnen auch etwas Interpretationsspielraum". Dennoch: Die Stoßrichtung ist ebenso klar wie die Mehrheit dafür.

Abgefragt wurde auch die Zustimmung zu den fünf unterschiedliche Entwicklungsszenarien für die EU, die erstmals im 2017 vorgestellten EU-Weißbuch als Optionen für die Zukunft der Union präsentiert wurden. Und auch hier stimmt dem europafreundlichsten Szenario „Die Mitgliedstaaten sollen in allen Politikfeldern viel mehr gemeinsam machen und die Zuständigkeiten dafür an die EU übergeben“ mit 57 Prozent die Mehrheit zu.

 

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Interessanter Detailaspekt: Auch hier ist der Anteil der Befragten mit FPÖ-Nähe, die sich mehr Europa wünschen, mit 46 Prozent angesichts der blauen EU-Skepsis erstaunlich hoch. Die höchste Zustimmung kommt wiederum von Grün-Sympathisanten. Sie stimmen zu 73 Prozent sehr oder eher zu.

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81 Prozent für Europa der zwei Geschwindigkeiten

Noch weitaus mehr Zustimmung findet mit 81 Prozent freilich das Europa der zwei Geschwindigkeiten (Einzelne Mitgliedstaaten, die dies wünschen, sollen innerhalb der EU in bestimmten Bereichen enger zusammenarbeiten können"). Mit dem im Koalitionsabkommen präferierten Szenario größtmöglicher Subsidiarität ("Die EU soll sich auf einige wenige ausgewählte Politikbereiche konzentrieren") können sich ebenfalls 63 Prozent, also beinahe zwei Drittel, anfreunden.

Doch woher kommt diese neue Europafreundlichkeit der Österreicher?

Studienautorin Praprotnik führt sie vor allem auf die mediale Präsenz des Brexit zurück. Mit anderen Worten: Ständig vor Augen zu haben, welche Scherereien den Briten ihre Ausstiegs-Entscheidung beschert hat, lässt die Österreicher Abstand von einem solchen Wunsch nehmen.

Klare Mehrheit gegen "Öxit"

Das zeige sich auch an der hohen Ablehnung eines Öxit": Nur 22 Prozent stimmen der Aussage Österreich soll aus der EU austreten" sehr oder eher zu, während 60 Prozent gar nicht" zustimmen. Damit hat sich die Zahl der rigorosen Gegner eines EU-Austritts in den vergangenen fünf Jahren um satte zehn Prozentpunkte erhöht. Im Zuge der EU-Wahl 2014 hatten nur 50 Prozent einen heimischen Austritt so strikt abgelehnt.

 

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Freilich sieht die überwiegende Mehrheit mehr oder weniger großes Verbesserungspotenzial für die Union. Nur 49 Prozent sind mit den momentanen Strukturen und Zuständigkeiten der EU zufrieden und satte 81 Prozent befürworten die Möglichkeit für einzelne Mitgliedstaaten, in bestimmten Bereichen enger zusammenarbeiten zu können.

Dem Szenario, die EU solle sich künftig nur auf den Binnenmarkt konzentrieren, stimmen hingegen vor allem ÖVP- und FPÖ-Wähler zu: Unter jenen mit Hang zu Türkis sind es 61, unter Freiheitlichen sogar 70 Prozent.

 

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Wunsch nach europaweiten Listen

Das Demokratieradar brauchte jedoch noch ein weiteres, spannendes Ergebnis hervor: Denn immerhin 57 Prozent wollen, dass bei künftigen Wahlen zum EU-Parlament nur mehr europaweite Parteibündnisse und keine nationalen Parteien mehr kandidieren sollen. Geht es nach der Mehrheit, würde der nächste EU-Wahlkampf also schon ganz anders aussehen und das nicht nur in Österreich.

 

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Das Demokratieradar

Das Demokratieradar wird halbjährlich vom „Austrian Democracy Lab", einer Forschunsgemeinschaft aus Wissenschaftern der Donau-Universität Krems und der Universität Graz, erhoben. Forschungs-Schwerpunkte sind Demokratiezufriedenheit und Zukunft der Demokratie in Österreich. Jede Umfrage besteht aus einem fixen Frageblock, der über die Zeit unverändert bleibt, und einem variablen Teil zu einem Schwerpunktthema – dieses Mal der Europäischen Union. Detaillierte Auswertungen sind unter diesem Link abrufbar.