Politik/Inland

"Neutralität auf jeden Fall zeitgemäß"

KURIER: Herr Verteidigungsminister, ist die Neutralität im Jahr 2015 überhaupt noch zeitgemäß?
Gerald Klug: Auf jeden Fall. Wir erleben gerade eine Zeit der Krisen. Ukraine, Syrien, Irak, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Gerade in dieser konfliktreichen Zeit gibt uns die Neutralität die nötige Glaubwürdigkeit, um international aktiv zu sein. Wien ist deshalb zum Beispiel oft Schauplatz wichtiger Verhandlungen, wie zuletzt zum Atomabkommen mit dem Iran oder zu Syrien.

Europa befand sich in den vergangenen Jahrzehnten im Umbruch. Wem gegenüber sind wir in einem geeinten Europa überhaupt noch neutral?
Wir gehören keinen Militärbündnissen an, wie etwa der NATO. Gerade diese Unabhängigkeit, gibt uns die Möglichkeit zu vermitteln, Brücken zu schlagen und ordnend zwischen Konfliktparteien einzugreifen.

Vielen Österreichern gibt die Neutralität ein Gefühl der Sicherheit, weil wir uns aus Konflikten raushalten. Ist das mehr als ein Gefühl?
Ob es heute noch einen direkten Zusammenhang zwischen Neutralität und Sicherheit gibt, wäre eine Untersuchung wert. Auch neutrale Staaten können bedroht werden. Durch Aggression von außen, durch Terrorismus und dergleichen mehr. Ich habe unsere Neutralität nie so verstanden, dass wir uns zurücklehnen und andere machen lassen. Wir engagieren uns in Friedensmissionen am Balkan, im Nahen Osten und in Afrika. Auch das ist gute österreichische Tradition.

Was kann Österreich als neutrales Land zum Beispiel im Kampf gegen den IS beitragen?
Der Kampf gegen den Islamischen Staat hängt nicht davon, ob neutral oder nicht. Gegenüber Terroristen kann es keine Neutralität geben, um das ganz klar zu sagen. Österreich hat sich im humanitären Bereich engagiert. Wir unterstützen Hilfsorganisationen, die sich um Vertriebene kümmern. Wir haben Hilfsgüter zur Verfügung gestellt.

Und wie wäre das anders, wenn wir nicht neutral wären?
Alles, was derzeit im Kampf gegen den IS passiert, sind Initiativen von Einzelstaaten. Es ist kein Militärbündnis aktiv, sondern eine Koalition der Willigen, wenn man es so nennen möchte. Ich sehe also nicht, wo sich gravierende Unterschiede ergeben würden.

Wie passt die Neutralität zur Debatte über eine EU-Armee bzw. wie müsste die Neutralität, wenn es einmal eine EU-Armee geben sollte, neu festgeschrieben oder interpretiert werden?
Ich bin kein Fan einer EU-Armee. Eine aktive Teilnahme Österreichs wäre mit unserer Neutralität nicht vereinbar. Mir schwebt ein Europa der verzahnten Armeen vor. Zusammenarbeit bei der Ausbildung, gemeinsame Übungen und Manöver und gemeinsame Friedensmissionen der EU: das sind alles Bereiche, die wir stärken müssen. Darauf konzentrieren ich mich.