Politik/Inland

NEOS-Chef Matthias Strolz im Porträt

Ihm ist jetzt irgendwie kalt. Vor Matthias Strolz steht ein Becher warmer Tee, das Büro ist gut geheizt. Trotzdem friert er, und das liegt wohl daran, dass der 40-Jährige an diesem klar-kalten Freitag schon im Wald war.

Wieder einmal der Wienerwald, ein Fernseh-Team wollte ihn zwischen Bäumen filmen. Warum ist klar: Nachdem der Parteigründer vor einer Woche die Sensation schaffte und mit den Neos auf Anhieb ins Parlament gewählt wurde, erzählt man sich allerorten die Geschichte von Strolz Selbstentdeckung.

Die Kurz-Version: Im August 2011 schnallt sich Strolz einen Rucksack um und marschiert allein in den Wienerwald. Der Unternehmensberater fastet fünf Tage, durchwacht eine Nacht am Lagerfeuer und schreibt auf einem Fels sitzend seinen Lebenssatz nieder: „Du bist ein Gärtner des Lebens. Kultiviere Formen und Felder sämtlicher Art.“

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Auch jetzt sitzt Strolz, der Wirtschafts- und Politikwissenschaften studierte, ruhig da, er ist in seinem Büro in einem Dachgeschoß-Loft in Wien-Neubau. An der Wand stehen Regale mit verpackten Büchern, hinter dem Schreibtisch: ein meterlanges Berg-Panorama des Klostertals – da kommt er her.

„Ich weiß, dass mich manche ins Eso-Eck stellen. Aber das sind die selben, die bis vor kurzem gesagt haben: Ihr seid verrückt, es gibt 900 Parteien in Österreich, keine hat’s ins Parlament geschafft, warum also ausgerechnet die Neos?“

Der Matthias Strolz, der jetzt spricht, ist anders als der aus dem Fernsehen. Ruhiger, nicht ganz so aufgekratzt. Die unorthodoxe Sprache bleibt und irritiert ein Stück weit – welcher Parteichef sagt schon Sätze wie „Ich bin auf der Suche nach der Melodie des Lebens“?

Doch Strolz ist kein Schamane, kein Träumer, im Gegenteil: Er ist ein Arbeiter, Planer. Einer, der binnen zwölf Monaten eine Partei aus der Taufe hob, die vergangenen Sonntag 232.946 Bürger für die beste Wahl hielten.

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Wie das gelingen konnte, versteht man besser, wenn man seine Vergangenheit besieht: Strolz wächst im Klostertal auf. Die Mutter: Bergbäuerin, der Vater: Angestellter einer Textilfirma. „Meine Mutter ist eine stark verwurzelte Frau mit alemannischem Arbeitsethos. Für Vorarlberger Bergbauern heißt arbeiten schuften bis du physisch Schmerzen hast.“ Sport sei abstrus gewesen. „Schweiß produzieren ohne Arbeit? Das war nahe am Frevel! Wenn ich zum Fußball wollte, haben die Eltern gesagt: Bub, Du bist eh in der Blasmusik, das genügt, wir müssen heuen.“

Der Vater war der Gegenpol. „Er war gern auf Reisen, hat in Paris gearbeitet und hatte eine Statue von Kennedy auf dem Fernseher.“

Disziplin und Weltläufigkeit, das geben sie ihm mit, die Eltern. Die Pubertät wird zur wilden Zeit. „Wir haben viel gesoffen und gefeiert“, sagt Strolz. „Die weichen Drogen haben schwer in die engen Täler gedrängt.“

Im Winter urlaubten deutsche 68er bei der Familie. „Einer kam – so wurde uns Jahre später klar – stets unter falschem Namen. Sie waren Sympathisanten der Baader-Meinhof-Gruppe, wuzelten ihre Zigaretten selbst und wechselten überraschend oft die Partner. Eine Gegenwelt, die ich als andere Selbstverständlichkeit erlebte. Erst später begriff ich: Da gibt es also noch viel mehr.“

Ranger nannten sie ihn damals, wie schon den Vater. Der Bub ging ins Gymnasium, wurde Klassensprecher, später Landesschulsprecher. An der Uni Innsbruck wurde er Chef der Hochschülerschaft und rutschte bald ins Nah-Feld der ÖVP: Strolz arbeitete für den Wirtschaftsbund und wurde Trainee der Industriellenvereinigung. „Im Forum Alpbach hat er einen Jugendaufstand angezettelt“, sagt Erhard Busek. „Er wollte mehr Junge und Frauen auf den Podien – die Reform kam wirklich.“ Busek war es auch, der den ÖVP-Chefs Molterer, Pröll und Spindelegger empfahl, das Polit-Talent doch zu fördern – ohne Erfolg. „Anstatt ihn einzubinden hat die Partei versucht sein Projekt zu torpedieren und dafür gesorgt, dass ihm Geschäftspartner abhanden kamen.“Strolz selbst hegt keinen Groll. „Ich werfe niemandem einen Stein nach.“ Er weiß: Die wahren Mühen warten noch. Die mögliche Fusion der Neos mit dem Liberalen Forum, der Aufbau des Parlamentsklubs – all das braucht Zeit, Kraft. „Es werden schwierigere Zeiten kommen.“ Die Mühen der Ebene, Herr Strolz? „Nicht der Ebene! Die Mühen des Hochplateaus, so muss es heißen!“ Ja, das klingt ungewöhnlich, anders als der übliche Polit-Sprech. Aber genau das gefällt ihm. Und schon hat er vergessen, dass ihm gerade noch kalt war.