Die Reaktionen der Parteien
Von Maria Kern
Der selbst ernannte Steuermann mit der ruhigen Hand hat das Ziel erwartungsgemäß als Erster erreicht. Werner Faymann und seine SPÖ erhielten bei der Nationalratswahl laut vorläufiger Hochrechnung 26,6 Prozent – und verteidigten somit Platz eins.
Im Zelt vor der Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße brachen die roten Funktionäre und Sympathisanten dennoch nicht in Jubelstürme aus. Es gab vielmehr bemühten Applaus, teils auch ernste Gesichter. Die rote Basis weiß, dass ein Triumph anders aussieht. Kein Wunder. Der „Sieg“ ist zeitgleich das schlechteste Ergebnis in der Parteigeschichte.
Schon bei der Nationalratswahl 2008 hatten nur noch 29,3 Prozent (minus 6 Prozentpunkte) der Wähler bei der SPÖ ihr Kreuzerl gemacht – das war ein historischer Tiefstand. Diesmal sind es noch weniger.
Das gestrige Ergebnis ist allerdings keine Überraschung. Es hatte sich schon in den Umfragen der vergangenen Monate abgezeichnet. Die SPÖ hatte den gesamten Wahlkampf über zwar die Nase vorne gehabt, die 30-Prozent-Marke war aber nie übersprungen worden.
Passabler Wahlkampf
Die Retro-Wahlkampagne der Roten ist bei der Stammwählerschaft offenbar passabel angekommen, viele neue Wähler konnten damit aber nicht gewonnen werden.
Parteimanager Norbert Darabos verteidigte seine Kampagne: „Ich bin der Meinung, dass der Wahlkampf gut aufgesetzt war.“
Die SPÖ hatte ja ganz auf ihre Kernthemen gesetzt: Arbeit, Bildung, Pensionen. Die Vermögenssteuern waren naturgemäß auch auf der Polit-Agenda. Zuletzt hatten sich die Roten noch für 1500-Euro-Mindestlohn stark gemacht. Und: Den Wählern wurde eine Steuerreform im Jahr 2015 versprochen. Alle, die zwischen 1500 und 4000 Euro brutto verdienen, sollten davon besonders profitieren. Die Partei hatte also alles daran gesetzt, um die „kleinen Leute“. Woran lag es dann, dass die SPÖ weit vom Wahlziel 30 Prozent entfernt gelandet ist?
Darabos erklärte sich das Minus mit dem „höheren Angebot für die Wähler“.
Staatssekretär Josef Ostermayer sah das genauso. „Österreichweit sind neun Parteien angetreten, in manchen Bundesländern waren es 14“, betonte Faymanns rechte Hand im KURIER-Gespräch. Auch in der Wirtschaftskrise sah er einen Grund für das magere Abschneiden seiner Partei. „Wir haben fünf Jahre Krisenbewältigung gehabt. In 20 von 27 EU-Ländern wurden die Regierungschef abgewählt.“ Werner Faymann sei das nicht passiert.
Für die SPÖ sei wichtig, „dass wir die klare Nummer eins sind“, ergänzte Darabos. Daher sei er auch „nicht unzufrieden mit dem Ergebnis“.
Da konnte Karl Blecha nicht zustimmen. „Ich bin überhaupt nicht zufrieden“, gab der rote Pensionisten-Boss im KURIER-Gespräch offen zu. Auch Blecha meint allerdings, dass die rote Wahlkampagne gut gewesen sei. Vielmehr sei „eine neue Epoche einer gesellschaftspolitischen Entwicklung angebrochen“. Wähler würden sich erst sehr spät entscheiden oder gar nicht erst zur Wahl gehen. Aus Blechas Sicht sind „neue Formen der Entscheidungsfindung gefragt“. Was heißt das konkret? „Wir brauchen eine neue Form der Politik, mehr Bürgerbeteiligung.“
Schlechte Mobilisierung
Wurden im Wahlkampf keine Fehler gemacht? „Möglicherweise hat es an der Mobilisierung gemangelt“, gab Darabos nach mehrmaligem Nachfragen zu.
Mitschuld am Minus ist zweifelsohne auch das triste Ergebnis für die SPÖ in der Steiermark (mehr dazu hier): Nur 24 Prozent stimmten für die Roten (minus 5,3 Prozentpunkte). Hauptgrund dürften die Konflikte rund um die Gemeindefusionen sein. Zahlreiche verärgerte Ortschefs hatten ihre Bürger dazu aufgerufen, bei der Nationalratswahl weder den Roten noch den Schwarzen ihre Stimme zu geben. Landeschef Franz Voves meinte hingegen: „Wir haben ein Riesenproblem im Zugang zu den Arbeitern.“
Viele in der roten Basis sehen das freilich anders – und befinden, dass Voves mitverantwortlich sei. Das hörte man bei Gesprächen im SPÖ-Zelt Wien heraus.
Ein 49-jähriger SPÖ-Anhänger ortet noch andere Ursachen für das mittelprächtige Ergebnis: „Die halbe Milliarde, die der Linzer Bürgermeister versenkt hat, ist sicher nicht gut angekommen. Und der Salzburger Finanzskandal war auch kein Gewinn für die SPÖ.“
Faymann: „Schnelle Reformprojekte“
Werner Faymann: Ich sehe es als Aufforderung, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, mit klaren Reformprojekten.
Welche werden das sein?
Zunächst Beschäftigung, da müssen unnötige bürokratische Hürden weg. Dann können wir bei einer neuen Geschäftseinteilung der Ministerien sparen, vom Personal bis zur IT.
Herr Strache möchte mit Ihnen verhandeln
Auf parlamentarischer Ebene wird geredet, aber ich halte Wort: keine Regierung mit der Strache-FPÖ.
Und sollte es mit der ÖVP nicht klappen, würde dann der Vizekanzler mit Strache und Stronach eine Mehrheit suchen?
Neue Zusammenarbeit beginnt mit Vertrauen, deshalb möchte ich Herrn Spindelegger nichts unterstellen.
Wird es personelle Veränderungen geben und eine neue Aufteilung der Ministerien?
Ich möchte mit der ÖVP rasch verhandeln. Am Ende kann sich herausstellen, dass wir auch bei Ministerien etwas verändern, also abtauschen.
Könnte es etwa einen Minister Haselsteiner geben, der ja nicht bei SP oder VP ist?
Dem kann ich nichts abgewinnen. Erst in der Schlussphase werden wir über Personen reden, unsere Parteien können hochqualifizierte Minister stellen.
Es war nach den Landtagswahlen in Kärnten und Niederösterreich, als die ÖVP-Spitzen voller Euphorie „das Jahr der ÖVP“ ausriefen. Am Abend der Nationalratswahl war die Euphorie verflogen, das Jahr der ÖVP endete am 29. September. Stimmten bei der Nationalratswahl 2008 noch 26 Prozent der Wähler für die ÖVP, waren es am Sonntag nur 24,1 Prozent – ein historisches Tief.
Dennoch war ein Aufatmen in der Parteizentrale hörbar – hatten manche Umfragen doch gar ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der FPÖ um Platz 2 vorhergesagt. „Wir haben besser abgeschnitten, als so manche Umfrage prophezeit hat“, sah VP-Geschäftsführer Hannes Rauch durchaus positive Seiten des Ergebnisses. Rauch will die gesamte Regierung abgestraft wissen: „Das zeigt, dass die Große Koalition nicht optimal gearbeitet hat. Das ist ein Denkzettel für die Regierung.“
Reformbedarf
Auch VP-Chef Michael Spindelegger zeigte sich am Abend nachdenklich: „So kann es nicht weitergehen. Es muss etwas grundlegend anders werden.“ Spindelegger sah aber „keinen Grund, den Kopf hängen zu lassen.“ Denn: „Wir haben einen guten Wahlkampf geführt. Wir haben gekämpft wie Löwen.“
Auch Michaela Steinacker, Platz 2 auf der Bundesliste, applaudierte kräftig, zeigte sich aber gleichzeitig etwas enttäuscht: „Es ist schade, dass es nicht für die Nummer 1 gereicht hat.“ Nun müssten die „besten Köpfe in die Regierung“ einziehen. Steinacker: „Es hat jeder verstanden, dass Reformen angesagt sind.“
Viel Konkurrenz
Unermüdlich warb Spindelegger vor der Wahl für eine „Wende“ – in der Hoffnung, die SPÖ zum Juniorpartner zu machen. Daraus wurde nichts. „Vom zweiten Platz aus ist es nicht leicht zu überzeugen“, versuchte etwa Ex-VP-Minister Werner Fasslabend eine Analyse. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl sah zwar kein Problem, Anhänger zu mobilisieren, sagt aber: „Wir haben eine größere Bandbreite an Gruppierungen gehabt, die unsere Positionen im wesentlichen vertreten haben. Das hat die SPÖ nicht gehabt.“
Tatsächlich zerbröselt das bürgerliche Lager zunehmend: Mit Team Stronach, BZÖ und Neos knabberten gleich drei bürgerliche Parteien am VP-Wählerkuchen. Das nennt man auch im VP-Bauernbund als Hauptgrund für die Verluste: „Es gibt ein breiteres Angebotsspektrum. Das kann schon einige Verluste erklären“, sagt ein Vertreter.
Ein Scherflein beigetragen hätte laut prominenten VP-lern auch das schlechte Abschneiden von VP und SP in der Steiermark. Dort war der Unmut über die Gemeindezusammenlegungen so groß, dass die FPÖ Rot und Schwarz überholte. Einen „holprigen Wahlkampfstart im Bund attestierte zudem Seniorenbund-Chef Andreas Khol. Einen Wechsel an der Parteispitze schloss er aber aus. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Finanzministerin Maria Fekter sahen ebenfalls keinen Anlass für eine Obmanndebatte. Wie es für die ÖVP nun weitergehe, müssten die Gremien entscheiden.
Montagnachmittag tagt der Bundesparteivorstand. VP-Chef Spindelegger stellte aber am Abend klar: „Wir werden uns nicht schon am Montag auf eine Neuauflage der Großen Koalition festlegen.“
Spindelegger: „Es muss anders werden“
KURIER: Herr Vizekanzler, was sind die Ursachen für die Verluste der Großen Koalition?
Michael Spindelegger: Das werden wir uns im Detail noch ansehen müssen, jedenfalls ist das Ergebnis ein Denkzetttel. Ein wesentlicher Grund ist wohl, dass viele Menschen den Eindruck gewonnen haben, in einer großen Koalition gehe nichts weiter. Für mich bedeutet das: Wir müssen jetzt nach neuen Möglichkeiten der politischen Zusammenarbeit suchen.
Was heißt das konkret?
Es muss etwas Neues geben. Ich will künftig stärker über ganz konkrete Projekte reden und das – wenn nötig – auch partei-übergreifend. Da gehört dazu, dass beispielsweise auch die Sozialpartner und die Landeshauptleute besser eingebunden werden. Es muss jedenfalls anders, neu werden.
Gibt es wieder eine Große Koalition?
Ich verhandle ja die Regierung nicht. Fest steht nur: Wir schließen bei der Zusammenarbeit niemanden aus.
Sie schrien „Haze, Haze“, sie schwenkten ihre Schals („Sei dabei – aus Liebe zur Heimat“) und draußen, im Foyer, wurde seit dem frühen Nachmittag eifrig Bier gezapft: In der Parteizentrale der FPÖ ging es gestern hoch her. 21,9 Prozent verhießen die ersten Hochrechnungen im Bundesgebiet; in der Steiermark errang man laut Arge Wahlen sogar den ersten Platz –was, wenn nicht jubeln war angesagt?
„Wir sind der klare Wahlsieger“, kommentierte FP-Generalsekretär Harald Vilimsky das kolportierte Resultat und sparte nicht mit Häme in Richtung Volkspartei. „Das ist eine klare Absage an die EU-Hörigkeit der ÖVP.“ Die Große Koalition sei für „Stillstand, Zwist und Hader“ bestraft worden.
Rund 22 Prozent, das ist selbst im Vergleich mit Jörg Haiders blauen Spitzenergebnissen rein rechnerisch beachtlich. Denn vor dem gestrigen Wahltag hat die FPÖ die 20er-Grenze nur drei Mal überschritten: 1994 bzw. 1995 schaffte Haider als Zugpferd 22,5 und 22 Prozent; ’99 gab es dann das Fabel-Ergebnis von 26,9 Prozent – und die schwarz-blaue Regierungsbeteiligung.
Womit wir beim Thema Regierung wären. Denn angesichts des starken Zuwachses ventilierten honorige Funktionäre wie Volksanwalt Peter Fichtenbauer schon gestern einen Wunsch: „Eine Koalition rechts der Mitte sollte zumindest in Erwägung gezogen werden.“
Generalsekretär Herbert Kickl bremste vorsorglich die Ambitionen: „Der Ball liegt nun bei der SPÖ, sie muss zu Regierungsverhandlungen einladen.“ Kritischer Nachsatz: „Es ist hoch an der Zeit, die Ausgrenzungspolitik gegenüber der FPÖ jetzt zu beenden.“
Liebe im Wahlkampf
Für die Partei, Strache und Wahlkampfleiter Kickl ist das gestrige Ergebnis gleichermaßen Genugtuung und Bestätigung für eine intern nicht unumstrittene Kampagne: Erwartungsgemäß hat die FPÖ zwar auch in diesem Wahlkampf provoziert – allerdings auf ungewöhnliche Art und Weise. Denn anstatt das Kern-Thema Zuwanderung mit bekannten Reimen zu polarisieren („Pummerin statt Muezzin“) setzten die Freiheitlichen auf die – Liebe. „Liebe deine Nächsten“, affichierte Strache – freilich mit dem Zusatz „Für mich sind das unsere Österreicher“.
Ein biblisch besetzter Begriff, verkehrt ins Gegenteil? Das war selbst der katholischen Kirche zu perfid, Würdenträger wie Kardinal Schönborn kritisierten die FPÖ überraschend offen, die „Gruppenegoismus als Nächstenliebe“ verkaufe.
Die Wähler hat das offenkundig nur begrenzt irritiert.
In Kärnten galt das Interesse in erster Linie den Freiheitlichen: Werden sie sich vom historischen Debakel bei der Landtagswahl wieder erholen oder noch tiefer fallen (wie es parteiinterne Kritiker prophezeiten)? Der freie Fall wurde gestoppt, mit 18,57 Prozent gegenüber dem 3. März (16,85 Prozent) etwas zugelegt.
„Wir sind nahe den 20 Prozent“, sagte FPÖ-Chef Christian Ragger in einer ersten Reaktion zum KURIER. „In Klagenfurt sind wir sogar wieder die Nummer zwei.“ Das war allerdings zu optimistisch, denn am Ende war es der dritte Platz hinter Rot und Grün. Ragger wusste auch, auf wen die Trendwende zurückzuführen ist: „Mein Dank gilt HC Strache, ohne den wir in Kärnten dieses Ergebnis sicherlich nie eingefahren hätten.“ Traditionell stark waren die Freiheitlichen im Bezirk Feldkirchen, wo sie einzelnen Gemeinden sogar die 30-Prozent-Grenze „kratzten“, in St. Urban (28,8 Prozent) oder Albeck (28,1) sogar stimmenstärkste Partei waren.
Für Ragger ist das Wahlergebnis aber erst ein „erster Schritt. Unser Ziel ist es, 2018 SPÖ und Grüne ins Gemüsebeet zu schicken.“ Ihm schwebt eine bürgerliche Koalition t mit ÖVP und BZÖ vor, die „große wirtschaftliche Kompetenz“ hätte. Spitzenkandidat Gernot Darmann sprach von einem „Freudentag“.
Die Grünen konnten am Wahltag nur wenig jubeln und sehr viel seufzen: Hatten ihnen doch die Wahlforscher zwischenzeitlich ein Ergebnis jenseits der 15 Prozent zugetraut, ja selbst ein Überholen der Freiheitlichen soll in Reichweite gewesen sein.
„Ja, wir hatten uns mehr erhofft“, gab Spitzenkandidatin Eva Glawischnig zu. „Aber wir haben das beste Ergebnis einer grünen Partei in Europa, darauf können wir sehr stolz sein.“ Im Bund sei nun zu befürchten, dass die „nicht mehr ganz so große Koalition“ fortgesetzt werde, und damit auch der Stillstand, sagte Glawischnig.
Somit blieben die Grünen wieder nur Umfrage-Kaiser, am Ende gab es einen Zuwachs von knapp zwei Prozent im Vergleich zum schwachen Ergebnis im Jahre 2008 (10,4 Prozent). Tatsächlich ist es das beste Ergebnis der Grünen bei einer Nationalratswahl seit ihrem ersten Einzug ins Parlament im Jahr 1986. Nur bei der Europawahl anno 2004 hatten sie mit 12,9 Prozent ein noch besseres Wahlergebnis (bei einer deutlich schlechteren Wahlbeteiligung).
„Na gut, aber wir haben uns die Latte mit 15 Prozent extrem hoch gelegt“, befand der Grüne Peter Pilz. „Wir wollten einen Regierungswechsel. Das haben wir nicht geschafft. Warum, kann ich jetzt noch nicht sagen, gravierende Fehler haben wir sicher nicht gemacht.“
Minus in Wien
Entgegen dem Bundestrend blieb in Wien allerdings mit einem Stimmenverlust von 06, Prozent ein Minus vor dem Ergebnis. Christoph Chorherr, grüner Klubobmann in Wien, glaubt nicht, dass die Regierungsbeteiligung der Grünen in der Bundeshauptstadt einen grünen Aufstieg gebremst hat: „Die Fußgängerzone in Mariahilf scheint nicht geschadet zu haben“, sagt er angesichts des Wiener Ergebnisses. „Sicher haben viele, die wir hätten gewinnen können, die Neos gewählt. Wir müssen jetzt schauen, dass wir die bis zur Wien-Wahl 2015 holen können.“
Der Aufreger im Wiener Wahlkampf für die Öko-Partei , die Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße, sei nur ein mediales Thema gewesen, proklamiert auch der grüne Wahlkampfchef Martin Radjaby.
Die Grünen reden lieber über ihren österreichweiten Zugewinn. „Ein Plus ist ein Plus“, sagten sich die grünen Wahlhelfern in der brechend vollen Halle im Museumsquartier. „Sauber gewählt“, war auf den großen Videowalls zu lesen. „Ich bin nicht deprimiert“, versicherte die grüne Abgeordnete Alev Korun, die ihr Mandat behalten wird.
Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner nannte das Ergebnis eine große Freude.Der Regierung sei mit dem Ergebnis „der Regierungsauftrag entzogen worden“. Seine Partei habe flächendeckend dazugewonnen, „das ist ein großer Vertrauensbonus.“ Alles andere müsse erst in den kommenden Tagen analysiert werden.
Im Wahlkampf hatten die Grünen vor allem auf ihr Image als Anti-Korruptionspartei gesetzt, „Saubere Umwelt. Saubere Politik“. Geschadet hat den Grünen vor allem das Antreten der Neos.
„Gratulation“, sagte Glawischnig in Richtung der neuen Parlamentspartei. EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek fügte hinzu: „Ich bin froh, dass die Regierung gemeinsam mit uns und den Neos eine sichere Verfassungsmehrheit hat.“
Die Stimmung war sprichwörtlich im Keller. Im schicken Designerhotel 25 Hours – nur wenige Meter vom Parlament entfernt – hatte das Team Stronach die Eventlocation ausgerechnet im Untergeschoß angemietet. Als auch die erreichten Prozente (laut erster Hochrechnung sechs Prozent) nicht aus dem Kellerbereich klettern wollten, herrschte eine gedämpfte Stimmung. Die Eventlocation füllte sich nur langsam. Richtige Partystimmung kam nie auf.
Parteigründer Frank Stronach ließ sich nicht blicken – er lächelte nur lebensgroß vom Plakat – auch seine Kronprinzessin Kathrin Nachbaur ließ sich entschuldigen: „Ich begleite Frank zur TV-Diskussion ins Parlament.“
„Ergebnis ist Erfolg“
Nur Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar hielt eisern die Stellung im Hotel 25 Hours. Bis 16.30 Uhr bekam er vom Parteigründer Frank einen Maulkorb umgehängt. „Ich habe noch keine Freigabe.“ Später bemühte er sich angesichts der enttäuschenden sechs Prozent um Schönfärberei: „Das Ergebnis ist ein Erfolg. Wir haben uns fast verdoppelt“, analysierte Lugar. Und setzte angesichts der verstörten Blicke der Journalisten erklärend nach: „An Mandaten im Parlament. Bis jetzt hatten wir fünf, mit diesem Ergebnis werden es Minimum zehn werden. Wir sind die größten Gewinner der Wahl.“
Ob das auch Frank Stronach so sieht? „Das weiß ich nicht,“ antwortet Lugar.
Doch wer Stronach kennt, weiß, dass der Parteigründer mehr wollte. Für eine Investition von 25 Millionen Euro sollte zumindest ein zweistelliges Ergebnis rausspringen.
Nur in der Steiermark, wo Magna einige Werke hat, erreichte Stronach zehn Prozent. Mit bundesweit sechs Prozent blieb das Team Stronach auch weit hinter den Landtagswahlen in Kärnten (11,8 Prozent) und Niederösterreich (9,8 Prozent)am 3. März.
Jessica Lintl, Team-Stronach-Spitzenkandidatin in Wien, meinte: „Wir hatten auf der Straße ein tolles Feedback, so hatten wir ein besseres Gefühl als das Ergebnis jetzt zeigt.“
Aufreger im Wahlkampf
Dabei lieferte Stronach die Aufreger des an sich farblosen Wahlkampfes. Er entblößte seinen Oberkörper, Schlagerstar Helene Fischer tanzte ebenso an wie TV-Ikone Dieter Bohlen. Aber seine skurrilen TV-Auftritte und der Todestrafen-Sager ließen seine Sympathiewerte von Duell zu Duell schrumpfen. Für die geringe Ausbeute wird ein Schuldiger gefunden werden. Einer wird es mit Sicherheit nicht sein – Frank Stronach.
Jubelstimmung im pinkfarbenen Neos-Hauptquartier im 7. Wiener Gemeindebezirk. Als offiziell bekannt wird, dass die Neos knapp unter fünf Prozent liegen, gibt es frenetischen Applaus, der Hero des Wahlabends heißt Matthias Strolz. „Ein Jahrhundertprojekt ist gelungen“, sagt der Neos-Chef.
Freunde und Sympathisanten der jungen Partei fallen einander um den Hals, wer kann, hält ein Schild hoch, auf dem steht: „Jetzt packen wir es an“. Strolz freut sich wie ein kleiner Bub, in Gedanken ist er aber schon viel weiter: „Wir werden das Parlament mit neuen Ideen durchfluten“, sagt er voller Tatendrang.
Angelika Mlinar, die Vorsitzende des Liberalen Forum (LIF) und Bündnispartnerin der Neos, strahlt über das ganze Gesicht. „Das Ergebnis zeigt, dass die Menschen den Mut haben, etwas Neues zu wagen, die Menschen wollen eine Veränderung.“ Mindestens neun Abgeordnete dürften die Neos bekommen.
Der 40-jährige Parteigründer sieht sich schon die wichtigsten Projekte der liberalen Partei realisieren. Die Neos wollen sich sofort für drei Initiativen stark machen: Eine Senkung und Neuregelung der Parteienfinanzierung, eine Bildungsreform und ein Pensionssystem, das „enkelfit“ ist.
Ohne Parteibuch
Bis 2020 soll die Parteienförderung um 75 Prozent reduziert werden, womit Österreich im „guten europäischen Durchschnitt“ liegen würde. Beim Thema Bildung wollen die Neos einen Konvent der „Kräfte des guten Willens“ ins Leben rufen. „Wir wollen eine Pädagogik ohne Parteibuch“, sagt Strolz. In einer Bildungspolitik, die Chancengleichheit bietet und Schüler mit Migrationshintergrund besser fördert, sehen die Neos auch einen Hebel zur Bekämpfung der Armut. Und wie alle liberalen Parteien verlangen sie eine Steuersenkung. Derzeit zahlen Österreicher im Schnitt 44,2 Prozent an Abgaben. Bis 2020 wollen Neos die Steuerquote auf unter 40 Prozent senken. Der Aufstieg der Neos begann vor einem Jahr. In einem Hotel im Wienerwald, sammelte Strolz 40 Freunde um sich, um die Gründung einer neuen Partei auszuloten. Die Gruppe war sich sicher: Die seit Jahren herrschende Staatsgläubigkeit brauche ein Korrektiv, das politische System eine neue Dynamik. Die Neos – Das Neue Österreich – wurden also gegründet, und man warb mit Hauspartys, Tür- zu Tür-Kontakten und 6000 speziellen Neos-Freunden um die Gunst der Wähler. Im Frühjahr kam es zum Bündnis mit dem Liberalen Forum (LIF). Der Industrielle Hans Peter Haselsteiner – bisher schon LIF-Förderer – half kräftig. Rund 450.000 Euro spendete er bar und übernahm die Haftung für einen 500.000-Euro-Kredit. Zu Hause in Kärnten feierte Haselsteiner den Sieg der Neos gelassen bei einem Glas Wein. Die Feier in Wien schwänzte er. Seine aktive Teilnahme am Wahlkampf in den vergangenen drei Wochen wirkte wie ein Turbo für die Neos. Bei einer Regierungsbeteiligung steht er als Minister zur Verfügung.
Von fast elf Prozent noch bei der Wahl 2008 verschwand das BZÖ – Bündnis Zukunft Österreich, das Erbe Jörg Haiders – am Sonntag in der Versenkung. Sechs Abgeordnete der ursprünglich 21 hatte der Nationalratsklub schon im vergangenen Jahr an das Team Stronach verloren.
Aus nach acht Jahren
Nach den Hochrechnungen – inklusive der Wahlkarten – fehlten dem BZÖ ein paar Zehntel Prozentpunkte, um die Vier-Prozenthürde zu schaffen.
So muss sich das BZÖ nach acht Jahren im Nationalrat verabschieden: 2005 wurde es von Jörg Haider als Abspaltung der FPÖ gegründet. 2006 kam das Bündnis auf etwas mehr als vier Prozent, 2008 schließlich schnitt die Partei mit Haider an der Spitze wieder besser ab.
Bundesweit verlor das BZÖ nach Haiders Unfalltod im Oktober 2008 an Bedeutung. Nur in Kärnten blieb die Partei stark. Bei den Landtagswahlen im März 2009 erreichte es fast 45 Prozent. Bei den Landtagswahlen in anderen Bundesländern scheiterte es an den Einzugshürden oder trat gar nicht erst an.
Der Abwärtstrend verstärkte sich nach der Gründung des Team Stronach. Orange Abgeordnete wanderten zum Team des Austrokanadiers ab und ermöglichten der neuen Partei damit die Gründung eines neuen Parlamentsklubs, der zum Konkurrenten wurde.
Nun ist das BZÖ mit zwei Abgeordneten nur noch im Kärntner Landtag vertreten und im EU-Parlament mit einem, nämlich Ewald Stadler.
Der Wahlkampf war ganz auf den Kärntner BZÖ-Chef und Spitzenkandidaten Josef Bucher zugeschnitten: Dort kam die Partei bei einem Minus von 27,4 Prozent gegenüber 2008 auf elf Prozent der Stimmen. Bucher gestand am Abend die Niederlage ein. Er schloss einen Rücktritt nicht aus. Es habe Fehler gegeben. Bucher: „Verantwortlich dafür bin ich.“
Am Mittwoch werde in einer Sitzung besprochen, wie es mit ihm und der Partei weiter gehen werde. Über seine persönliche Zukunft werde er alleine entscheiden.