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Oberlandesgericht: Hausdurchsuchung im BVT war rechtswidrig

Da haben der renommierte Wiener Strafverteidiger Otto Dietrich und sein nicht weniger namhafter Kollege Johannes Neumayer einen Volltreffer beim Oberlandesgericht Wien gelandet. Der Rechtsvertreter des entlassenen BVT-Nachrichtendienst-Chef Bernhard P. (Dietrich) und der Anwalt des BVT-Beamten Franz S. (Neumayer) haben beim OLG Wien Beschwerde gegen die fragwürdige Razzia im BVT (28.Februar 2018 ) eingelegt und Recht bekommen. Die Hausdurchsuchung war rechtswidrig. "Der Antrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auf Bewilligung der Durchsuchungsanordnung wird abgewiesen", heißt es in den 26 Seiten starken OLG-Urteil.

Das OLG Wien "hob alle Bewilligungen der Hausdurchsuchungen im BVT und in drei Fällen der Wohnorte. "Bei einem Beschuldigten billigte das OLG die Durchsuchung des Wohnorts", heißt es weiter. "In einem Fall war das OLG nicht zuständig." Das OLG argumentiert, dass die Staatsanwaltschaft auch auf dem Weg der sogenannten Amtshilfe die gesuchten Beweismittel beschaffen hätte können. Oder anders gesagt: Die WKStA hätte das BVT bloß ersuchen müssen, die besagten Beweismittel bzw. Gegenstände auszuhändigen. "Aus Amtsräumen wird grundsätzlich nicht beschlagnahmt", heißt es im OLG-Urteil. Der Journalrichter, der die Hausdurchsuchung telefonisch genehmigte, hatte zu damaligen Zeitpunkt keine ausreichende Aktenkenntnis. Das ist eine rechtliche Ohrfeige der besonderen Art.

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wollte die aktuellen Entwicklungen am Dienstagvormittag nicht kommentieren: "Im Grunde genommen ist es so, dass eine Instanz der Justiz, in dem Fall das OLG Wien, sich mit Entscheidungen von anderen Instanzen der Justiz, nämlich der WKStA und einem Journalrichter, auseinandergesetzt hat. That's it.", erklärte Kickl im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien.

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Die Hausdurchsuchungen wurden laut OLG am 27. Februar 2018 vom Journalrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien (Gericht erster Instanz) bewilligt und fanden am 28. Februar 2018 statt.  "Die Entscheidungen des OLG betreffen die Durchsuchung von sechs Büroarbeitsplätzen im BVT sowie von vier Wohnorten", heißt es in einer OLG-Aussendung. "Das OLG hatte nur die Entscheidungen des erstinstanzlichen Gerichts zu beurteilen, nicht aber das Vorgehen der WKStA."

Die Entscheidung im Detail

Grundsätzlich argumentierte das OLG zur Frage, ob bei Behörden überhaupt Hausdurch­suchungen stattfinden dürfen, folgendermaßen:

Die Kriminalpolizei, die Staatsanwaltschaften und die Gerichte sind berechtigt, die Unterstützung aller Behörden unmittelbar in Anspruch zu nehmen. Aus Amtsräumen wird grundsätzlich nicht beschlagnahmt.
Braucht das Gericht Akten von Behörden, hat es um Amtshilfe zu ersuchen. Behörden-intern sind – wenn nötig – Weisungen zu erteilen. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Amtshilfe ist disziplinarrechtlich zu bekämpfen.


Eine Ausnahme besteht, wenn gegen jenen Beamten ermittelt wird, der selbst die Amtshilfe leisten müsste. Da zwar auch gegen den Leiter des BVT ermittelt wird, müsste er sich durch die Amtshilfe selbst belasten, was seine Rechte als Beschuldigter aushebeln würde. Allerdings ist das BVT organisatorisch ins Bundesministerium für Inneres (BMI) eingegliedert und untersteht dessen Dienst- und Fachaufsicht. Die Amtshilfe wäre daher durch diese übergeordnete Organisationseinheit zu leisten.

Zwar hat die Strafverfolgungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass die Beweismittel gesichert werden, und gerade im Falle deliktischen Daten„missbrauchs“ könnte die Gefahr der Löschung durch den Überraschungseffekt einer Durchsuchung gering gehalten werden. Es ist jedoch Sache der Strafverfolgungsbehörde, das Ersuchen so konkret und nachvollziehbar unter Aufzeigen der Gefahren und der notwendigen Rahmenbedingungen zu verfassen, dass die ersuchte Behörde in der Lage ist, dem Ersuchen effizient nachzukommen.

Nur wenn sich schlüssige Anhaltspunkte finden würden, dass die Behörde das Gericht oder die Staatsanwaltschaft nicht unterstützen kann oder nicht will, könnte ein Ersuchen um Amtshilfe nicht denselben Ermittlungserfolg erzielen wie eine Hausdurchsuchung.

Das OLG wörtlich: «Da [...] die Amtshilfe im Sinne des § 76 StPO nicht nur auf Grund des Umstandes [möglich war], dass [...] es im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Journalrichter auch an aktenmäßigen Anhaltspunkten mangelte, dass im Falle eines Amtshilfeersuchens die ersuchte Behörde ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nachkommen werde oder könne, erweist sich fallbezogen der Eingriff in den Wirkungsbereich einer mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Behörde durch gerichtlich bewilligte Anordnung der Durchsuchung – mag auch das prozessuale Zwangsmittel der Durchsuchung bei einer Behörde nicht explizit im Gesetz ausgeschlossen sein –, als nicht verhältnismäßig.»
 

Zum Thema „Reisepass-Rohlinge” sprach das OLG aus, dass zur Beschaffung der vorhandenen Rohlinge und damit zusammenhängender Unterlagen das Ersuchen um Amtshilfe genügt hätte. "In drei Fällen sah das OLG keine gegründete Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich an den Wohnorten beweisrelevante Gegenstände befänden. In diesen drei Fällen war die Durchsuchung der Wohnorte unzulässig", heißt es weiter. "Im vierten Fall billigte das OLG die Hausdurchsuchung des Wohnorts und sah eine ausreichende Verdachtslage, dass der Betroffene rechtswidrig gespeicherte Daten (Speichermedien) dort aufbewahrt."
 

Das rechtliche Prozedere

Grundsätzlich handelt die Polizei laut OLG Wien auf Anordnung der Staatsanwaltschaft. Das betrifft zum Beispiel Sicherstellungen und Durchsuchungen. Jede/r Betroffene, die/der sich durch einen Verstoß gegen die Strafprozessordnung verletzt erachtet, kann dagegen Einspruch erheben, über den das Gericht erster Instanz zu entscheiden hat (Einspruchsfrist sechs Wochen). Dieses Gericht hat auch darüber zu entscheiden, ob sichergestellte Gegenstände beschlagnahmt werden (oder ob die Sicherstellung aufgehoben wird).

Bestimmte Ermittlungsmaßnahmen bedürfen laut OLG Wien der Bewilligung des Gerichts. Im konkreten Fall betrifft dies die Durchsuchungsanordnung von allen Räumen, die vom Hausrecht geschützt sind. Gegen eine solche Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts ist die Beschwerde an das Oberlandesgericht zulässig (Beschwerdefrist zwei Wochen). Wenn die Beschwerde an das OLG mit einem Einspruch kombiniert ist, ist das OLG zur Entscheidung auch darüber zuständig.

Videokommentar

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