Nationalrat hat 12-Stunden-Tag beschlossen
Das Paket zur Arbeitszeitflexibilisierung ist heute im Parlament beschlossen worden. Dem Gesetz, das den Zwölf-Stunden-Tag bzw. die 60-Stunden-Woche gesetzlich etabliert, stimmen schlussendlich nicht nur die Regierungsfraktionen ÖVP und FPÖ, sondern auch die NEOS zu. SPÖ und Liste Pilz stimmten dagegen.
Mit dem Vorhaben bleibt zwar grundsätzlich der Acht-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche als Normalarbeitszeit bestehen. Ausgedehnt wird aber die mögliche Maximalarbeitszeit. Gegenüber dem ursprünglichen ÖVP-FPÖ-Initiativantrag gab es noch eine Änderung: So tritt das Vorhaben nicht erst mit 1. Jänner 2019, sondern bereits am 1. September dieses Jahres in Kraft.
Ein SPÖ-Antrag auf Abhaltung einer Volksabstimmung fand keine Mehrheit, neben den SPÖ-Mandataren stimmten nur die Abgeordneten der Liste Pilz dafür.
52 Redner, emotionale Debatten und Untergriffe
Die Debatte über die Ausweitung der Höchstarbeitszeit ist wie erwartet sehr emotional mit viel Aktivismus und einigen Untergriffen verlaufen. Während die Opposition der Regierung vorwarf, die Arbeitnehmer auszubeuten, sah FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz gar "Freude" bei den Menschen über den 12-Stunden-Tag.
Für die SPÖ brachte Christian Kern einen Antrag auf eine Volksabstimmung über die Ausweitung der Arbeitszeit ein (der dann keine Mehrheit fand). Er kritisierte das Vorhaben der ÖVP-FPÖ-Regierung als die "massivste Verschlechterung seit drei Jahrzehnten". Das Gesetz sei "ungerecht, unausgegoren und durch und durch unvernünftig". "Wenn sie besonders lustig sind", erklären Kanzler Sebastian Kurz ( ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache ( FPÖ) den Arbeitnehmern, dass das Gesetz für sie "grandios" sei. Aber wenn man sehe, dass nur Industrie und Wirtschaft das Vorhaben bejubeln, "weil geliefert wurde, was bestellt wurde", wisse man, wem das Gesetz nutze, so Kern. "Das ist ein Angriff auf die Arbeitnehmer. Sie werden nicht nur als Arbeitnehmerverräter in die Geschichte eingehen, Sie machen die Ungerechtigkeit zum Programm", so Kern an die Regierung.
Sozialminister Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat den Beschluss mit einem Zitat von Karl Marx verteidigt. Dieser habe einst gesagt, "Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann leisten kann". Mit der nun vorliegenden Arbeitszeit-Regelung "ist diese Freiheit für jedermann und jederfrau möglich", so die Ressortchefin. Gegen "bewusst geschürte Panikmache" sprach sich Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ( ÖVP) bei ihrem Auftritt im Plenum aus. "Bitte nehmen Sie von Superlativen und Angstszenarien Abstand", sagte sie in Richtung der Opposition. Es würden durch die Neuerung "weder Milch und Honig fließen, noch erschüttern wir die Grundfeste dieser Republik".
Alles "falsch und erlogen" erwiderte FPÖ-Klubobmann Rosenkranz. Der acht Stunden Tag, die 40-Stunden-Woche, die Überstundenzuschläge, die Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen würden bleiben. Die Menschen würden sich auf die neuen Regelungen "freuen". Dort, wo die Politik näher an der Bevölkerung sei, "kommt diese Maßnahme bei den Menschen gut an", so Rosenkranz, der Abgeordnete der Opposition u.a. als "Rabiat-Gewerkschafter" bezeichnete und ihnen "Tourette-Syndrom" vorwarf. Dass das Gesetz völlig überraschend schon im September in Kraft treten soll, begründet er damit, dass man sich damit gut auf die Neuerungen "einstellen" könne.
Von einer "Win-Win-Situation" und einem "guten, ausgewogenem Gesetz für bei Seiten" sprach auch VP-Klubchef August Wöginger. Das Vorziehen des Inkrafttretens begründet er damit, dass mit dem Gesetz "Arbeiterrechte" abgesichert würden.
"Viele Taferln, aber wenig Hirnschmalz"
"Viele und auf beiden Seiten, aber ziemlich wenig Hirnschmalz", urteilte Gerald von den NEOS. Die Regierung mache es ihm als Befürworter einer Arbeitszeit-Flexibilisierung "wirklich schwer". "Es ist so schlecht, dass man glauben könnte, es sei tatsächlich von den schwarzen und blauen Klubs geschrieben worden", so Loacker, der die Industriellenvereinigung als Schreiberin des Gesetzes vermutet. Das Vorhaben werde zu zahlreichen und langjährigen Gerichtsauseinandersetzungen führen. "Der Rechtsanwalt Rosenkranz freut sich darüber, weil es damit Arbeit für die Rechtsanwälte gibt", so Loacker.
Daniela Holzinger-Vogtenhuber von der Liste Pilz machte vor allem auf die Probleme für Familien aufmerksam. Die Regierung nehme "null Rücksicht auf die Gesundheit, null Rücksicht auf die Vereinbartkeit von Beruf und Familie, null Rücksicht auf die Kinder". Auf der anderen Seite werde der Ausbau der Kinderbetreuung zurückgeschraubt.
Die Debatte war von zahlreichen Zwischenrufen und auch "Taferl"-Aktionen begleitet. So hatten alle Abgeordnete von ÖVP und FPÖ Schilder mitgebracht, die untermauern sollten, dass sich für die Arbeitnehmer quasi ohnehin nichts ändert: "8 Stunden am Tag", "40 Stunden in der Woche", "Es bleibt dabei" sowie "Freiwilligkeit garantiert", war darauf zu lesen. Die SPÖ hielt dem Verbotstafeln entgegen, auf denen jeweils die Zahl 12 bzw. die Zahl 60 rot durchgestrichen war.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sowie die Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) mahnten die Abgeordneten, es mit dem Hochhalten der Tafeln nicht zu übertreiben. Sobotka verwies auf die übliche Vorgangsweise im Hohen Haus: "Es ist die Usance, das 30 Sekunden zeigen zu dürfen", richtete er den Abgeordneten aus.
Katzian schließt mit Kampfrede
Als 52. und letzter Redner meldete sich ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian (SPÖ) mit einer ruhig vorgetragenen, aber wortgewaltigen Rede zu Wort. Er warnte ÖVP und FPÖ davor, die Arbeitnehmer zu entrechten und die Demokratie zu bescheiden. Nach dem Beschluss im Nationalrat werde man den Fokus nun auf den Bundesrat richten und wenn man auch dort nichts erreiche, "werfen wir das Scheinwerferlicht auf die Besteller" (des Gesetzes, Anm.), drohte Katzian indirekt mit Arbeitskampf.